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Für seinen Bericht hat der RH den Lehrpersonaleinsatz im Bund sowie Oberösterreich und Tirol in den Jahren 2018/19 bis 2023/24 genauer angeschaut. Dabei stellte er fest, dass das Prognosemodell des Ministeriums mangelhaft war. Prognosen zur Lehrfächerverteilung gab es demnach nur für die Bundesschulen (AHS, Berufsbildende mittlere und höhere Schulen/BMHS), mangels Daten nicht aber für einzelne Unterrichtsgegenstände, Schulen oder Schularten im Pflichtschulbereich (v.a. Volks- und Mittelschulen).
Auch eine hochwertige und exakte Prognose zur Zahl der Lehramtsabsolventen gibt es laut RH nicht. Die Reform der Lehrerausbildung 2013, die auch zu einer Verlängerung des Studiums führte, hat zur Ausweitung des Lehrermangels laut Rechnungshof "möglicherweise beigetragen". 2023/24 standen knapp 6.900 ausgeschriebene Lehrerstellen 5.600 Bachelor- und Masterabsolventen von Lehramtsstudien gegenüber, für 267 offene Stellen gab es 2023/24 laut Bericht keine Bewerbung.
Zwar war im Verhältnis zu den rund 127.000 Lehrerinnen und Lehrern die Zahl der offenen Stellen gering. Das liegt laut RH allerdings daran, dass der tatsächliche Lehrermangel vor allem durch Überstunden, fachfremdes Unterrichten und den Einsatz von nicht voll qualifiziertem Lehrpersonal ausgeglichen wurde. Geht es nach dem RH, ist das nicht nur nicht nachhaltig, sondern gefährdet auch die Unterrichtsqualität.
Laut Bericht gab es 2023/24 Mehrdienstleistungen im Ausmaß von 7.000 Vollzeitstellen, das sind 20 Prozent mehr als noch 2018/19. Der Anteil an Lehrern mit Sondervertrag ist auf neun Prozent gestiegen, vor allem an den Pflichtschulen wurde auch viel von Personen mit Ausbildung für andere Unterrichtsfächer unterrichtet.
Die im Herbst 2022 gestartete Initiative "Klasse Job", die mit acht Maßnahmen kurz- bis langfristig dem Lehrermangel entgegenwirken soll, wurde aus Sicht des Rechnungshofs "spät gesetzt", sollte aber weitergeführt werden, um künftig rechtzeitig und zielgerichtet den Personalbedarf zu decken und die Qualität des Unterrichts sicherzustellen. Beim Modell für Quereinsteiger, die davor ein fachverwandtes Studium abgeschlossen und von einer Kommission als geeignet befunden wurden, sieht der RH noch Nachbesserungsbedarf. Das Ministerium müsse sicherstellen, dass sich mehr zertifizierte Personen auch bewerben und langfristig als Lehrperson arbeiten.
Einen Hebel gegen den Lehrermangel sieht der RH auch in der Senkung der Teilzeitquoten, immerhin hatten fast 40 Prozent des Lehrpersonals 2023/24 keine Vollzeitstelle, vor allem Frauen. "Verbindliche Strategien zur Reduktion von Teilzeitquoten sind unabdingbar", betonte der RH in seinem Bericht.
Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, zeigte sich im Ö1-"Mittagsjournal" selbstkritisch. Die Verwaltung habe nicht schnell genug auf den sich anbahnenden Pädagogenmangel reagiert, die Mittel seien "nicht immer ausreichend", "die Maßnahmen nicht immer treffsicher genug" gewesen. Mittlerweile sei das Ministerium aber auf einem guten Weg, verwies er etwa auf die derzeit vielen Bewerbungen auf offene Lehrerposten und das große Interesse am Quereinsteiger-Programm.
Für den obersten Lehrergewerkschafter Paul Kimberger (FCG) ist das Ministerium "sehenden Auges in ein Riesenproblem hineingeschlittert". Die Rahmenbedingungen seien dadurch für junge Menschen nicht mehr attraktiv, es bräuchte bessere Gehälter und Rahmenbedingungen, kleinere Klassen und mehr Unterstützung an den Schulen. Das Quereinsteiger-Modell sei zwar eine wichtige Ergänzung, dennoch gehe nichts über vollausgebildete Pädagogen. Die vom RH eingeforderte Senkung der Teilzeitquoten sieht Kimberger kritisch, viele Lehrerinnen und Lehrer würden eine volle Lehrverpflichtung etwa wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr schaffen.
Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) sieht den Bericht als Bestätigung, dass zur Überwindung des Personalengpasses "weiterhin entschlossenes Handeln" notwendig sei. "Mein erklärtes Ziel ist es, dass der Lehrkräftemangel spätestens zum Ende dieser Legislaturperiode Geschichte ist!", wurde Wiederkehr in einer Aussendung zitiert. Er setze darauf, den Lehrerberuf attraktiver zu machen und die Unterrichtsqualität zu steigern; absolute Priorität habe dabei die Lehrerausbildung. Das Ministerium habe bereits Reformen eingeleitet. So soll die Lehrerausbildung praxisnäher werden, es werde an einem effizienten Personalmanagement der 6.000 Schulen gearbeitet und das Quereinsteiger-Programm soll weiterentwickelt werden. Er sei zuversichtlich, schon bald erste erkennbare Fortschritte bei der Bekämpfung des Lehrermangels präsentieren zu können, so Wiederkehr.
FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl sah den RH-Bericht in einer Aussendung als Beleg für "das langjährige Versagen der ÖVP-Bildungsminister", auch von den SPÖ-Ressortchefinnen habe es nur Lippenbekenntnisse gegeben. Vom aktuellen NEOS-Bildungsminister Wiederkehr gebe es wiederum - wie schon in dessen Zeit als Wiener Bildungsstadtrat - nur medial inszenierte Ankündigungen. "Bleibt zu hoffen, dass der aktuelle Rechnungshofbericht jetzt als Initialzündung wirkt", so Brückl.
"Das System läuft heiß", warnte indes Grünen-Bildungssprecherin Sigrid Maurer. Die hohe Teilzeitquote sei ein Hilfeschrei, der hohe Anteil an fachfremdem Unterricht Zeichen für ein "System am Limit", der Einsatz von Lehramtsstudierenden ohne Erfahrung "fahrlässig". Maurer forderte klare Zuständigkeiten, ein modernes Personalmanagement und Mut zur Strukturreformen auch bei Stundentafel und Fächerstruktur.
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