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Salzburger Festspiele: Ulrich Rasche bringt „Maria Stuarda“ auf die Bühne

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10 min

Probenarbeit für „Maria Stuarda“, Salzburger Festspiele, 2025

©Salzburger Festspiele
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Macht ist heuer zentrales Thema der Salzburger Festspiele. Mit Spannung erwartet wird Donizettis „Maria Stuarda“ in der Monumentalarchitektur von Ulrich Rasche. Der deutsche Regiestar, der zuvor noch im Amphitheater von Epidauros eine „Antigone“ für 10.000 Zuseher:innen auf die Bühne bringt, über die Mechanik der Macht und die politische Wirkung seiner Bilder.

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„Vormittags arbeite ich an ‚Maria Stuarda‘, nachmittags und abends bin ich auf den Proben von ‚Antigone‘“, skizziert Ulrich Rasche seinen stringenten Tagesablauf, der aktuell durchgetaktet ist wie seine Inszenierungen. Gleich zwei seiner monumentalen, chorischen Regiearbeiten kommen demnächst in Abständen von nur wenigen Wochen zur Premiere.

Bei den Salzburger Festspielen, wo bereits Rasches Adaptionen von Aischylos’ „Die Perser“ und Lessings „Nathan der Weise“ umjubelt wie heftig diskutiert zu sehen waren, inszeniert der 56-Jährige Donizettis Oper „Maria Stuarda“. Und im griechischen Epidauros ist zum Auftakt des Athens Epidaurus Festivals seine Sicht auf Sophokles’ Tragödie „Antigone“ zu erleben.

Rasche hat mit seinen visuell beeindruckenden Theaterbildern längst eine eigene ästhetische Kategorie geprägt und ist international gefragt. In Bochum geboren, hat er nach einem Kunstgeschichtestudium und ersten Arbeiten am Theater, u. a. als Assistent von Edith Clever, Schritt für Schritt seinen eigenen Stil entwickelt und zu einer singulären Theatersprache perfektioniert.

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„Die Perser“, als Theaterrave bei den Salzburger Festspielen 2018.  „Nathan der Weise“ auf der Pernerinsel, Salzburg 2023

 © picturedesk.com/APA/Barbara Gindl

Rasches Regiearbeiten

Wesentlichen Anteil dabei haben die von Rasche selbst entworfenen Bühnenkonstruktionen, ausgestattet mit tonnenschweren Laufbändern, Stahlkäfigen, Drehscheiben oder, wie zuletzt bei seiner „Iphigenie auf Tauris“ für das Wiener Akademietheater, mit einer neun Meter großen Lichtskulptur. Es sind requisitenfreie, leere Räume, aber technisch komplexe Bühnen, auf denen sich die Spieler:innen nach Rasches exakter Schrittchoreografie in konstanter Bewegung befinden und sich, oftmals mit Gurt gesichert, im Takt der Technik und zumeist eines Schlagwerks am Text abarbeiten, in exakt akzentuierter Sprechweise, die starke Sogkraft entwickelt.

Spätestens seit seiner „Räuber“-Inszenierung am Münchner Residenztheater 2016, die Schillers Sprache neue Wirkung verlieh und von der „Süddeutschen Zeitung“ als eine Arbeit, „die steil und gesamtkunstwerklich kühn aus dem Normalspielbetrieb herausragt“, gefeiert wurde, wird der Regisseur in seiner radikalen Formstrenge als ästhetischer Revolutionär in der Nachfolge eines Einar Schleef oder Robert Wilson gefeiert. Viermal war der Nestroy-Preisträger bereits zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Zum zweiten Mal arbeitet er schon in Epidauros, wo jeden Abend über 10.000 Besucher:innen in das Amphitheater strömen. Nach der ersten gigantischen Outdoorerfahrung mit „Agamemnon“ 2022 sei er diesmal schon entspannter in den intensiven Probenprozess zwischen altgriechischer Mythologie und neugriechischen Strukturen gegangen, erzählt er. Die Intensität des Erlebnisses, bei der man jeden Schritt hört, den der Chor durch den Sand setzt, sei beeindruckend. Ein Jahr hat Ulrich Rasche an seiner „Antigone“ gearbeitet, die er mit dem Ensemble auf Griechisch am 27. Juni zur Premiere bringt.

Seit fast zwei Jahren laufen bereits die Vorbereitungen für die Umsetzung seiner Operninszenierung für Salzburg. Sein Opernregiedebüt gab Rasche bereits 2022, wo er „Elektra“ von Richard Strauss am Grand Théâtre de Genève in einem fast zwölf Tonnen schweren Stahlturm, der sich ständig drehte, spektakulär in Bewegung setzte. Die Inszenierung erhielt den „Oper! Award“ für die beste Bühne des Jahres.

Gleich nach der Premiere in Epidauros, Ende Juni, wird Ulrich Rasche in Salzburg erwartet, wo die Fertigstellung seiner aufwendigen Bühnenkonstruktion für „Maria Stuarda“ in den Werkstätten bereits auf Hochtouren läuft.

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Bis zur letzten Silbe durchrhythmisiert machen Sie jede Theaterarbeit zur Sprechoper. Ist diesbezüglich das Genre Oper mit Partitur, die den Rhythmus vorgibt, eine Herausforderung oder Einschränkung?

Ulrich Rasche

Es ist beides. Die Oper kommt mir sehr entgegen, weil vieles, was wir im Sprechtheater erst erzeugen müssen – Rhythmus, Tempo, musikalische Spannung –, in der Partitur bereits angelegt ist. Gleichzeitig ist genau das auch die Herausforderung: Die musikalische Struktur lässt wenig Spielraum für körperliche Aktion. Es geht darum, präzise zu untersuchen, an welchen Stellen eine Choreografie mit der Musik vereinbar ist.

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Auch für die Sänger:innen eine extreme Challenge …

Ulrich Rasche

Zumal bestimmte Bewegungsabläufe aufgrund stimmtechnischer Anforderungen nicht möglich sind. Der Körper muss an bestimmten Stellen stabilisiert werden, um Tonfolgen hervorzubringen – Entspannung oder freie Bewegung sind oft keine Option. Mit Lisette Oropesa (Maria; Anm.) und Kate Lindsey (Elisabetta) arbeite ich deshalb schon seit letztem Sommer eng zusammen. Ich schicke ihnen Klavierauszüge mit eingetragenen Bewegungsfolgen, sie geben Rückmeldung, was sängerisch machbar ist.

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Was hat Sie an Donizettis Oper angesprochen?

Ulrich Rasche

Als Markus Hinterhäuser mir das Projekt vorschlug, war ich zunächst skeptisch – eine Belcanto-Oper mit eher leichtem Libretto? Aber genau das hat mich gereizt: diese oft unterschätzte Form mit meiner Ästhetik zu konfrontieren. Dadurch verschiebt sich der Bedeutungshorizont, das Stück bekommt anderes Gewicht. Und so, wie sich das jetzt entwickelt – auch mit der Bühne –, habe ich das Gefühl, dass diese Spannung produktiv wird.

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Wie haben Sie denn die Bühne gebaut?

Ulrich Rasche

Ich werde damit wohl wieder als Theatermaschinist katalogisiert – aber das nehme ich in Kauf. Die Gewalt des Stücks – am Ende steht eine Hinrichtung – verlangt nach einer physischen Entsprechung. Die Bühne funktioniert wie eine Mechanik der Gewalt: ein System, dem die Figuren ausgeliefert sind. Zwei riesige rotierende Scheiben bilden das Zentrum, sie stellen den Kampf der beiden Frauen räumlich dar. Eine dritte Scheibe senkt sich vom Schnürboden – wie ein unausweichliches Urteil.

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Lässt sich so etwas leichter bei einem Festival wie Salzburg umsetzen als im Stadttheaterbetrieb?

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Solche Produktionen im Repertoirebetrieb umzusetzen, ist nur mit großem Kraftaufwand möglich. Die technischen und zeitlichen Bedingungen bei Festivals wie den Salzburger Festspielen sind im deutschsprachigen Raum einzigartig – sie ermöglichen eine Präzision, die Opernhäuser oft nicht leisten können.

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Ihre Monumentalästhetik entzündet auch Diskussionen. Sie setzen Struktur gegen Orientierungslosigkeit, thematisieren das Verhältnis von Individuum und Masse und die Gefahr des Mobs, dennoch werden Ihre Bilder vielfach als faschistoid gelesen.

Ulrich Rasche

Monumental ist bei mir vor allem die Leere. Sie ist kein Machtmittel, sondern ein Prüfstein: Sie fordert Eigenständigkeit, Haltung, Präsenz. Es geht mir nie um das Aufgehen des Einzelnen in der Masse – im Gegenteil: Sichtbar wird, wer gegen eine übermächtige Form, gegen den Strom, gegen den Lärm der vielen besteht.

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Dennoch lösen gerade im deutschsprachigen Raum skandierende, marschierende Menschen martialischen Bezug aus.

Ulrich Rasche

Das stimmt – und das hat historische Gründe. Aber genau diese Martialität ist heute wieder Realität. Die Dynamik kollektiver Bewegung ist nicht nur ein ästhetisches Phänomen, sie hat politische Wirkung. Das Theater darf davor nicht zurückschrecken. Es muss solche Bewegungen zeigen, analysieren, irritieren – nicht um sie zu feiern, sondern um zu begreifen, wohin sie führen können.

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Wie haben Sie denn nun das „leichtgewichtige“ Libretto der Feindschaft zweier Frauen umgesetzt?

Ulrich Rasche

Mir war wichtig, zu zeigen, dass es nicht um ein privates Eifersuchtsdrama geht, sondern um einen politisch aufgeladenen Machtkampf: protestantisch gegen katholisch, schottisch gegen englisch. Wir befinden uns in einem gesamtgesellschaftlichen Spannungsfeld, das die beiden Frauen nicht nur als Mächtige, sondern auch als Ohnmächtige zeigt. Zwei Frauen, umgeben von Männern – bei uns dargestellt durch 18 Tänzer, die das Machtgefüge sichtbar machen. Die Königinnen sind Teil einer Mechanik, die ihr Handeln bedingt. Und doch versuche ich, in dieser Struktur den Raum zu schaffen, die künstlerische Kraft der Darsteller:innen sichtbar zu machen.

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Im Frühjahr gab es im Akademietheater eine erfolgreiche Wiederaufnahme Ihrer „Iphigenie“ aus der Ära Martin Kušej. Werden Sie wieder in Wien Regie führen?

Ulrich Rasche

Ob es bald wieder etwas in Wien gibt, ist offen – aber eine neue Inszenierung in Österreich ist in Planung.

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 6. Juni 2025 erschienen.

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