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Termingeschäfte: Absicherung oder riskante Spekulation?

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Termingeschäfte wie Hedging sind für Unternehmen eine gute Möglichkeit die Preisentwicklung besser vorherzusehen zu können und so besser planen zu können.

Termingeschäfte wie Hedging sind für Unternehmen eine gute Möglichkeit die Preisentwicklung besser vorherzusehen zu können und so besser planen zu können.

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Unternehmen machen Termingeschäfte aus verschiedenen Gründen. Entweder um in der Zukunft für einen fixen Preis zu vereinbaren, Kursschwankungen zu glätten (Hedging), Preise für Waren für einen kurzen Zeitraum absichern (Handel mit Optionen) und von Preisdifferenzen für ein und die selbe Ware zu profitieren. Oder auch, weil sie mit Gewinnen in der Zukunft spekulieren.

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Was sind Termingeschäfte und warum werden sie abgeschlossen?

Termingeschäfte werden von Unternehmen abgeschlossen, um Risiken zu reduzieren. Dazu wird der Kauf oder Verkauf eines bestimmten Gutes wie Strom oder Öl zu einem bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis fixiert. Käufer und Verkäufer einigen sich dazu zu auf einen Preis einer Ware, wie etwa Strom, der zu einem bestimmten, zukünftigen Zeitpunkt geliefert werden muss. Solche Termingeschäfte können zwischen Unternehmen oder für Zinsen auch zwischen Banken zustande kommen. Wenn keine Börse beteiligt ist, werden diese Geschäfte als außerbörslich bzw. Over-The-Counter, kurz OTC bezeichnet. In standardisierter Form werden diese an Terminbörsen, für Strom gibt es beispielsweise eigene Strombörsen (z.Bsp. EEX) abgewickelt. Durch Abschluss derartiger Termingeschäfte kann die Unsicherheit und damit möglicher künftiger Risiken schwankender Preise reduziert werden, Unternehmen können besser vorhersehbarer gesteuert und geplant werden.

Für die optimale Absicherungsmenge gibt es je nach Branchen unterschiedliche Daumenregeln. Der Bank- und Börsensachverständige Oliver Lintner dazu: "In vielen Rohstoffbranchen wird das kommende Jahr meist gänzlich, das darauffolgende Jahr zu Hälfte. Viele Fluggesellschaften agieren bei der Absicherung von Kerosinkosten ähnlich.

Hedging: Mit diesen Termingeschäften Unternehmensergebnisse glätten

Das Wort Hedging kommt aus dem Englischen und bezeichnet die Absicherung und damit das Senken von Risiken indem, gegengleiche Position, also der Kauf und Verkauf von Termingeschäften oder Optionen eingegangen wird. Dadurch möchten Unternehmen bestimmte Risikoszenarien ausschließen und im Optimalfall ihr Unternehmensergebnis auf bestimmte Zeit glätten und so Preisschwankungen etwa für ein Geschäftsjahr herausnehmen.

Arbitrage: Der Handel mit Preisdifferenzen

Arbitrage bezeichnet einen risikolosen Gewinn durch zeitlichen Kauf und Verkauf einer Ware an verschiedenen Märkten. Hierfür können auch Termingeschäfte herangezogen werden. Arbitrage hat für normale Unternehmen jedoch nur geringe Bedeutung. Denn um mit Preisdifferenz Geld zu verdienen, zählt in gut funktionierenden Märkten vor allem Schnelligkeit. Die meisten Arbitrage-Geschäfte werden daher von speziellen Computerprogrammen durchgeführt.

Call- oder Put-Optionen: Preise für Waren für einen kurzen Zeitraum absichern

Zu den Termingeschäften zählen auch Optionen. Hierbei erwirbt ein Unternehmen das Recht, aber nicht die Pflicht eine Ware zu erwerben bzw. zu einem vorab vereinbarten Preis zu veräußern. Dieses Recht wird durch Zahlung einer Prämie erworben. "Für Unternehmen spielen Optionen bei der Absicherung von Rohstoffgeschäften eine untergeordnete Rolle, denn mehr als 80 Prozent der Optionen verfallen wertlos", erklärt Derivateexperte Lintner. Der, der eine Option kauft, verliert meist die Prämie, die wie eine Versicherung funktioniert und die selten schlagend wird. In vielen Fällen sind die Prämien aufgrund des Zeitwertverlustes teuer. Optionen sind in Folge primär für Unternehmen geeignet, die ihre Güter für einen kurzen Zeitraum absichern möchten. Als langfristige, klassische Risikoabsicherung sind Optionen jedoch nicht üblich.

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Margin: Sicherheiten, die bei Termingeschäften an der Börse hinterlegt werden müssen

Bei Termingeschäften an der Börse müssen sogenannte Margin, also Sicherheiten hinterlegt werden. Der Betrag ist bei der zur Eröffnung eines Termingeschäfts (Initial Margin) erforderlich und zu dessen jederzeit am Konto verfügbar zu halten (Maintainance-Margin). Die Margin ist zumeist ein Bruchteil, meist fünf oder zehn Prozent des Werts des Termingeschäfts und wird von beiden Vertragsparteien hinterlegt um jeweils die andere Partei für Preisänderungen schadlos zu halten. Die Margin wird bei einem „Clearing House“ hinterlegt. Falls eine der beiden Parteien am Ende der Laufzeit das Futures-Geschäft nicht erfüllt, wird am Markt die jeweilige Ware unter Einziehung der Sicherheiten befriedigt.

Was ist eine Variation Margin

Da sich beispielsweise die Kurse von Strommärkten stark bewegen können, werden die Preisänderungen täglich abgerechnet und gegebenenfalls dem Käufer der Ware bei steigenden Preisen die Änderung gutgeschrieben, der Verkäufer hat die Änderung zu zahlen. Diese täglichen Ausgleichszahlungen werden als „Variation Margin“ bezeichnet.

Beispiel einer Margin

Angenommen ein Anleger kauft Aktien vom Unternehmen x im Wert von 1.000 Euro. Würde dieser die Aktien klassisch über eine Bank oder einen Broker kaufen, müsste die volle Summe von 1.000 Euro überwiesen werden, um die Anteile in das Depot gebucht zu bekommen. Bei einem Termingeschäft muss dagegen beim Kauf nur einen Teil des Kaufpreises bezahlt werden, je nach Anbieter ist das ein bestimmter Prozentsatz. Wenn dieser etwa 20 Prozent der Position als Margin verlangt, beträgt der für den Anleger zu zahlende Betrag bei der Eröffnung der Position 200 Euro. Der Kunde hinterlegt somit 200 Euro und wird jeden Tag von der Börse so abgerechnet, als hätte er die Aktien im Wert von 1.000 Euro erworben.

Margin Call: Bei Kursverlusten muss Kapital nachgeschossen werden

Durch eine Margin und dem damit verbundenen Hebel (mit wenig Geld wird viel Geld bewegt), können zwar die Gewinne überdurchschnittlich stark steigen, mit dem Nachteil, dass die Verluste bei diesen Termingeschäften umso höher ausfallen können. Denn der Verlust ergibt sich aus Wert der gesamten Position und nicht nur aus der Margin, also dem selbst eingesetzten Kapital. Falls der Handel Verluste einbringt und die Initial Margin (Einstiegs-Margin) nicht mehr ausreicht, um die Position offen zu halten, muss Geld nachgeschossen werden. Tritt dieser Fall ein, fordert die Börse bzw. das Clearing House vom Kunden eine Nachschau – einen Margin Call. Risikomanagementstrategien können jedoch helfen, solche Risiken zu minimieren.

Termingeschäfte bei Wien Energie: Wieso Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe schlagend werden könnten

Die Wiener Stadtwerke haben in großen Mengen Strom mittels Termingeschäften auf Termin verkauft, um diesen zu einem fixen Preis in der Zukunft entweder durch Eigenproduktion zu liefern oder am Markt wieder zurückkaufen. Dafür wurde eine entsprechende Sicherheit / Margin hinterlegt. Ein i.d.R. üblicher Vorgang, die Mengen um die es dabei geht sind jedoch gigantisch. Laut dem Finanzbericht der Wiener Stadtwerke (31.12.2021) wurde 9,6 Terrawattstunden Strom auf Termin verkauft. Zum Vergleich: 2021 erzeugt das Unternehmen 6,3 Terrawattstunden. Der Durchschnittspreis für den Strom bei diesem Termingeschäft in den Jahre 2022 und 2023 liegt bei 0,084 Euro pro KWh. Wäre der Strompreis nach dem Abschluss der Geschäfte nur moderat gestiegen, wäre wohl nicht allzu viel passiert.

Der Strompreis ist seit März 2022 rasant gestiegen

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Der Strompreis ist seit März 2022 rasant gestiegen

Der Chart der Österreichische Energieagentur EEX kletterte seit Anfang 2022 von 150 Indexpunkten auf 420 Punkte. Der ÖSPI (Österreichische Strompreisindex) erfasst nur das Produkt Strom (Großhandelspreise) und berücksichtigt keine Netzgebühren, Steuern oder Abgaben.

© Österreichische Energieagentur EEX

Doch es kam anders. Seit Jahresanfang, speziell seit März 2022, legte der Strompreis um 280 Punkte auf 420 zu (siehe Grafik oben). Besonders der Freitag, der 26. August 2022, hatte es in sich. Der Preis am Strommarkt war sprunghaft von 0,8 Cent auf 1,04 Euro pro KWh gestiegen. Zu Jahresanfang lag der Preis für eine Megawattstunde (MWh) noch bei 125 Euro. Zwischenzeitlich kletterte der Preis auf 1.000 Euro. Derivatespezialist Lintner: Die Lücke zwischen Termin- und Marktpreis betrug damit 0,96 Euro pro KWh. Damit ist die Muttergesellschaft Wien Energie mit einem Margin Call konfrontiert und muss ständig Kapital nachschießen, um den Kontrakt zu erfüllen. Sinkt der Preis an der Börse hingegen wieder, werden diese Sicherheiten retourniert.

Die Milliarden-Bombe tickt weiter

Die Bombe tickt,bis der Kontrakt eingelöst wird: Steigt der Strompreis auf einen Euro pro Kwh sind Sicherheiten von 9,6 Milliarden Euro nötig - bei einem Eigenkapital von 1,5 Milliarden Euro. eControl Chef Walter Boltz dazu in einem Interview in der ORF-Nachrichtensendung ZiB 2: "Entweder das Controlling in der Wien Energie funktioniert nicht oder man hat nicht darauf gehört." Andere Stromanbieter sind sich zwar genauso mit dem Strompreisanstieg konfrontiert, haben aber laut Boltz ihre Termingeschäfte an der Börse auf einen Bruchteil zurückgefahren und ihre Geschäfte "Over the counter" und damit zwischen Unternehmen direkt abgeschlossen, wodurch keine Nachschusspflicht entsteht.

Wien Energie ist durch die Termingeschäfte ein unbeschränktes Liquiditätsrisiko eingegangen, ohne über die Mittel zu verfügen diese abzudecken.

Oliver LintnerBankensachverständiger

Ob in der Zukunft tatsächlich Kosten anfallen, hängt davon ab, ob der (zukünftige) Marktpreis am Liefertermin notierenden 1,04 Euro pro KWh liegt. In diesem Fall wären die Sicherheiten "Margins", die bei der Börse hinterlegt wurden, für das Unternehmen "verloren". Lintner: "Es kann nur zurück verdient werden, indem der noch zu produzierende Strom zu diesem Zeitpunkt dann an einen willigen Käufer für 1,04 Euro geliefert werden kann. Wird der Strom hingegen von einem Kunden, der seinen Strom zu einem Fixpreistarif wie dem aktuellen Tarifangebot "Optima Entspannt" für 0,23 Euro pro KWh bezogen, verbleibt die Wien Energie auf der Lücke sitzen."

Termingeschäfte auf Strom der Wien Energie schon 2021 teuer

Schon in der Bilanz 2021 hieß es: "Die kurzfristigen Vermögenswerte haben sich mehr als vervierfacht und lagen zum Bilanzstichtag bei 3,8 Milliarden Euro. Das Unternehmen kommt dabei in seiner Erklärung zum Geschäftsverlauf zu dem Schluss: "Der signifikante Anstieg der kurzfristigen Verbindlichkeiten resultiert hauptsächlich aus der stichtagsbezogenen Bewertung von Strom- und Gasderivaten, welche die internationalen Verwerfungen auf den Energiemärkten widerspiegelt. Damit verbunden kam es zu höheren Variation-Margins. Das zeigt das hohe Summen, das für diese Spekulationen eingesetzt wurde. Ein Großteil davon wird noch in diesem Jahr fällig. Generell ist das Spekulieren mit Derivaten brandheiß und die Risiken kaum kalkulierbar.

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Kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 3,8 Milliarden Euro bedeuten schon 2021 für die Wien Energie, bei wesentlich niedrigeren Strompreisen als 2022 - ein Problem, das sich durch Margin Calls ergeben haben dürfte.

© Wien Energie

Der signifikante Anstieg der Verbindlichkeiten resultiert hauptsächlich aus den Bewertungen von Strom- und Gasderivaten

Aus dem Geschäftsbericht 2021 der Wien Energie

Ein weiteres Problem: Laut der Wien-Enerige-Bilanz 2021 wurde nicht nur die Stromproduktion 2022 auf Termin verkauft, sondern auch für kommende Jahre. Der durchschnittliche Verkaufspreis der Wiener Stadtwerke für Termine nach 2022 liegt bei 6,6 Cent pro KWh. Das offene Risiko bleibt damit noch länger bestehen.

Wien Energie Geschäftsbericht 2021 zum Downloaden.

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