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Fredmund Malik: Der Mythos vom Team

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Aktualisiert
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15 min
Das Team alleine ist noch kein Garant für den Erfolg. Es kommt auch auf herausragende Einzelleistungen an.

Das Team alleine ist noch kein Garant für den Erfolg. Es kommt auch auf herausragende Einzelleistungen an.

©Nataya Saweddit/Getty Images/iStockphoto
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Gemeinsam geht alles besser? Vier Augen sehen mehr als zwei? Teamgeist wird überschätzt, kreative Leistungen schafft nur der Einzelne, meint Management- und Leadership-Experte Fredmund Malik.

Teamarbeit ist einer der am häufigsten verwendeten Begriffe in Managementlehre und Managementpraxis, und fast ausnahmslos ist das Wort positiv besetzt: Teams und Teamarbeit werden nicht nur als notwendige Form des Arbeitens angesehen, sondern auch als überaus wünschenswerte. Teams gelten grundsätzlich und generell als dem Einzelnen überlegen, und die Ergebnisse ihrer Arbeit werden fast durchwegs für besser gehalten als Einzelarbeit und deren Resultate.

Das Team wird per se als gut, wünschenswert, effizient, kreativ und erfolgreich angesehen. Es erscheint vielen als Wert an sich und als Ausdruck für besonders zeitgemäßes, ja progressives Management.

Andere, die vielleicht eine Spur zurückhaltender sind, vertreten zumindest die Ansicht, dass es heute ohne Teams nicht mehr gehe, dass sie einfach notwendig seien. Teamarbeit, so hört man oft, sei die einzige Arbeitsform, mit der man die komplexen Probleme der Zeit mit ihren Vernetzungen lösen könne. Folgerichtig wird von Führungskräften auch verlangt, dass sie teamfähig seien - als eine Kerndimension ihrer sozialen Kompetenz.

Teams gezielt einsetzen

Ich möchte - gewissermaßen aus sportlicher Ambition - ein bisschen dagegenhalten. Ich bin selbstverständlich keineswegs grundsätzlich gegen Teams. Ich bin aber auch nicht grundsätzlich dafür. Mein Vorschlag ist, Teams nicht als Glaubensdogma zu sehen, sondern sie von ihrer Zweckmäßigkeit her zu beurteilen. Es gibt Aufgaben, die nur von einem Team erfüllt werden können; und es gibt solche, für die ein Team die denkbar ungeeignetste Arbeitsform wäre.

Euphorie tut dem Team keinen guten Dienst. Im Gegenteil: Es kommt damit oft zu Missbrauch der Gruppenarbeit. Es ist unübersehbar, dass Teams auch dort eingesetzt werden, wo sie weder nötig noch nützlich sind, ja sogar dort, wo sie ausgesprochen hinderlich sind.

Oft werden Arbeitsgruppen gebildet, weil man nicht nachdenkt. Teams und Teamarbeit werden so zu einer neuen Ursache von Produktivitätsmängeln. Zum anderen - das ist vielleicht noch schlimmer - wird versäumt, Teams dort optimal funktionsfähig zu machen, wo sie nun wirklich gebraucht werden, wo man eine Aufgabe gar nicht anders als im Team lösen kann.

Idealisierung der Teamarbeit

Idealisierung von Teams halte ich für naiv und romantisch. Oft ist sie auf einen Mangel an Erfahrung mit Teamarbeit zurückzuführen. Es kommt nicht von ungefähr, dass vor allem junge Menschen, Studenten zum Beispiel, geradezu euphorisch für Teamarbeit sind. Meistens haben sie einfach noch nicht die Erfahrung machen können, wie schwierig es ist, in Teams wirklich brauchbare Ergebnisse innerhalb einer zeitgemäßen Frist zu erzielen. Vielleicht spielt auch ein Quantum Angst vor dem Versagen mit. Im Team kann man sich besser verstecken als allein. Auf sich selbst gestellt, muss man ja definitiv beweisen, dass man die geforderte Leistung bringen kann. Im Team, so hofft man, wird sich "schon jemand finden, der's kann". Und wenn nicht, dann steht man wenigstens nicht allein und kann nicht individuell zur Verantwortung gezogen werden. Wie schön wäre es doch, wenn man Prüfungen im Team machen könnte.

Die gar nicht so seltene Idealisierung von Gemeinschafts- bzw. Teamarbeit ist Indiz für ein im Kern kollektivistisches Denken. Doch kollektive Strukturen haben Grenzen der Leistungsfähigkeit. In einem solchen System können Fehlentwicklungen entstehen und sich lange halten.

Im Team kann man sich besser verstecken als allein. Auf sich selbst gestellt, muss man ja definitiv beweisen, dass man die geforderte Leistung bringen kann.

Was ist besser? Ich sagte schon, dass ich keineswegs gegen Teams bin. Möglicherweise habe ich in meinem Leben sogar mehr als viele andere mit Teams zu tun gehabt und Erfahrung mit ihnen sammeln können. Als Consultant arbeitet man ja praktisch ausschließlich im Team. Ohne Bereitschaft zu intensiver Teamarbeit würde man keine 20 Tage in diesem Metier überleben. In Hunderten von Seminaren, Workshops usw. konnte ich Teams bei ihrer Arbeit beobachten und sehen, was sie leisten können. Ich glaube also, ein bisschen zu wissen, was Teamarbeit ist und worum es dabei wirklich geht. Daher kenne ich aber eben auch nur zu gut die Schwierigkeiten, die sich stellen, und ebenso die Grenzen, die es selbstverständlich auch für Teams gibt.

Teamarbeit versus Einzelleistungen

Aus diesem Grunde hat mich auch immer wieder die Frage interessiert, wo und wann Teams wirklich der Arbeit des einzelnen überlegen sind. Ich wage es gelegentlich, in einem Vortrag oder Seminar die Behauptung in den Raum zu stellen, dass alle wirklich großen Leistungen der Menschheit in Wahrheit die Leistung von einzelnen sind.

Ich gestehe, dass ich mit dieser Behauptung schon auch ein bisschen provozieren und zum kritischen Überlegen auffordern will. Aber ich meine das keineswegs nur als Provokation oder gar Scherz.

Im Gegenteil: Die Liste der großen Einzelleistungen ist in jeder Hinsicht bemerkenswert - und sie ist lang. Sie ist so beeindruckend, dass es mich wundert, dass reflexartig das Team in den Vordergrund gerückt wird, statt Einzelarbeit. Bei gründlicher Analyse kommt man, so glaube ich, zwingend zum Ergebnis, dass die Einzelarbeit jedenfalls geschichtlich dem Team bisher gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen war.

Meine Behauptung ist also: Die meisten wirklich großen Leistungen, vor allem auch der überwiegende Teil der kreativen Leistungen, sind von einzelnen erbracht worden - gelegentlich auch von einzelnen mit Helfern, aber nicht von Teams. Das kann mit einem kurzen Streifzug durch die wichtigsten Gebiete von Kunst und Wissenschaft gezeigt werden. Etwas weniger ausgeprägt, aber ebenfalls sichtbar ist es in Wirtschaft und Politik.

Teamarbeit versus Einzelleistungen

Es ist mir bewusst, dass es gewisse Grauzonen und Grenzfälle gibt, in denen Entstehungsgeschichte und Urheberschaft von Werken, von Erfolgen und Leistungen unklar sind. Ich maße mir somit nicht letzte Gewissheit an, wo selbst die Fachleute ihre Zweifel haben. Aber ich denke doch, dass die Beispiele genügen werden, um meine These zu illustrieren und um etwas Nachdenklichkeit zu erzeugen bezüglich allzu vorschneller und einseitiger Bevorzugung von Teams gegenüber dem Einzelnen.

Musik

Alle Komponisten haben als einzelne gearbeitet. Es gibt in der Musikgeschichte nach meinem Kenntnisstand nicht eine einzige Gemeinschaftskomposition. Es gibt Beispiele, wo zweite und dritte Personen zum Beispiel Ergänzungen vorgenommen haben, wenn Teile einer Komposition verlorengegangen waren. Es gibt auch Fälle, wo die Instrumentierung oder Orchestrierung nicht vom Komponisten selber, sondern von anderen gemacht wurde.

Literatur

Hier findet man dieselbe Situation wie in der Musik. Mir ist nicht ein einziges Beispiel einer Gemeinschafts- oder Teamproduktion bekannt, dem literarische bzw. künstlerische Bedeutung zugeschrieben würde. Das gilt für Poesie ebenso wie Prosa. Alle Gedichte, Balladen und Epen, die gesamten Werke der Weltliteratur in allen Epochen wurden von Einzelpersonen geschrieben. Von den Dichtern der Antike bis zu den zeitgenössischen Schriftstellern sind alle "Einzelkämpfer".

Malerei

Hier liegen die Dinge vielleicht nicht ganz so klar und eindeutig wie auf den ersten beiden Gebieten. Offiziell ist die Situation zwar dieselbe wie in Musik und Literatur, das heißt, es gibt keine Gemeinschaftswerke. Man kann aber doch nicht ausschließen, dass es Fälle gab, und vielleicht waren sie nicht einmal selten, wo die Schüler des Meisters an der Entstehung eines Bildes mitwirkten. Ob man das allerdings als Teamarbeit im engeren Sinne bezeichnen darf oder soll, ist eine zunächst noch offene Frage.

Bildhauerei

Hier mag, ähnlich wie auf bestimmten Gebieten der Malerei, ein gewisses Maß an Arbeitsteilung aufgrund der erforderlichen körperlichen Leistung geherrscht haben. Große Marmorblöcke konnten ja nicht von einem allein aus dem Fels gebrochen und transportiert werden. Es gibt aber keine Gemeinschafts-Pieta und keinen Team-David. Eine Ausnahme wäre die Laokoon-Gruppe, wenn die antike Überlieferung stimmte, dass sie von drei Bildhauern gemacht wurde. Wie es wirklich war, ist unter Fachleuten umstritten und liegt im Dunkeln.

Architektur

Wir finden eine durchaus mit den bisherigen Gebieten vergleichbare Lage, obwohl hier am ehesten nun die Grenzen der Einzelarbeit erreicht werden. Immerhin ist bemerkenswert, dass bis in die heutige Zeit in der überwiegenden Zahl von Fällen die großen Leistungen der Architektur einzelnen Personen zugeordnet werden. Ohne Zweifel gibt es auf diesem Gebiet Arbeitsteilung. Die Architekten befassen sich zum Beispiel in der Regel nicht mit den statischen Berechnungen eines Bauwerkes. Das delegieren sie an Fachleute. Aber es hat wohl Gründe, und zwar solche, die im Werk liegen, weshalb man zum Beispiel von Le Corbusier und von Mario Botta spricht und nicht von der Le-Corbusier-Gruppe oder vom Botta-Team.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man für die Psychologie, die Soziologie und die Ökonomie: überall die Namen einzelner Wissenschafter, von Freud über Adler bis Viktor Frankl; von Adam Smith über Friedrich von Hayek bis Paul Krugman. Ähnliches gilt für andere Wissenschaftsgebiete, die Medizin, die Biologie, die Chemie, aber auch für den größeren Teil der Technik.

Noch immer ist es die Ausnahme, dass zum Beispiel der Nobelpreis an ein Team von Wissenschaftern vergeben wird, weil sie wirklich gemeinsam etwas Auszeichnungswürdiges entdeckt haben. Wenn der Nobelpreis geteilt wird, so sind die Preisträger fast immer Personen, die zwar im gleichen Fach, aber auf verschiedenen Gebieten und zu unterschiedlichen Zeiten gearbeitet haben. Friedrich von Hayek und Gunnar Myrdal, die im selben Jahr den Ökonomie-Nobelpreis erhielten, waren gewiss kein Team, sondern eher Gegner; und ihre Theorien stehen in klarem Widerspruch, sodass man sich auch fragen muss, wofür hier eigentlich der Preis verliehen wurde.

Fazit

Es liegt mir nun völlig fern, die Bedeutung von Teams und Teamarbeit leugnen oder bestreiten zu wollen. Ich will nicht Teamarbeit abwerten, sondern ich möchte die Einzelarbeit aufwerten, eine Lanze brechen für die Leistung von einzelnen. Teamarbeit ist oft eine angemessene Form, komplexe Probleme zu bearbeiten, doch nicht nur scheint mir die Leistung und Leistungsfähigkeit des einzelnen Menschen unterbewertet zu werden; als noch problematischer sehe ich es an, dass sich sehr allgemeine, vage und undifferenzierte Vorstellungen über Teams und Teamarbeit verbreitet haben.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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