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Das Budget als Richtschnur: Führen mit Zahlen [von Fredmund Malik]

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19 min
Zahlen können nicht täuschen: Das Budget ist fernab jeglicher Psychologie ein essenzielles Management-Tool.
Zahlen können nicht täuschen: Das Budget ist fernab jeglicher Psychologie ein essenzielles Management-Tool.©Getty Images/iStockphoto
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Psychologie ist nicht alles. Das wichtigste Instrument für Manager bleibt das Budget. Die besten Tipps für den erfolgreichen Einsatz von Management- und Leadership-Experten Fredmund Malik.

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Das Budget und der Budgetierungsprozess dürfen nicht, wie das so häufig der Fall ist, ausschließlich als ein Instrument der Finanzleute und der Controller gesehen werden, sondern sie müssen als eines der wichtigsten Management Tools verstanden werden.

Das Budget muss insbesondere als Werkzeug jener Führungskräfte etabliert und eingesetzt werden, die ergebnisverantwortliche Einheiten zu führen haben, wie auch immer deren Bezeichnung sein mag: Profit Centers, Cost Centers, Market Centers, Divisionen, Geschäftsbereiche, Tochtergesellschaften usw.

Das Budget, ein Werkzeug zum Kennenlernen

Das Budget ist das beste Werkzeug für den erfahrenen Manager, um seine gesamte Planung und Arbeit "darum herum" zu organisieren. Es ist das beste Werkzeug für den unerfahrenen Manager oder jenen, der in eine neue Position gekommen ist, um die Firma und seinen Verantwortungsbereich überhaupt kennenzulernen.

Es gibt kein besseres Mittel, sich in die Natur des Geschäftes und die Zusammenhänge und "Gesetzmäßigkeiten" eines Geschäftes einzuarbeiten und sie wirklich profund kennenzulernen, als dieses Geschäft von Grund auf zu budgetieren. Leider wird diese Methode bei der Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter in den meisten Firmen völlig vernachlässigt. Die Gründe dafür sind mir unerklärlich. So wichtig all die anderen Dinge auch sein mögen, die den Leuten in ihrer Einarbeitungszeit und in den Trainee-Kursen vermittelt werden, erst wenn jemand einen Bereich durchbudgetiert hat und ihm sein Budgetvorschlag ein- oder zweimal zur Überarbeitung zurückgewiesen wurde, kann man sich darauf verlassen, dass er das Geschäft verstanden hat.

Das Budget, ein Mittel zur Koordination

Das Budget ist das beste Werkzeug für vorauslaufende Koordination aller Aktivitäten eines Bereiches und der Firma als Ganzes.

Wenn das Zusammenspiel der Teile zu einem größeren Ganzen nicht funktioniert, dann interpretieren die meisten Leute das immer als ein Organisationsproblem und beginnen demzufolge herumzuorganisieren. Nur selten liegt aber wirklich ein Organisationsproblem vor. Es ist viel besser und einfacher, das Budget als Koordinationsmittel einzusetzen, als zu reorganisieren.

Das Budget als Integrationshilfe

Das Budget ist das beste Instrument für die Integration des Personals eines Bereiches und seines Leiters in die Gesamtorganisation. Heute wird viel über Integration geredet, man sieht das Problem der Unternehmenskultur, die Leute sollen sich mit der Firma identifizieren usw.; aber nur wenige Unternehmen sind bisher auf die Idee gekommen, Budget und Budgetierung als Integrations- und Identifikationsmittel einzusetzen.

Pläne ändern. Das Budget ist das einzige und beste Werkzeug, um zu wissen, wie und wann man seine Pläne revidieren muss, wo bloß korrigierbare Abweichungen vorliegen und (viel wichtiger) in welcher Weise sich die Umstände und Annahmen geändert haben, auf denen das Budget aufgebaut wurde.

Das Budget, ein Kommunikationsmittel

Und schließlich ist das Budget (dies wird leider von den Psychologen nur selten verstanden) eine der wichtigsten Grundlagen für wirksame und gute Kommunikation.

Es macht wenig Sinn, Kurse über Kommunikation abzuhalten, wenn nicht klar ist, worüber eigentlich kommuniziert werden soll. Und das Budget und all seine Auswirkungen und Folgen sind wohl wichtig genug, um es zu einem Gegenstand der Kommunikation zu machen. Das ist es, worüber die Mitarbeiter Bescheid wissen sollen, worüber sie reden sollen und was im Zentrum ihrer Arbeit stehen soll.

Kernaufgabe: Kennziffern budgetieren

Außer den absoluten Budgetzahlen (Ertragspositionen, Aufwandspositionen etc.) muss man auch einige ausgewählte Kennziffern budgetieren.

Obwohl auch das sehr vom Einzelfall abhängt, weil eben ein kleines Unternehmen doch etwas anderes ist als ein großes und ein produzierendes Unternehmen wesentliche Unterschiede zu einem Dienstleistungsunternehmen aufweist, so gibt es doch einige Kennziffern, die man in jedem Fall ins Auge fassen sollte. In erster Linie sind es Kennziffern betreffend:

  • die Marktstellung und alles, was dazugehört: Kundennutzen, Qualität, Marktanteil usw.,

  • die Innovationsleistung: Time to Market, Erfolgsrate, Meilensteine,

  • die Produktivitäten: Total Factor Productivity und ihre Einzelteile wie Produktivität des Geldes, der physischen Ressourcen, der Arbeit, der Zeit und des Wissens,

  • die Human-Ressourcen: Fluktuationsrate, Absenzenziffern usw.,

  • Cash-flow und Liquidität,

  • Profitabilität, am besten als Gesamtkapitalrendite vor Zinsen und Steuern ausgedrückt.

Das Budget als Werkzeug

Anfang und Schlüssel für ein wirksames Budget muss immer die Frage sein: Welche Resultate wollen wir in unseren wesentlichen Aktivitätsfeldern erzielen? Ein Budget darf keine Hochrechnung der Vergangenheit sein. Überall, wo die Vergangenheit einfach hochgerechnet wird, läuft das Unternehmen über kurz oder lang in Schwierigkeiten. Das Budget ist eine Willensbekundung (und muss es sein).

Das Budget ist das Kristallisations-Vehikel, in dem alles zusammenfließen und auf den Punkt gebracht werden muss: die langfristigen Vorhaben und Absichten, die Strategie, Kreativität und Innovation, das Ausmisten des Unternehmens, die Umsteuerung von Ressourcen usw. Und alles muss der Frage folgen: Was ist jetzt (d. h. in der unmittelbar nächsten Periode) zu tun, um die Absichten zu verwirklichen?

Die Menge macht's

Ein Budget wird praktisch immer in monetären Größen formuliert werden. Es wird in Geld ausgedrückt.

Geldgrößen sollten aber nur verstanden werden als eine Art "Kurzschrift" für reale Größen, für mengenmäßige Beziehungen. Daher bringt auch eine Korrektur von Geldgrößen allein gar nichts, wenn nicht die mengenmäßigen Zusammenhänge verändert werden.

Kontrolle ist nicht alles

Ein gutes Budget resultiert aus dem gründlichen, sorgfältigen und gewissenhaften Durchdenken der erwarteten und gewollten Resultate und ihren Beziehungen zu den erforderlichen Mitteln.

Wenn das Budget nur als Instrument der Kostenkontrolle verstanden wird, wird es kaum wirksam sein. Es wird dann von den meisten Mitarbeitern als irrelevant und bürokratisch empfunden, und es degeneriert zu einer Zwangsjacke. Die wichtigeren Funktionen sind das Durchdenken der Kostenentstehung, der Kostenverursachung und der Kostengestaltung.

Zero-Base-Budgetierung

Um naive und gefährliche Hochrechnerei auszuschalten und gewissenhaftes Durchdenken aller Aktivitäten zu erzwingen, ist es von Zeit zu Zeit erforderlich, einen Bereich von Grund auf neu zu budgetieren, frei von allen bisherigen Zwängen und Gegebenheiten.

Dies ist zeitaufwendig und schwierig, aber sehr lohnend. Daher wird man das Zero-Base-Budgeting sinnvollerweise immer selektiv einsetzen müssen: nicht jedes Jahr alle Bereiche, aber jeden Bereich in größeren Zeitabständen - und vor allem immer wieder die wirklich "kriegsentscheidenden" Aktivitäten.

Life-Cycle-Budgeting

Das Budget umfasst normalerweise eine 12-Monats-Periode, und das ist im Prinzip auch notwendig und richtig. Aber nicht alle Geschäftsvorgänge lassen sich in eine 12-Monats-Periode pressen. Es entsteht damit die Gefahr, dass die natürlichen und logischen Zusammenhänge auseinandergerissen werden.

Hauptgründe für massive Kostenüberschreitungen sind ja nicht einfach Disziplinlosigkeit, Verschwendungssucht, mangelhafte Kontrolle und Schlamperei, sondern es ist die Nichtberücksichtigung der Folgekosten eines Vorhabens. Dies ist der Grund dafür, dass man sich eines Tages in einem Gestrüpp von Sachzwängen befindet. Man hat früher einmal A, B und C entschieden und muss später als Zwangsfolge dessen auch X, Y und Z genehmigen. Darin ist ja auch einer der Hauptgründe zu sehen, weshalb Budgetgenehmigungen durch Aufsichts- und Verwaltungsräte so häufig im Kern irrelevant sind. Man kann nicht mehr entscheiden, sondern muss Zwangsgenehmigungen absegnen.

Das beste Beispiel für falsche Budgetierung ist die frühere Praxis des US-Verteidigungsministeriums: Bei der Beschaffung eines neuen Waffensystems wurden typischerweise die Kosten des ersten Jahres ins Budget aufgenommen. Damit hatte man aber nur die Kosten des Starts erfasst, und niemand war sich über die Folgekosten im klaren. Erst unter McNamara wurde das Life-Cycle-Budgeting eingeführt. Heute werden die Gesamtkosten über die Lebensdauer eines Waffensystems budgetiert, inklusive Instandhaltung und Wartung, Ersatzteile, Kosten des Trainings und der Verschrottung des Systems.

Sie brauchen zwei Budgets

Unmittelbar mit dem letzten Gedanken zusammenhängend, zeigt sich immer wieder, dass man eigentlich zwei verschiedene Budgets braucht, die völlig verschiedenen Zielsetzungen dienen müssen und dementsprechend auch unterschiedlich schwierig zu erstellen sind.

a) Das erste Budget (das ist das übliche) ist das Operating Budget. Damit budgetiert man das bestehende, laufende Geschäft; jene Dinge, die man kennt und mit denen man vertraut ist. Hier darf man zwar auch nicht einfach hochrechnen, aber die Vergangenheits- und Gegenwartsziffern sind doch gute und zumindest teilweise zuverlässige Anhaltspunkte. Die Schlüsselfrage für dieses Budget lautet: Welches Minimum an Ressourceneinsatz ist nötig, um dieses Geschäft erfolgreich weiter zu betreiben? Hier ist die gesamte klassische, betriebswirtschaftliche Denkweise angebracht und richtig.

b) Das zweite Budget (und das wird leider nur in sehr fortschrittlich geführten Firmen gemacht) ist das Opportunities Budget, das Budget für die neuen Dinge, für die Innovationen.

Hier kann man sich nicht an Erfahrungszahlen orientieren, weil es für das Neue eben noch keine Erfahrungen gibt. Dieses Budget ist daher auch mit sehr viel größeren Unsicherheiten behaftet, und schon deshalb sollte man es nicht mit dem anderen Budget vermischen. Man würde das Operating Budget verwässern und die Unsicherheiten der Opportunities verschleiern.

Im Opportunities Budget müssen zwei Fragen gestellt werden: Erstens, ist es die richtige Opportunity, Chance, Innovation, für die wir Ressourcen einsetzen? Zweitens, wenn es die richtige ist, welches Maximum an Ressourcen soll sie erhalten, damit sie wirklich genutzt wird und durchschlagenden Erfolg haben kann?

Namen budgetieren

Wie auch immer das Budget letztlich aufgestellt wird und wie es aussieht: Nur Menschen, und das heißt Personen, Individuen, können die Arbeit wirklich tun. Und das bleibt trotz aller Lippenbekenntnisse zum Menschen als wichtigster Ressource in den meisten Fällen unbeachtet. Man budgetiert, wie viel Geld für die Menschen ausgegeben werden soll, man budgetiert die Personalkosten, aber nicht die Personalleistung.

In letzter Konsequenz gibt es nur eine einzige Ressource, die Leistung erbringen kann - und das ist der Mensch. Aufgepasst: nicht die Menschen, sondern der einzelne Mensch, die Person, das Individuum.

Man hat kein wirksames Budget, wenn nicht hinter jedem Budget und möglicherweise sogar hinter jeder Budgetposition ein Name steht, der Name eines Verantwortlichen. Wessen Job ist das, mit welchen Resultaten und welcher Verantwortung? - Das ist die Schlüsselfrage in diesem Zusammenhang.

Was man also mit Hilfe des Budgets herausfiltern muss, sind nicht in erster Linie Kosten, sondern die Stärken von Individuen. Dies ist die einzige Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die Dinge auch getan werden und vor allem, dass sie gut getan werden.

Das Worst-Case-Budget

Zum Schluss kann ich nur dringend empfehlen, immer und unter allen Umständen auch ein Worst-Case-Budget zu machen. Dafür gibt es drei Gründe:

Erstens: Die jetzt hoffentlich zu Ende gehende Rezession sollte uns gelehrt haben, dass nichts gesichert ist, dass immer mit Überraschungen zu rechnen ist und dass keine Prognose wirklich verläßlich ist. Dutzende von Insolvenzfällen hätte man vermeiden können, wenn man sich rechtzeitig gefragt hätte, wie der Worst Case aussieht und was man vorbereitend dagegen hätte unternehmen müssen.

Der zweite Grund ist, dass man nur durch Erstellung eines Worst-Case-Budgets überhaupt herausfinden kann, wo und wie das Unternehmen flexibel ist, wo man reagieren kann, falls man muss. Heute wird - mit Recht - sehr viel über Flexibilität geredet. Aber nur wenige Leute, und am wenigsten die Flexibilitäts-Apostel, unterziehen sich der Mühe, gründlich herauszuarbeiten, wo Flexibilität vorhanden ist und wie sie allenfalls in das Unternehmen eingebaut werden kann. Das ist nicht eine Sache markiger Sprüche, sondern wiederum des Durchdenkens aller Geschäftsaktivitäten. Das beste Mittel dazu ist das Worst-Case-Budget.

Was als Worst-Case zu betrachten ist, mag von Fall zu Fall verschieden sein. Eine mögliche Vorgehensweise ist simpel und grob, aber sehr wirksam: Wie würde unsere Firma aussehen, wenn wir mit 30 Prozent weniger Umsatz auskommen müssten? Als ich das in meinen Seminaren und Vorträgen zum ersten Mal vorgeschlagen habe und dann in einem Buch publizierte, ist das vielen als Spinnerei vorgekommen. Wie sollte so etwas möglich sein? Inzwischen mussten viele lernen, dass es möglich ist.

Der dritte Grund für ein Worst-Case-Budget ist, dass es, wie jetzt sicherlich auf der Hand liegt, die beste Methode ist, um das Geschäft und seine inneren Zusammenhänge eben wirklich gründlich zu durchdenken. Man versteht es nach einer solchen Übung viel besser als vorher.

Diese Punkte sind wohl Grund genug, das Budget und seine Erstellung ernst zu nehmen und dies nicht nur an die Controller zu delegieren.

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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