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Russland-Ukraine: von der Krise zum Krieg [Hintergrund und Entwicklung]

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9 min

©2022 Getty Images
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Der Russland-Ukraine-Konflikt hat in einen militärischen Angriff Russlands gemündet. Putins hat mit seiner Armee einen Krieg in der Ukraine angezettelt. Millionen sind auf der Flucht. Die Hintergründe des Konflikts und die aktuelle Lage im Liveblog.

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Die Ukraine, das zerrissene Grenzland

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Die Ukraine, das zerrissene Grenzland

© Tomas Ragina/Getty Images/iStockphoto

Seit Jahrhunderten ist die Ukraine ein Land, dessen Grenzen immer wieder neu gezeichnet werden. Im Westen wurden Gebiete immer wieder von Polen beansprucht, im Osten von Russland. Schon der Name "Ukraine" deutet auf diesen ewigen Konflikt hin. "Ukraine", das bedeutet nichts anderes als "Grenzgebiet" oder "Militärgrenze".

Ein Grenzgebiet ist die Ukraine gleich im mehrfachen Sinn. Das Land gilt als Übergangsland zwischen Osten und Westen, mit einem katholischen Westen und einem orthodoxen Osten. Als eigenen, unabhängigen Staat mit den heutigen Grenzen gibt es die Ukraine erst seit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Unabhängigkeitsreferendum vom Dezember 1991. Doch die Unabhängigkeit hat nichts an der Zerrissenheit geändert. Während die Bevölkerung der Westukraine eine Mitgliedschaft in der EU und zum Verteidigungsbündnis NATO wünscht gibt es im Osten von Russland unterstützte Separatisten, die sich lieber wieder Russland zugehörig wären.

Die unterschiedlichen Interessen lösten im Jahr 2013 die Euromaidan-Proteste aus. Anstoß dafür war, dass die Regierung die Annäherung an die EU auf Druck Russlands aussetzte.

Das Land hatte die monatelangen Proteste gegen die Regierung und Korruption erst überwunden, da annektierte Russland die seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim. Die Krim ist für Russland vor allem aus militärischer Sicht von Bedeutung, ist dort doch seit der Gründung im Jahr 1783 die russische Schwarzmeerflotte stationiert. Die Stadt Sewastopol ist Zentrum der russischen Marine-Präsenz. Dem im Jahr 2010 bis 2042 verlängerten Vertrag von Charkow zufolge lägen die Obergrenzen der russischen Einheiten auf der Krim bei 25.000 Soldaten, 388 Schiffen und 161 Fluggeräten. Durch die Annexion wurde der Vertrag nichtig.

Am 16. März 2014 ließ Russland auf der Krim ein Referendum über die Zukunft und den Status der Krim durchführen. Bei Referendum stimmten 96,77 der Wähler für einen Beitritt zu Russland. Das Referendum wurde von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt, Russland in der Folge mit Wirtschaftssanktionen belegt.

Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts 2021/22

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Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts 2021/22

Russische Truppenparade in Sewastopol zum 1. Jahrestag des Krim-Referendums

© 2015 Getty Images

Seit der Annexion der Krim durch Russland herrschen in der Ostukraine - in den Provinzen Luhansk und Donetsk - bürgerkriegsähnliche Zustände. Von Moskau unterstützte Separatisten haben zwei international nicht anerkannte Republiken um die Städte Luhansk und Donezk ausgerufen. Der russische Präsident Vladimir Putin hat die Republiken Luhansk und Donezk am 21. Februar 2022 offiziell anerkannt und damit die Eskalation des Konflikts zum Krieg eingeleitet.

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Bereits im Frühjahr 2021 hat Russland begonnen seine Militärpräsenz entlang der ukrainischen Ostgrenze massiv aufzustocken. Mitte Februar 2022 waren bereits 150.000 russische Soldaten mit schwerem Kriegsgerät entlang und nahe der Ostgrenze stationiert. Gleichzeitig hielt Russland in Belarus, im Westen der Ukraine Truppenmanöver ab und mobilisierte die an der Krim stationierte Schwarzmeerflotte.

Die massive Präsenz der russischen Truppen entlang der ukrainischen Grenze ließ bereits befürchten, sich der Fall der Krim aus dem Jahr 2014 wiederholt, Russland in die Ukraine einmarschiert und sie in der Folge annektiert. Am 22. Februar 2022 wurden russische Truppen in den Separatisten-Regionen Luhansk und Donezk entsandt. Das war jedoch nur der erste Schritt. In der Folge sind russische Kampftruppen in der gesamten Ukraine einmarschiert.

Streitkräfte im Vergleich

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Streitkräfte im Vergleich

Russische Militärparade in Moskau

© 2006 Getty Images

Die Ukraine ist im Vergleich zu Russland in allen Belangen ein regelrechter Zwerg, besonders auch was die militärischen Streitkräfte und deren Ausstattung betrifft. Auch das geht nicht zuletzt auf die Annexion der Krim im Jahr 2014 zurück. Die Ukraine hat dadurch rund 70 Prozent ihrer Marine-Streitkräfte verloren.

Die Ukraine hat zudem eine hoffnungslos veraltete und zum Teil nicht mehr einsetzbare Luftabwehr. Die Gesamtzahl der verfügbaren Soldaten liegt bei rund 250.000, wovon rund 45.000 Zivilisten sind, die vor dem Einmarsch der russischen Truppen in Luhansk und Donezk zum Teil nur mit Stöcken ausgestattet ein Militärtraining durchlaufen mussten.

Der bescheidenen ukrainischen Streitmacht steht eine rund eine Million Mann starke russische Armee gegenüber, zu der noch rund 2 Millionen Reservisten kommen. Die russische Armee, deren jährliches Budget bei rund 61,7 Milliarden US-Dollar liegt, ist damit die fünftgrößte der Welt, nach China, Indien, USA und Nordkorea.

Die 10 größten Armeen der Welt

Rang

Land

Truppenstärke (Mann)

Budget (Mrd. $)

1

China

2.000.000

252,3

2

Indien

1.450.000

72,9

3

USA

1.390.000

778

4

Nordkorea

1.200.000

4,07

5

Russland

850.000

61,7

6

Pakistan

640.000

10,38

7

Iran

575.000

15,8

8

Südkorea

555.000

45,7

9

Vietnam

470.000

5,07

10

Ägypten

450.000

2,52

Wirtschaft der Ukraine

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Wirtschaft der Ukraine

© 2022 Getty Images

Die Ukraine gilt als "Kornkammer Europas". Getreide, vor allem Weizen, ist auch das Hauptexportgut des Landes. Die Agrar-Exporte machen 38 % aller Exporte aus. Weitere wichtige Exportgüter sind Metallprodukte (Eisen und Stahl) sowie chemische Produkte.

Auch wirtschaftlich ist das Land zweigeteilt. Im Osten herrscht Schwerindustrie vor, viele Anlagen sind extrem veraltet und noch aus Sowjet-Zeiten übrig geblieben. Das BIP der Ukraine lag im Jahr 2021 bei 151,7 Milliarden US-Dollar, das BIP pro Kopf zu Kaufkraftparität bei 13.779 US-Dollar. Die Inflation lag im Jahr 2021 bei 9,2 %.

Österreich ist laut ukrainischer Nationalbank mit kumuliert 1,77 Mrd.$ (Stand: 30.06.2021) der sechstgrößte ausländische Investor in der Ukraine, hinter Zypern, den Niederlanden, der Schweiz, Deutschland und dem United Kingdom. Österreich hat vor der Corona-Pandemie (2019) Waren im Wert von 572 Mio. € in die Ukraine exportiert und Waren im Wert von rund 800 Mio. € - hauptsächlich Rohstoffe - importiert. Rund 200 österreichische Unternehmen haben Niederlassungen in der Ukraine, hauptsächlich im Westen und in der Zentralukraine.

Unter den Niederlassungen befinden sich viele Produktionsstätten, etwa der Papier- und Verpackungsindustrie, von Herstellern von Fruchtsaftkonzentraten (Agrana, Pfanner), Baumaterialien, und Bügelbrettern. Auch die Skihersteller Fischer und Blizzard produzieren in der Ukraine. Ebenfalls stark präsent sind die Raiffeisen Bank International sowie die Versicherer UNIQA, Grawe und die Vienna Insurance Group.

Das 41-Millionen-Einwohner-Land ist eines der Länder mit der niedrigsten Energieeffizienz und höchsten Energieintensität weltweit. Die Primärenergie stammt hauptsächlich aus fossilen Brennstoffen sowie der Kernkraft. Für Investoren und österreichische Green-Tech-Unternehmen ergeben sich daher in der Ukraine erhebliche Chancen, wenn der Konflikt mit Russland nicht noch weiter eskaliert und doch noch beigelegt werden kann.

Noch intensiver sind die wirtschaftlichen Verflechtungen Österreichs mit Russland. In Russland sind rund 650 österreichische Unternehmen mit Investitionen von rund 4,6 Mrd. Euro aktiv, umgekehrt rund 500 russische Firmen in Österreich mit rund 21,4 Mrd. Euro. Russland ist nach Deutschland größter Investor in Österreich. Österreichische Firmen investieren in Russland besonders stark in den Bereichen der Holz- und Papierverarbeitung, Banken und Bauwesen sowie der Lebensmittel verarbeitenden Industrie, aber auch in den Bereichen Energie, Verpackung und Automotive.

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