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Luftfahrt im Wandel: Frauenanteil in Männerdomäne steigt

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Aktualisiert
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18 min

AUA-Pilotin Nadine Renner

©Austrian Airlines
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Der Luftverkehr, eine der letzten Männerbastionen, wird trotz Gegenwind aus den USA sukzessive weiblicher. trend hat mit vier Frauen gesprochen, die vom Fliegen nicht mehr loskommen.

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Es kommt nicht von ungefähr, dass die Jahrestagung der Internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA Anfang Juni in Indien stattfindet. Kaum ein Markt ist in den letzten Jahren im Luftverkehr so gewachsen wie der indische, und auch in Sachen Gender Diversity haben die Inder gegenüber vielen westlichen Nationen die Nase vorne. IndiGo, Indiens größte Fluglinie, hat mit 800 Pilotinnen jetzt bereits einen Frauenanteil von rund 14 Prozent und liegt damit deutlich über dem globalen Durchschnitt von zehn Prozent. Noch heuer will die Airline mehr als 1.000 Pilotinnen in ihren Cockpits sehen.

Das Thema Diversity ist in der Luftfahrt angekommen und nimmt mittlerweile breiten Raum ein. Nahezu jede Airline, die etwas auf sich hält, hat aufwendige Programme zur Frauenförderung installiert. Bei der heimischen Airline AUA heißen diese etwa „GoAhead4LC3“ oder „NextupWoman“ für mehr Frauen im Management, die in Wien drittgrößte Airline, Wizz Air, mit Headquarter in Ungarn fährt wiederum ein „She Can Fly“-Programm, das die Quote bei Pilotinnen erhöhen soll.

Diese Programme beginnen langsam zu greifen. So berichtet die AUA, dass die Zahl der Managerinnen in den letzten zehn Jahren von zehn auf 29 Prozent angestiegen ist. Bekanntlich sitzt ja auch mit Annette Mann eine Frau im Chefsessel. Damit hat die AUA auch die von der IATA im Jahr 2019 ins Leben gerufene „25 by 2025“ mit dem Ziel, heuer 25 Prozent der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen oder eine Verbesserung um 25 Prozent zu erreichen, bereits übertroffen.

Noch weiter ist man beim Konkurrenten Wizz Air, wo die Frauenquote im Topmanagement nach eigenen Angaben bereits bei 38 bis 39 Prozent liegt. Weltweit sprach man zuletzt von mehr als elf Prozent Frauen als CEOs und rund 20 Prozent im Topmanagement von Fluglinien. 2015 lag der Anteil bei lediglich fünf Prozent.

Frauen auf dem Vormarsch

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Nadine Renner

 © Austrian Airlines

Kampf für die Quote

„Als ich vor etwas mehr als 20 Jahren in der Branche begonnen habe, fand man Frauen fast nur in den Sekretariaten oder als Stewardessen“, berichtet Austro-Control-Chefin Elisabeth Landrichter, die das heimische Luftfahrtbusiness wie ihre Westentasche kennt. Dies habe sich glücklicherweise in den letzten Jahren gewandelt – auch durch Role-Models wie sie oder AUA-Chefin Mann. Auch bei der Flugsicherung kämpft man dafür, mehr Frauen zu beschäftigen. Von den 350 Lotsen sind nur 20 Prozent Frauen. Mittelfristig will man auf 28 bis 30 Prozent kommen,berichtet Landrichter. Dies sei aber eine „Riesenherausforderung“, denn: „Die meisten Frauen glauben, dass sie hier vorwiegend technische Berufe erwarten. Ich sehe es als Ansporn, mit diesen Stereotypen aufzuräumen.“

Eines dieser Stereotypen ist es wohl auch, dass man in der Luftfahrt wegen der vielen unvorhergesehen Ereignisse ständig auf Stand-by sein muss und diese Jobs deshalb nur schwer mit einer Familie vereinbar sind. Nadine Renner, eine von 49 Pilotinnen bei der AUA, die auch als Fluglehrerin arbeitet, rechnet noch mit viel Überzeugungsarbeit bei der Erhöhung der Quote. Aktuell sind gerade einmal fünf Prozent in AUA-Cockpits Frauen. „Ich wünsche mir natürlich mehr Kolleginnen, aber auf über zehn Prozent werden wir wohl nur schwer kommen“, fürchtet Renner. Dabei, so die Pilotin, komme die Airline gerade Müttern streckenmäßig und zeitlich sehr entgegen.

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Susanne Ebm

 © Andreas Hofer

Pilotenmangel

Frauen als Pilotinnen zu gewinnen, ist den Airlines aber nicht nur aus Diversity- und ESG-Gründen ein Anliegen, sondern auch aus wirtschaftlichen. „Wir sind ein Wachstumsunternehmen. Aktuell haben wir 231 Flieger und wollen bis 2031 auf 500 wachsen. Nächstes Jahr allein kommen 50 neue Flieger dazu“, berichtet Yvonne Moynihan, ESG-Managerin bei Wizz Air. „Wir brauchen Frauen, um unser Wachstum gewährleisten zu können.“ Die Cockpits lassen sich natürlich leichter füllen, wenn auch Frauen dabei sind. Dazu benötigt die Airline sehr viele neue Mitarbeitende. Weltweit fehlen angeblich 80.000 Pilot:innen. Bei der AUA-Schwester Swiss führt dieser Mangel sogar dazu, dass die Airline diesen Sommer sogar 1.400 der im Programm befindlichen Flüge wieder streichen muss.

Einige Fluglinien wie Wizz Air mit ihrem Programm „Cabin Crew to Captain“ oder Swiss gehen nun dazu über, gezielt Flugbegleiterinnen zu Pilotinnen umzuschulen. Denn dort ist die Frauenquote mit 79,1 Prozent verhältnismäßig hoch. Diversity sieht man hier auch in der Gegenrichtung: Die Wizz Air etwa spricht gezielt Männer an, eine Karriere beim Kabinenpersonal in Betracht zu ziehen.

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Yvonne Moynihan

 © Beigestellt

Netzwerke

Zu den zahlreichen Frauenförderprogrammen der Unternehmen kommt verstärkt auch Eigeninitiative der in der Luftfahrt tätigen Frauen hinzu. So hat Susanne Ebm, IT-Leiterin am Flughafen Wien, vor zwei Jahren das Netzwerk „Die Flughäfin“ auf die Beine gestellt. Aktuell liegt der Frauenanteil am Flughafen bei 27 Prozent, in manchen Bereichen wie der Bodenabfertigung, die als körperlich besonders schwer gilt, liegt die Zahl aber deutlich darunter.

„Nachdem ich meine Tochter bekam, war ich ein Jahr in Karenz“, berichtet Ebm. „Bei meiner Rückkehr haben mich viele Kolleginnen gefragt, wie ich denn all das bewerkstellige.“ Das gab für die Flughafenmanagerin schließlich den Anstoß, „Die Flughäfin“ zu gründen, deren Ziel es ist, dass sich alle am Flughafen beschäftigten rund 1.300 Frauen von der Renigungskraft bis zur Juristin regelmäßig austauschen und informieren können. Im Podcast „Die Flughäfin“ werden die vielfältigen Karrieren für Frauen am Flughafen zusätzlich sichtbar gemacht. Und anlässlich des Weltfrauentags holte das Flughafenmanagement in der Marketingkampagne „Ohne Frauen fliegt hier gar nichts“ einige seiner Mitarbeiterinnen vor den Vorhang.

Auf Netzwerken und Sichtbarmachen setzt auch Austro-Control-Chefin Landrichter. „Wo es geht, entsenden wir Frauen auf Panels von Veranstaltungen. Die eigenen Mitarbeiter sind die besten Botschafter nach außen“, ist Landrichter überzeugt. Außerdem tauscht sie sich regelmäßig mit anderen Managerinnen aus der Branche wie etwa AUA-Chefin Mann aus.

Aber droht dieses zarte Pflänzchen der Gender Diversity in der Luftfahrt nicht durch gegenteilige Strömungen aus den USA wieder zertreten zu werden, bevor es überhaupt blühen konnte? Wizz-Air-ESGManagerin Moynihan glaubt das nicht: „Die EU zeigt bislang keine Anzeichen, beim Thema Diversity wieder umzukehren oder die ESG-Kriterien aufzuweichen.“ Und auch der Regulator in Ungarn zwinge die Airline nicht, etwas an den DiversityZielen zu ändern, so Moynihan. Dann kann der Vormarsch der Frauen im Luftverkehr ja ungebremst weitergehen.

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Elisabeth Landrichter

 © Lukas Lorenz

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 23. Mai 2025 erschienen.

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