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Grüner Poker um ihr letztes Budget [Politik Backstage]

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Die Budget-Chefverhandler Finanzminister Magnus Brunner und Gesundheitsminister Johannes Rauch präsentieren das Verhandlungsergebnis.

©Florian Schrötter / BKA
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Warum es beim Staatshaushalt 2024 zu einem Herzschlag-Finale kommt. Wie es dennoch zum überraschenden Friedenschluss im Duell Bund-Länder um die 110 Steuer-Milliarden kam.

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Dienstag am späten Nachmittag erschallte das altehrwürdige Parlament am Wiener Dr. Karl Renner Ring schon beim Betreten des Hohen Hauses mit ungewöhnlichen Klängen. Eine Blasmusiktruppe wärmte sich mit dem unverwüstlichen Beatles-Song “Yesterday” für einen Kärnten-Abend in der prachtvollen Säulenhalle des Parlament auf. 

Nach der offiziellen Eröffnung durch den Kärntner Landeshauptmann wurden dann von der Werkskapelle Mondi aus Frantschach aber vornehmlich Kärntner Klänge geboten. Gefeiert wurde – wegen der Sommerpause reichlich verspätet – die Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat durch die Kärntner Sozialdemokratin Claudia Arpa. Auf die Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur wartete ein zünftiges Kärntner Buffet von einer Speckjause über Kasnocken bis zu einem originalen Kärntner Reindling. 

Der Kärntner Landeschef war nolens volens mit seinem Kopf aber bald ganz woanders. Peter Kaiser musste sich bald nach Start des Kärntner Gaudi-Abends zu einem langen, heiklen Telefonat zurückziehen. Denn rund einen Kilometer Luftlinie entfernt rauchten einmal mehr die Köpfe über einem Zahlenwerk, das nur wenige Auskenner wirklich durchblicken: Dem sogenannten Finanzausgleich. 

Turnusmäßig wird alle fünf Jahre verhandelt, welchen Anteil der gesamtösterreichischen Steuereinnahmen an die Länder und Gemeinden gehen und wieviel in der Kassa des Finanzministers verbleibt. Der noch bis Ende des Jahres gültige Finanzrahmen war wegen der Covid-Krise bereits zweimal auf insgesamt sieben Jahre  verlängert worden. Mit 31.12. ist damit aber endgültig Schluss.

Kampf um 110 Milliarden fetten Steuerkuchens

Im letzten Staatshaushalt 2022 wurden die budgetierten knapp 94 Steuer-Milliarden des Bundes im Verhältnis von 68:20:12 Prozent auf  Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt. Dazu kommen noch rund 18 Milliarden, die Länder und Gemeinde über die Kommunalabgabe, die Grundsteuer und Gebühren einheben. 

Im laufenden Jahr gehen aus dem gesamten Topf der Steuer- und Gebühreneinnahmen rund 50 Milliarden an Länder und Gemeinden. 60 Milliarden kann der Finanzminister auf der Habenseite buchen. 

Die Verhandlungen starteten auf Expertenebene bereits im Frühjahr. Die politische heiße Phase wurde nach der politischen Sommerpause Anfang September eröffnet. Die Verhandler kamen dabei aber wochenlang nicht vom Fleck. 

Inzwischen haben sich die Konjunkturaussichten aufgrund eines hartnäckigen deutschen Tiefs nicht nur deutlich eingetrübt. Das WIFO hat soeben für heuer auch hochoffiziell eine Rezession ausgerufen. Für 2024 gehen die Wirtschaftsforscher nur von einer zarten Erholung aus.

Verhandler Ludwig & Brunner auf Patt-Kurs

Die Verhandlungsspitzen richten sich nicht zuletzt deshalb an diesem Dienstagnachmittag im Finanzministerium in der Wiener Johannesgasse einmal mehr das Gleiche aus. Michael Ludwig eröffnet als Verhandlungsführer der Landeshauptleute die große Runde mit der Forderung nach einem Plus von 7 Milliarden. 

Seine Begründung: Vor allem bei der Pflege und Gesundheitsversorgung klaffen nach einer entsprechenden WIFO-Studie in den kommenden Jahren tiefe Finanz-Löcher, die gestopft werden müssten, um einen Zusammenbruch der Systeme zu verhindern. Zudem müsse dringend am Aufteilungsschlüssel der Mittel – der sogenannten vertikalen Verteilung im Finanzausgleich – zugunsten von Ländern und Gemeinden gedreht werden, da diese immer mehr Aufgaben für den Bund  übernähmen. 

Der Wortführer des Verhandlungs-Vis-a-Vis Magnus Brunner markiert einmal mehr gebetsmühlenartig seine Schmerzgrenze bei 2,3 Milliarden Euro. Die Studie, mit der Länder und Gemeinden ihren dreimal so großen Milliardenhunger begründeten, wurde 2019 erstellt und sei unbrauchbar veraltet. 

Der rituelle Austausch der Positionen verheißt neuerlich ein Verhandlungspatt. Zwischen den dem Länder & Gemeinde-Wünschen und dem Angebot des Bundes klafft unverrückt eine monströse Kluft von knapp 5 Milliarden. Keine der beiden Seiten avisiert, bei den Forderungen nachzulassen oder das Angebot zu erhöhen.

Brunners Poker: Null Euro im Budget für Länder

Der immer auf besonders freundliches und adrettes Auftreten bedachte ÖVP-Finanzminister setzt an diesem Dienstag-Spätnachmittag zur Überraschung vieler, so ein Verhandlungsteilnehmer, sein Pokerface auf und proklamiert: In zwei Woche stehe unverschiebbar die Präsentation des Budgets im Parlament an. Ende der Woche sei absolute Deadline, um die letzten Zahlen in das in Konvolut einzuarbeiten. Ihm bleibe jetzt keine andere Wahl, als an die Steuer-Anteile von Ländern und Gemeinden auf der Ausgabenseite mit Null einzustellen. 

Daher biet er – nach Ende der Debatte und Verabschiedung des Budgets im Parlament – für Mitte November einen neuen Verhandlungstermin an, um doch noch zu Potte zu kommen. Dann droht Ludwig & Co unwiderruflich ein unkalkulierbares Poker-Finale. In den Wochen vor dem Jahreswechsel müssen auch die Budgets der einzelnen Bundesländer in den Landtagen beschlossen werden.  

Der Wink mit dem Zaunpfahl zeigt Wirkung. Die Experten und Fachbeamten konnten sich eine Pause gönnen. Die Polit-Spitzen am Verhandlungstisch ziehen sich in das Büro des Finanzministers zurück: Michael Ludwig & Hans Peter Doskozil (für die SPÖ-LHs), Thomas Stelzer & Markus Wallner (für die ÖVP-LHs), Magnus Brunner und Andrea Kaufmann (als Gemeindebund-Sprecherin in Vertretung von Alfred Riedl, der affärenbedingt seine Position ruhend stellen musste).

Ludwig macht den Sack zu

Peter Kaiser ist zwar gerade amtierender Sprecher aller Landeshauptleute, glaubte aber angesichts der noch massiven Differenzen, den Kärntner Abend im Parlament in Ruhe genießen können. 

Im kleinen Kreis bricht dann unweit des Hohen Hauses für beide Seiten überraschend das Eis. Der Finanzminister legte auf das angebotene Plus von 2,3 Milliarden noch 100 Millionen drauf – für die ganze Finanzausgleichsperiode also in Summe 12 Milliarden. Zudem bietet der Vorarlberger ÖVP-Mann an, die Steuergeld-Tranfers für Gesundheit und Pflege entsprechend der Inflation zu valorisieren und zusätzlich jährlich noch 2 Prozent draufzulegen. Last but not least räumt der Bund den Ländern die Möglichkeit ein, auf ihre Steuerertrags-Anteile des kommenden Jahres in der Höhe von 300 Millionen vorzeitig zuzugreifen, um so – angesichts steigender Finanzierungskosten zinsenfrei Budgetlöcher stopfen zu können. 

Nicht nur die Brunners Parteifreunde, sondern auch der rote Oberrealo Michael Ludwig und der rote Quergeist Hans Peter Doskozil wittern umgehend die gute Gelegenheit, den Sack gesichtswahrend zuzumachen.  

Für die ÖVP-Riege bindet nun Magnus Brunner auch Kanzler Karl Nehammer in den bevorstehenden möglichen Abschluss ein.

Heikles Telefonat vorm Kasnocken-Buffet

In einem Nebenraum der Säulenhalle sitzt derweil Peter Kaiser als amtierender Sprecher aller Landeschefs. In einem langen Telefonat wird auch sein Go eingeholt, obwohl er wenig Freude mit dem Ergebnis hat. Der Kärntner Landeschef kann und will aber das mühsam festgezurrte Milliardenpaket nicht zum Platzen bringen. Er lässt aber wissen, dass das für ihn lediglich ein “Minimalkompromiss” sei.

 Als einer der letzten schafft er es danach ans bereits weitgehend geplünderte Buffet im Parlament, um noch ein paar Kärntner Schmankerln auf den Teller schaufeln zu können. 

Doskozil streut Brunner Rosen

Im Finanzministerium nehmen zeitgleich die Verhandler Aufstellung  für die improvisierte Presse-Konferenz, zu der gerade eine Stunde zuvor eingeladenen worden war.

Ein ungewöhnlich versöhnlicher Hans Peter Doskozil lässt wissen, dass er auf der Herfahrt aus Eisenstadt alles andere als mit einem Durchbruch gerechnet hat. Aber: “Ich habe auch einmal salopp gesagt: Wenn ein Zweier vor dem Ergebnis steht, dann werden wir uns beim Finanzminister bedanken. Das tun wir hiermit auch.” 

Grüner Rauch: “Je toter die Koalition geschrieben wird, desto lebendiger ist sie"

Am Tag danach preisen die beiden türkis-grünen Top-Verhandler Magnus Brunner und Johannes Rauch den nun auch im Ministerrat verabschiedeten Finanzausgleich-Kompromiss in Superlativen an. Sie bedenken einander auch mit wechselseitigen Lobeshymnen. 

Die beiden Vorarlberger, die einander anfangs nicht besonders grün waren, entwickelten – so ein teilnehmender Beobachter – in den Verhandlungen ein erfolgreiches Doppelpass-Spiel. Der grüne Sozial- und Gesundheitsminister meint zudem euphorisch: “Je toter die Koalition geschrieben wird, desto lebendiger ist.”

ÖVP: "Grüne reizen Spielraum bis zur letzten Minute aus"

Die türkis-grünen Verhandler beim Staatshaushalt 2024 vermitteln freilich bis zuletzt ein konträres Bild. Weißer Rauch an der zweiten Megabaustelle des Finanzressorts war auch am Tag nach der Einigung beim Finanzausgleich noch nicht auszumachen. “Die Budgetverhandlungen laufen heuer besonders mühsam”, so ein Spitzenmann im Finanzressort. Steigende Zinsen, inflationsbedingt hohe Abschlüsse bei Pensionen und Gehältern im öffentlichen Dienst sowie die Stromkostenbremse schlagen zusätzlich auf die Ausgabenseite durch. Allein die Abschaffung der kalten Progression kostet im kommenden Jahr 3,6 Milliarden auf der Einnahmenseite. Dazu fürchtet das Finanzministerium, dass die Steuereinnahmen aufgrund der Eintrübung der Konjunktur weniger sprudeln als zuletzt.  

“Die Grünen wissen, dass ihr letztes Budget ist, wo sie noch etwas herausholen können. Selbst, wenn die Wahlen erst im September 2024 sind, geht sich davor keines mehr aus. Sie versuchen daher ihren Spielraum bis zur letzten Minute auszureizen”, resümiert ein ÖVP-Insider über das finale Verhandlungsklima. 

Bis zum Wochenende bleibt im Finanzressort noch Zeit, um die finalen Zahlen einzuarbeiten, um den ausgedruckt meterhohen Budget-Vorschlag am 18. Oktober fristgerecht dem Parlament zu präsentieren.

Kurz Prozess-Auftakt im Grauen Haus stiehlt Brunner die Show im Hohen Haus

Eine schwarze Wolke über dem Tag der vorläufig letzten Budgetrede von Magnus Brunner lässt sich beim besten Willen nicht mehr wegverhandeln. Während Brunner im Hohen Haus zu den Abgeordneten spricht, steht zeitgleich im Grauen Haus, dem Wiener Landesgericht, Ex-Kanzler Sebastian Kurz wegen falscher Zeugen-Aussage erstmals vor dem Richter. 

Trotz des dramatischen Budget-Finales wird das Aufgebot der TV-Kameras und Journalisten im Großen Schwurgerichtssaal die mediale Aufmerksamkeit im Plenarsaal des Parlaments in den Schatten stellen. Ein ÖVP-Regierungsmann feixt ob der unlauteren Konkurrenz aus den eigenen Reihen sarkastisch: “Dabei waren wir mit unserer Termin-Festlegung auf den 18. Oktober zuerst dran.”

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