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"Auftaktsitzung" zur Sozialhilfe-Reform mit Bund und Ländern

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Die Sozialhilfe soll reformiert werden
 © APA/APA/dpa/Jan Woitas
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Vertreter von Bund und Ländern sind am Donnerstag im Sozialministerium zu einer "Auftaktsitzung" zur geplanten Reform der Sozialhilfe zusammengekommen. Thema waren dabei verfassungsrechtliche Fragen, die im Vorfeld zu Unstimmigkeiten geführt hatten. Ziel ist eine bundesweite Vereinheitlichung der derzeit unterschiedlichen Regelungen bis Anfang 2027. Neben Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) nahmen die Sozialsprecher von ÖVP und NEOS sowie Vertreter der Bundesländer teil.

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Das Ergebnis des ersten Treffens wurde von den Teilnehmern durchaus unterschiedlich interpretiert. Während sich Vertreter von ÖVP und SPÖ nach dem rund eineinhalbstündigen Termin durchaus zuversichtlich zeigten, äußerte der freiheitliche Landesrat aus der Steiermark, Hannes Amesbauer, Kritik. "Die rechtlichen Nebel haben sich gelichtet", meinte der oberösterreichische Soziallandesrat Christian Dörfel (ÖVP) nach der Sitzung gegenüber Medienvertretern. Eine mögliche Geltung der für Geflüchtete vorgesehenen Wartephase auch für Österreicher sei "vom Tisch", so Dörfel.

"Es war ein mehr als guter Start" von noch sicher langen Verhandlungen, meinte auch der Wiener Soziallandesrat Peter Hacker (SPÖ). Eine Wartefrist für Österreicher sei "nur eine rhetorische Verirrung" gewesen. Es sei klar, dass Asylberechtigte europarechtlich gleich behandelt werden müssten wie Staatsbürger, das bedeute aber nicht, dass sie dieselben Maßnahmen bekommen müssten. Bei dem Treffen sei es um das gemeinsame "Commitment" zu einer vereinheitlichten Sozialhilfe gegangen, viele Fragen über die konkrete Umsetzung aber noch offen, meinte die Vorarlberger Soziallandesrätin Martina Rüscher (ÖVP), die online an der Sitzung teilnahm, gegenüber der APA. Einen konkreten Zeitplan gebe es noch nicht, nur das Ziel, dass die Sozialhilfe NEU ab 1. Juli 2027 in Kraft treten soll.

Weniger positiv äußerte sich der steirische FPÖ-Landesrat Amesbauer und sprach von einem "holprigen Start". Er fahre "ziemlich ratlos" zurück in die Steiermark. Es habe keine Informationen gegeben, was die Bundesregierung genau plane. Richtschnur für die Reform der Sozialhilfe müsse das Modell in der Steiermark sein und sicher nicht das Wiener Modell mit wesentlich höheren Richtsätzen etwa für kinderreiche Familien, so Amesbauer.

Für Tirols Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) war die gemeinsame Konferenz vorerst ein erster Schritt - immerhin seien die Bundesländer "sehr verschieden" aufgestellt. "Mir ist wichtig, dass Tirol mit seinen herausfordernden Bedingungen - wie hohen Wohn- und Lebenshaltungskosten - ein entsprechendes Leistungsniveau aufrechterhält", sagte sie im Anschluss zur APA. Eine österreichweit gleiche Höhe der Sozialhilfe konnte sie sich daher "schwer vorstellen".

Die Neuerungen unter dem Titel "Sozialhilfe NEU" wurden bereits im Regierungsprogramm grob skizziert, viel weiter sind die Pläne bisher aber noch nicht gediehen. Für Verwirrung sorgte in den letzten beiden Wochen die Frage von rechtlichen Bedenken bezüglich der geplanten Wartephase für Geflüchtete, in denen sie nur eine geringere Integrationshilfe bekommen sollen.

Ministerin Schumann hatte beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine Stellungnahme in Auftrag gegeben, die am Tag vor der heutigen Sitzung via "Presse" publik wurde. Demnach hieß es darin, aus Gleichbehandlungsgründen müsste die geplante "Integrationsphase" nicht nur für Zuwanderer, sondern für alle Anwärter - und damit auch für österreichische Staatsbürger gelten. Damit unterstützte dieser Bericht eine Ansicht, die das Sozialministerium bereits vor zwei Wochen kommuniziert hatte - und für Irritationen bei den Koalitionspartnern ÖVP und NEOS gesorgt hatte.

Die für Integration zuständige Ministerin Claudia Plakolm (ÖVP) verwies wiederholt auf die ab Mitte 2026 geltende sogenannte Statusverordnung der EU. Demnach sei es rechtlich sehr wohl möglich, Sozialleistungen an Integrationsmaßnahmen zu knüpfen, erklärte Plakolm auch am Mittwochabend neuerlich. Auch für die NEOS sei klar, "dass Österreicherinnen und Österreicher keine Integrationsphase in der neuen Sozialhilfe absolvieren müssen", hieß es seitens der Liberalen.

In einem in Regierungskreisen am Donnerstag kursierenden "Wording" des Verfassungsdienstes, das der APA vorliegt, heißt es, es sei "grundsätzlich" verfassungsrechtlich zulässig, dass Inländer und Ausländer unterschiedlich behandelt werden. Die Regelungen müssten jedoch an sich "sachlich" sein. Auch bestehe eine unionsrechtliche Rechtsgrundlage, die eine Gleichbehandlung von Österreichern und Asylberechtigten verlange. Es dürfe jedoch vorgesehen werden, "dass die Sozialhilfe für Asylberechtigte davon abhängig gemacht werden kann, dass der Asylberechtigte effektiv an Integrationsmaßnahmen teilnimmt", heißt es in dem Schreiben. Der Staat müsse solche Integrationsmaßnahmen dann aber auch zur Verfügung stellen. Dies gelte "freilich nicht für österreichische Staatsbürger".

Für Kritik sorgten diese innerkoalitionären Verwirrungen bei den Grünen. "Das Regierungschaos und Verwirrspiel rund um die Sozialhilfereform geht munter weiter", meinte der Grüne Sozialsprecher Markus Koza am Donnerstag in einer Aussendung. Statt ständig neue Ankündigungen und unausgegorene Ideen zu produzieren, solle die Regierung mit den Sozialorganisationen ernsthaft an einer Reform arbeiten, forderte er. Ihre Forderung nach einer Einbindung in den Reformprozess wiederholten auch Sozialorganisationen. Die Volkshilfe warnte vor einem Wettbewerb nach unten und forderte "armutsfeste Mindestsätze". Auch die Armutskonferenz warnte davor, "das letzte soziale Netz kaputt zu machen".

Thema der Verhandlungen ist auch die Frage einer angepeilten "Staffelung" der Sozialhilfe-Beiträge nach Kinderanzahl (weniger Pro-Kopf-Leistung ab einer bestimmten Kinderanzahl). Eine entsprechende bundesweite Regelung war im Dezember 2019 vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden, da diese als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig bewertet worden war. Einzelne Bundesländer haben hier mittlerweile eigene Regeln mit Staffelungen eingeführt oder in Planung.

Neben der Vereinheitlichung der derzeit je nach Bundesland unterschiedlichen Regelungen sind bei der "Mindestsicherung NEU" auch strengere Regeln vorgesehen, die vor allem auf Zuwanderer abzielen. Geplant ist etwa eine Wartefrist mit beschränkten Leistungen (die oben erwähnte "Integrationsphase"). Statt der vollen Höhe der Sozialhilfe soll es während dieser Phase nur eine "Integrationsbeihilfe" geben. Verknüpft werden sollen Leistungen an den Deutscherwerb, die Arbeitsvermittlung und die Wertevermittlung. Auch Sanktionsmöglichkeiten schweben der Regierung vor - die Ausgestaltung ist noch offen.

Während die ÖVP ihren Fokus stark auf restriktivere Regelungen legt, betont die SPÖ stets die Notwendigkeit, Kinder aus der Sozialhilfelogik herauszunehmen - ohne das bisher näher auszuführen. Gesprochen wird von einer "Zukunftssicherung für Kinder". Neben Geldleistungen soll vor allem der Schwerpunkt auf Sachleistungen gelegt werden.

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