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Julius Meinl: Roll-out in deutschen Supermärkten geplant

Aktualisiert
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Christina Meinl, VP Julius Meinl.

©Michael Rausch-Schott/Trend
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Die Wiener Kaffeedynastie Julius Meinl legte 2024 ein Rekordjahr hin. Mit Christina Meinl steigt nun ein Mitglied der Eigentümerfamilie in eine Schlüsselposition auf Holdingebene auf – mit ehrgeizigen Plänen für Expansion und Nachhaltigkeit.

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Dass die Welt des Kaffees so viel Leidenschaft, Kreativität und gelegentlich auch einen Hauch von Exzentrik bereithält, damit hatte Christina Meinl nicht gerechnet. Nach ihrer ersten Karriere als Ärztin in einem Kinderkrankenhaus wechselte sie vor fünfzehn Jahren in das traditionsreiche Wiener Kaffeeunternehmen, das ihre Familie gegründet hatte und dessen Ursprünge bis ins Jahr 1862 zurückreichen. In ihrer ersten Rolle als Expertin für globales Marketing und Innovation tauchte sie tief in die internationale Kaffeeszene ein, reiste jährlich zu den Barista-Weltmeisterschaften, um globale Trends aufzuspüren.

Ein Schlüsselmoment für sie war das Jahr 2018 in Amsterdam: 56 nationale Champions traten an, jede und jeder mit exakt 15 Minuten Zeit, um der Jury vier Espressi, vier Milchgetränke und vier Eigenkreationen zu präsentieren. Eine Teilnehmerin sorgte in der Endausscheidung für besondere Aufmerksamkeit: die Polin Agnieszka Rojewska. Mit ihrer unkonventionellen Darbietung brachte sie die Halle zum Toben und schrieb Geschichte als erste weibliche Weltmeisterin. „Eine so dichte, elektrisierende Atmosphäre habe ich noch nie erlebt“, erinnert sich Meinl.

Die Eindrücke, Trends und die mitreißende Atmosphäre der internationalen Kaffeeszene nahm sie mit zurück nach Wien – in die gediegene Welt des Traditionskaffees. Heute spiegeln sich diese Impulse im Meinl-Sortiment wider: Neben den klassischen Mischungen erscheinen regelmäßig limitierte, hippe Editionen. Und auch die Verpackungen haben sich geändert, so gibt es etwa abbaubare Kaffeekapseln, die im Kompost entsorgt werden können.

Doch nicht nur das Produktportfolio hat sich weiterentwickelt, auch Christina Meinl selbst hat ihren Weg konsequent fortgesetzt. Vom Marketing wechselte sie für einige Jahre in die Österreich-Geschäftsführung und übernahm vor Kurzem ihre erste Schlüsselrolle auf Ebene der Julius-Meinl-Gruppe. Als Vizepräsidentin verantwortet sie nun die Bereiche Strategie und Kommunikation am Unternehmenssitz in Wien-Ottakring.

An ihrer Seite wirkt ihr Bruder ­Thomas, der für IT-Themen zuständig ist. Dass Meinl das älteste familiengeführte Kaffeeunternehmen Österreichs ist, erfüllt die Geschwister mit besonderem Stolz. Mit dem „House of Julius Meinl“, der Dachmarke des Firmengeflechts ihres Cousins Julius Meinl V., habe man aber nichts zu tun, stellt sie klar.

Röstfrische Zahlen

In ihrer neuen Rolle agiert Christina Meinl aus einer starken Position heraus. 2024 erzielte das Familienunternehmen einen Rekordumsatz von 258 Millionen Euro – ein stattliches Plus von zwölf Prozent. Das operative Ergebnis (EBIT) konnte – insbesondere durch Projekte im Bereich Digitalisierung, Inventar, aber auch durch Preiserhöhungen – auf 37 Millionen Euro gesteigert werden.

„Ich bin jeden Tag dankbar, in der Kaffeebranche tätig zu sein“, sagt die Managerin. „Die weltweite Nachfrage übersteigt das Angebot seit Jahren, das Thema begeistert zunehmend auch die jüngere Generation. Unser dezentral aufgestelltes Geschäftsmodell mit über 45.000 Kunden weltweit gibt uns die Möglichkeit, uns Schritt für Schritt weiterzuentwickeln und in vielen Märkten parallel zu wachsen.“

Österreich ist weiterhin der wichtigste Markt – rund 20 Prozent des Umsatzes werden zwischen Bregenz und Wien erzielt. Das Wachstum liegt im niedrigen einstelligen Bereich. Italien spielt traditionell eine bedeutende Rolle, weil sich in Vincenza der zweite Produktionsstandort neben Wien befindet. Rumänien hat Russland – wo man die Pausetaste bei den Investitionen drückte, sich aber nicht zurückzog – infolge des Ukrainekrieges als drittwichtigster Markt abgelöst. Weltweit werden mehr als 70 Länder mit den in Österreich und Italien gerösteten Bohnen beliefert.

Und genau hier will Christina Meinl nun ansetzen und die Internationalisierung weiter vorantreiben. Was sie sich vorgenommen hat, zeugt von Weitblick, erfordert zugleich aber Mut: Sie plant, mit Meinl in zwei großen, aber auch sehr herausfordernden Märkten zu expandieren: Deutschland und den USA. Weitere Länder sollen folgen, dazu bedarf es aber noch genauerer Analysen und Erhebungen.

Roll-out in Dalmayr-Heimat

In Deutschland ist man bereits seit einigen Jahren erfolgreich im B2B-Geschäft tätig, das von Düsseldorf aus koordiniert wird. Man beliefert Gastronomie und Hotels mit Kaffee und anderen Produkten aus dem Sortiment wie Tee, Kakao und Marmelade. Nun soll nach österreichischem Vorbild der nächste Schritt folgen: der Einstieg in den Lebensmittelhandel.

Vorgetastet hat man sich mit einem regionalen Roll-out. In Bayern ist Meinl seit einiger Zeit bei den neuen Handelspartnern Tegut und Edeka gelistet. „Der Retailverkauf in Bayern läuft sehr gut. Deshalb haben wir uns entschieden, ihn auf ganz Deutschland auszuweiten“, sagt Meinl. Der Herausforderungen, die damit einhergehen, ist sich die Managerin durchaus bewusst. Nicht nur, dass die deutschen Konsumenten sehr preisbewusst seien. Man treffe dort auch auf starke Röstereien, darunter auch solche in Familienbesitz wie Dallmayr.

Mit der deutschen Traditionsmarke liefert sich Meinl übrigens ein ungewöhnliches Match in der Luft: Während die AUA auf die berühmte Wiener Rösterei setzt, schenkt die Lufthansa auf ihren Flügen Dallmayr-Kaffee aus.

Und dann sind da noch die USA, ein großer und wachsender Markt. Hier will das Kaffeeunternehmen, das über Büros in Chicago, Washington, Miami und New York das B2B-Geschäft betreut, seine Chance nutzen: „In den USA erfreut sich die europäische Lebensart großer Bewunderung – da fügt sich unsere Geschichte rund um die Kultur des Kaffeegenusses seit 1862 perfekt ein“, sagt sie.

Als Importeur ist das Wiener Familienunternehmen zwar auch von möglichen Zöllen betroffen, aber die Managerin bleibt gelassen: „Wir werden damit umgehen und gegebenenfalls unsere Preise anpassen müssen.“

Verantwortung bis in die Tasse

Neben der Internationalisierung legt Meinl einen Schwerpunkt auf das Thema Nachhaltigkeit. Dabei ist es ihr wichtig, sich auch selbst ein Bild vor Ort zu machen. Anfang des Jahres reiste sie nach Honduras, wo Bohnen der „The Originals“-Linie, die sowohl Bio- als auch Fairtrade-zertifiziert sind, angebaut werden. Ziel des Unternehmens ist es, bis Ende 2025 ausschließlich nachhaltigen Kaffee zu rösten. 2024 lag der Anteil allerdings erst bei über 50 Prozent.

Der Trip nach Honduras war aber auch noch in anderer Hinsicht lehrreich: „Der Klimawandel hat dazu geführt, dass die Kaffeebeeren von Pilzen befallen werden. Viele Kaffeebauern fürchten um ihre Anbaugebiete“, sagt die Managerin, die sich auch intensiv mit den Trends im ­Anbau beschäftigt. Neue Länder würden hinzukommen, von einigen sei sie selbst überrascht, wie von der Tee-Insel Sri Lanka, die den Kaffeeanbau wiederentdeckt habe. Oder China, wo das Thema aufgrund des zunehmenden Kaffeekonsums immer wichtiger werde.

Selbst dort einzukaufen, sei aber kein Thema. Man konzentriert sich lieber weiterhin auf die etablierten Lieferländer in Südamerika, Asien und Afrika. „Es geht schließlich nicht nur um Wachstum, sondern auch um die Qualität in der Tasse“, sagt die Barista der fünften Meinl-Generation.

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 23. Mai erschienen.

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