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Malik on Management: Der gute Start als neuer Chef

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16 min
Der Start in der neuen Führungsposition entscheidet über Erfolg und Misserfolg.
Der Start in der neuen Führungsposition entscheidet über Erfolg und Misserfolg.©Elke Mayr
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Die ersten 100 Tage entscheiden über Erfolg oder Misserfolg in einer neuen Führungsposition. Die besten Tipps von Management-Experten Fredmund Malik für einen starken Beginn.

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Ein Stellenwechsel, eine Beförderung, die Übernahme neuer Aufgaben ist immer ein kritischer Schritt. Nur wenige Führungskräfte sind sich darüber im Klaren, dass sie in dieser Situation wie sonst selten ihres eigenen Glückes Schmied sind. Insbesondere die jüngeren Manager, sagen wir: unter Vierzig, geben sich darüber kaum Rechenschaft - kein Wunder, sie haben ja auch noch sehr wenig Erfahrung mit Beförderungen.

Man hat nur wenig Zeit, um sich als neuer Chef zu etablieren. Es sind die ersten 100 Tage, in denen Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Kompetenz aufzubauen sind.

Nicht selten eignen sich neue Chefs gerade wegen ihrer Beförderung eine der schlimmsten Verhaltensweisen an - sie werden arrogant. Sie glauben, jetzt hätten sie es geschafft. Bis dahin recht vernünftige Leute, die lernfähig und lernwillig waren, werden "Bossy Idiots". Leider richten sie ziemlich viel Schaden an; Schaden, der leicht vermeidbar ist, wenn man sich an ein paar einfache Regeln hält.

Keine großen Ankündigungen, den Mund halten - und lernen

Das Dümmste, was man in einer neuen Position tun kann, ist, am zweiten Tag nach Stellenantritt große Ankündigungen zu machen und allen zu sagen, "wo's langgeht". Das ist der sicherste Weg, allen in einer Abteilung, einem Profit-Center, einem Unternehmen zu signalisieren, dass ein Dummkopf in eine Führungsposition befördert wurde.

Kluge Leute verkünden weder große Programme, noch stellen sie ihre Abteilungen auf den Kopf. Sie arbeiten sich zuerst ein. Sie lernen, soviel sie nur können, über ihr neues Verantwortungsgebiet; sie führen Gespräche mit allen Mitarbeitern, zumindest mit den Schlüsselpersonen ihres neuen Aufgabenbereiches, und zwar lange und ausführliche Gespräche. Sie sagen niemandem, "wo's langgeht", sondern sie stellen Fragen, viele Fragen, auch die vermeintlich dummen. Sie wollen niemandem vormachen, dass sie klug sind, auch wenn sie zwei Universitätsdiplome haben. Sie haben die Größe zuzugeben, dass sie nichts von ihrem neuen Bereich verstehen, und daher arbeiten sie hart daran, herauszufinden, wie die Lage ist und worum es geht.

Die einzige Ausnahme ist jener Fall, bei dem es für alle erkennbar um eine Sanierung geht, um eine Notlage also, in der rasche Entscheidungen notwendig sind, weil man keine Zeit verlieren darf. Aber das ist eine Ausnahme - und nicht die Regel.

Im Regelfall wird jedem Neuen eine Schonfrist von 80 bis 100 Tagen zugestanden. Während dieser Zeit erwartet niemand besondere Aktionen.

Selbstverständlich sind alle Augen auf den neuen Chef gerichtet; er wird aufmerksam beobachtet; man verfolgt und registriert, was er tut und was er nicht tut - aber die Leute erwarten keine großen Taten. Aktionitis, große Reformprogramme usw. ruinieren im Gegenteil Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Führerschaft. Die ersten 100 Tage sind die Zeit des Lernens, Beobachtens und Fragens.

Was Ihnen die Beförderung eingebracht hat, ist an der neuen Stelle eher falsch als richtig

Die meisten Leute, die befördert werden, glauben, dies sei geschehen wegen ihrer besonderen Leistungen in der vorhergehenden Stelle. In der Regel stimmt das auch. Darauf stützen sie dann die Überzeugung, sie müssten jetzt so weitermachen wie bisher. Das ist aber fast immer falsch.

Eine neue Stelle erfordert neue und andere Verhaltensweisen, eine andere Arbeitsweise, andere Schwerpunkte und Prioritäten und meistens auch ein anderes Handwerkszeug.

Ein typisches Beispiel: Der beste Konstrukteur wird zum Konstruktionsleiter gemacht. An seiner bisherigen Stelle hat er vor allem konstruiert, und seine Konstruktionen haben dem Unternehmen vielleicht jedes Jahr zwei oder drei Patente eingebracht. Jetzt ist er aber Konstruktionsleiter. Was er jetzt mit Sicherheit nicht mehr tun darf, ist konstruieren. Er wird dazu auch gar keine Zeit mehr haben. Jetzt muss er eben die Abteilung leiten, jetzt muss er führen - und das ist etwas völlig anderes als konstruieren. Nun werden von ihm keine Patente mehr erwartet, sondern die Erstellung eines Budgets, die Erarbeitung von Abteilungszielen, das Führen von Personalgesprächen, Personalbeurteilungen, Personalentwicklung, die Lösung von Organisationsfragen, Kontrolle, vielleicht die Mitwirkung an strategischen Entscheidungen - kurz, er muss Führungsarbeit leisten.

Andere Beispiele sind: die Beförderung des besten Verkäufers zum Verkaufsleiter, des besten Forschers zum Forschungsleiter oder die Beförderung von der Spitze einer Fachabteilung (z.B. Marketing) an die Spitze eines Unternehmensbereiches, eines Geschäftsfeldes oder eines Profit-Centers, wo gesamtunternehmerische Verantwortung nötig ist.

Möglicherweise ist die beförderte Person nicht besonders gut auf die neue Aufgabe vorbereitet worden. Das ist - im Gegensatz zu dem, was man meinen möchte - gar keine Seltenheit. Je weniger jemand vorbereitet wurde, umso mehr wird er sich an das klammern, was er kennt und was er kann. Die Folge ist, dass solche Leute mit größtem Arbeitseinsatz (an dem fehlt es ja meistens nicht) exakt das Falsche tun, nämlich dasselbe wie bisher.

Die entscheidenden Fragen zur Vermeidung dieses Fehlers lauten:

  • Worauf kommt es für meinen Erfolg in dieser Stelle an?

  • Wofür werde ich hier bezahlt?

  • Woran wird meine Leistung in dieser Position gemessen?

Die Antworten auf diese Fragen liegen keineswegs auf der Hand, und vielleicht kann man sie auch gar nicht allein beantworten. Diese Dinge müssen gründlich durchdacht werden, und man ist gut beraten, dies alles mit seinem Chef zu besprechen und für Klarheit und Eindeutigkeit zu sorgen.

Ganz sicher wird man die Verwendung seiner Zeit neu überdenken müssen. Es ist daher wichtig, seine Agenda neu zu strukturieren. Man muss das während der ersten 100 Tage tun und mit Sicherheit danach - in voller Kenntnis des Aufgabenbereiches - noch einmal.

Alte Verpflichtungen fallen weg, neue kommen hinzu. Bisher ist man vielleicht zu Sitzungen aufgeboten worden und hat als Teilnehmer einen eng begrenzten Beitrag zu leisten gehabt; jetzt muss man selbst Sitzungen terminisieren, vorbereiten und durchführen. Oder man muss ganz andere Sitzungen, mit anderen Schwerpunkten und mit anderer Häufigkeit durchführen. Bisher hat man Dinge selbst erledigt; jetzt muss man sie erledigen lassen.

Die Neustrukturierung der Agenda und das systematische Durchdenken der Zeitverwendung sind entscheidend für den Erfolg in einer neuen Position.

Erkennen Sie die Schlüsselaufgaben des Bereiches

Die Übernahme einer neuen Aufgabe erfordert nicht nur zu durchdenken, was man selbst anderes und anders machen muss als bisher. Sie verlangt gleichzeitig, die folgenden Fragen zu durchdenken und zu klären: Welche sind die Schlüsselaufgaben für den ganzen Verantwortungsbereich? Welche sind die kritischen Erfolgsfaktoren, die wesentlichen Herausforderungen, die Key-Issues? Was muss getan werden, damit dieser Bereich richtige und volle Leistungen erbringt?

In den ersten 100 Tagen muss man herausfinden, welche die eigenen Schlüsselprioritäten und jene der wichtigsten Mitarbeiter sein müssen. Es gilt also, die Assignments zu bestimmen.

Worin bestehen die besonderen Stärken und Fähigkeiten dieser Abteilung? Was kann dieser Bereich besser als andere, und was kann er besser als die Konkurrenz? Was ist besonders änderungsbedürftig? Wo lassen sich die schnellsten Erfolge erzielen? Welche wenigen Dinge, Maßnahmen, Entscheidungen usw. sind hier "kriegsentscheidend"?

Fragen dieser Art und die Antworten darauf sind es, die im Mittelpunkt der ersten 100 Tage stehen müssen. Ich empfehle, die Assignments aufzuschreiben. Sie sind der Schlüssel zum Erfolg oder zum Versagen in der neuen Position. Sie müssen daher klar dokumentiert sein.

Und eine weitere Empfehlung: Wenn man glaubt, die Schlüsselaufgaben richtig identifiziert zu haben, muss man sie mit seinem Chef besprechen. Man muss herausfinden, wie er die Dinge sieht. Vielleicht sieht er sie gleich; dann hat man eine hervorragende Basis für die weitere Arbeit. Vielleicht sieht er sie anders. Dann ist es nötig, die Dinge auszudiskutieren und Konsens herzustellen.

Es gibt nur zwei Grundlagen für den Erfolg

In einer neuen Position hat man, abgesehen von den bisher besprochenen Punkten, nur zwei Grundlagen für den Erfolg:

  • Erstens die Qualität der Mitarbeiter, die man hat.

  • Zweitens die neuen Anforderungen, die man an sie stellt.

Mit dem ersten Aspekt meine ich die Qualität jener Leute, die schon da sind. Viele Führungskräfte würden am liebsten das ganze Personal, das sie vorfinden, austauschen, und manchmal wäre das vielleicht das Beste. Aber diese Alternative existiert leider nicht, sie ist eine Illusion. Niemand kann unter normalen Umständen binnen nützlicher Frist eine ganze Mannschaft austauschen. Vielleicht kann man seine bisherige Sekretärin mitnehmen, und unter sehr günstigen Bedingungen (aber meistens nur in sehr hohen Positionen) ist es vielleicht möglich, einige frühere enge Mitarbeiter, auf die man sich verlassen kann, nachzuziehen. Im Wesentlichen muss man aber mit jenen Leuten arbeiten, die man vorfindet. Der entscheidende Punkt ist, ihre Stärken zu erkennen und darauf aufzubauen.

Der zweite Aspekt, die neuen Anforderungen, die man stellt, erweist sich in der Regel als wesentlich für die Führerschaft in einer neuen Position. Man kann zwar meistens die Leute nicht austauschen, aber man kann andere Anforderungen an sie stellen. Diese neuen Anforderungen müssen während der ersten 100 Tage gründlich durchdacht werden. Sie müssen an den Stärken der Mitarbeiter orientiert sein - und sie müssen hoch sein, jedenfalls höher als bisher.

Man verkündet also, wie schon gesagt, nicht große Programme, sondern man stellt hohe Anforderungen. Dabei können einem natürlich Fehler unterlaufen. Die Anforderungen können zu hoch sein. Der Grundsatz lautet aber: Man kann Anforderungen immer senken, wenn sie sich als zu hoch herausstellen; man kann sie aber kaum noch erhöhen, wenn man zu niedrig gegriffen hat.

Finden Sie die besten Leute und Mitstreiter heraus

Die Qualität aller Mitarbeiter ist wichtig, aber eine der wesentlichen Aufgaben der ersten 100 Tage besteht darin, die wirklich besten Leute herauszufinden und diese, so gut es geht, als Mitstreiter zu gewinnen. Dies ist umso wichtiger, je größer der Änderungsbedarf ist, den man feststellt.

Hier sind zwei Dinge zu beachten:

Erstens, man kann nie alle, auch nicht alle Besten gewinnen. Zum Glück ist das meistens auch gar nicht notwendig. Es genügt, eine kritische Zahl von guten Leuten zu haben, die mitzieht, die echten Einsatz zeigt, die Initiative ergreift und Verantwortung übernimmt. Die anderen, und es wird wahrscheinlich immer die größere Zahl sein, sind Mitläufer, die anständige Arbeit leisten, aber keine neuen Standards realisieren.

Zweitens, man darf keine Angst vor starken Leuten haben. Gute Leute, und darunter typischerweise die besten, sind meistens auch starke Persönlichkeiten und daher im Regelfall schwierig und eher unangenehm. Wer Angst hat vor starken Leuten, gehört nicht in eine Führungsposition, weder in eine niedrige noch in eine hohe. Angst vor starken Leuten ist ein sicheres Anzeichen für Führungsschwäche, und sie zeigt sich meistens sehr rasch.

Man erkennt sie daran, dass jemand angenehme und nette Mitarbeiter um sich schart, dass er gehorsame und gefügige Leute um sich sammelt, Jasager und Kopfnicker. Wer bei sich selbst diese Neigung in einer neuen Position verspürt, muss hart daran arbeiten, diesem Impuls nicht nachzugeben.

Geben Sie klare Direktiven am Ende der ersten 100 Tage

Wer die kritische Periode der - grob gesprochen - ersten drei Monate auf die besprochene Weise nützt, wird am Ende dieser Zeit in der Lage sein, eine klare Situation für sich, für seine Mitarbeiter, für seinen Chef und für seine Kollegen zu schaffen. Er hat herausgefunden, was in der Abteilung, im Bereich zu tun ist; er kennt die Leute und hat die besten identifiziert und sie gewonnen (oder er ist dabei, sie zu gewinnen); er hat die Dinge mit seinem Chef abgestimmt.

Jetzt müssen die ersten Entscheidungen getroffen werden, die die Leute sehen und spüren können; jetzt müssen die neuen Maßstäbe und Anforderungen allen klargemacht werden - und dann müssen sie gelten, bis die Lage sich wesentlich verändert hat oder man erkennt, dass einem ein Fehler unterlaufen ist.

Erzielen Sie rasch sichtbare Erfolge

Die Direktiven, Entscheidungen, Ziele und Maßstäbe am Ende der ersten 100 Tage müssen mit einem Auge auf den raschen und sichtbaren Erfolg getroffen werden.

Dies darf zwar nicht das Hauptkriterium sein. Mitarbeiter, Kollegen und der Chef würden sehr rasch den dahintersteckenden Opportunismus erkennen. Aber in den auf die ersten 100 Tage folgenden sechs bis neun Monaten muss man doch einige Erfolge vorweisen können, die die anderen sehen können.

Es müssen nicht unbedingt große Erfolge sein. Aber es müssen Erfolge und Ergebnisse sein, die man sehen oder sichtbar machen kann. Der neue Chef muss spürbar sein, und zwar nicht nur durch Worte, durch Ziele und Maßstäbe, sondern durch erste Resultate. Je besser das gelingt, umso größer werden Vertrauen und Glaubwürdigkeit sein.

Alle Menschen arbeiten lieber mit erfolgreichen Leuten zusammen als mit solchen, die zwar hart arbeiten, denen aber das Ergebnis versagt bleibt. Die ersten Erfolge geben der neuen Richtung Überzeugungskraft und Schub.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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