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Malik on Management: Die Macht des PositiveThinking

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Positives Denken befreit und ermöglicht es, Chancen zu erkennen und zu ergreifen.

Positives Denken befreit und ermöglicht es, Chancen zu erkennen und zu ergreifen.

©Getty Images/iStockphoto
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Bei wirksamen Führungskräften kann man eine ganz bestimmte Haltung erkennen: Sie können auch bei Misserfolgen positiv und konstruktiv denken. Management- und Leadership-Experte Fredmund Malik über die Macht des Positive Thinking.

Die Aufforderung "Denke positiv!" kann leicht missverstanden werden. Es gibt in diesem Zusammenhang ziemlich viel Scharlatanerie. Das darf aber nicht dazu verleiten, "das Kind mit dem Bade auszuschütten". Richtig verstanden, sind Disziplin und Praxis des positiven Denkens von hohem Wert - oder umgekehrt: Negatives Denken ist derart zerstörerisch, dass man es in einer Organisation nicht um sich greifen lassen darf.

Man findet das diesem Grundsatz entsprechende Verhalten in zahlreichen Erscheinungsformen. Gelegentlich wird eine etwas übertriebene Philosophie daraus gemacht, wovon ich abrate, weil das auf andere Menschen schnell penetrant wirken und daher vielleicht sogar ins Gegenteil umschlagen kann. Die meisten Leute aber, die diesen Grundsatz befolgen, reden nicht darüber, jedenfalls, solange sie nicht gefragt werden. Sie handeln einfach danach.

Ein erster wichtiger Aspekt dieses Grundsatzes betrifft die Frage, was eigentlich im Kern und letzten Endes die Aufgabe von Führungskräften ist. Man kann sich fragen, wofür Führungskräfte wirklich bezahlt werden.

In einem großen Teil der Managementliteratur werden Manager als Problemlöser gesehen. Folgerichtig wurden und werden noch immer Problemlösungsverfahren in unterschiedlichen Varianten entwickelt, die den Führungskräften in ihrer vermeintlichen Kernfunktion helfen sollen. Ich habe das selbst längere Zeit so gesehen und habe maßgeblich bei der Konzipierung einer Problemlösungsmethodik mitgewirkt.

Wirksame Menschen - auch wenn sie sich bemühen, konstruktiv zu denken - sind nüchterne Realisten. Sie sehen die Probleme und Schwierigkeiten; sie neigen weder zur Beschönigung noch zur Verdrängung. Dennoch suchen sie vor allem nach Chancen und Möglichkeiten

Ich halte die Fähigkeit, Probleme zu lösen, noch immer für eine der wesentlichsten. Aber ich habe meine Meinung insofern geändert, als ich das nicht mehr für die erste und wichtigste Aufgabe von Managern ansehe. Noch wichtiger als Probleme lösen ist wohl das Erkennen und Nutzen von Chancen. Wenn alle Probleme in einer Organisation gelöst sind, dann bedeutet das noch lange nicht, dass auch die Chancen genutzt wurden. Es hilft wenig - vor allem für die Praxis -, wenn man in diesem Zusammenhang zu der beliebten Wendung greift, auch die Nutzung von Chancen sei nichts anderes als die Lösung eines Problems. Ich halte das für Sophisterei und für praktisch kaum nützlich.

Der Grundsatz, positiv oder konstruktiv zu denken, erfüllt also die Funktion, die Aufmerksamkeit von Führungskräften auf die Chancen zu orientieren. Das bedeutet nicht, dass die Probleme ignoriert werden dürften, dass man sie gewissermaßen hinwegphilosophiert, sie leugnet oder verdrängt. Genau das ist eine der Formen, in denen die Scharlatanerie und Gesundbeterei in Zusammenhang mit dem positiven Denken auftritt. Manche ihrer Varianten fordern dazu auf, die Augen vor den Problemen zu verschließen. Das ist hier nicht gemeint.

Wirksame Menschen - auch wenn sie sich bemühen, konstruktiv zu denken - sind nüchterne Realisten. Sie sehen die Probleme und Schwierigkeiten; sie neigen weder zur Beschönigung noch zur Verdrängung. Dennoch: sie suchen allem nach Chancen und Möglichkeiten - auch in den größten Problemen: "Was liegt selbst in diesem Problem für eine Chance?", das etwa ist ihre Haltung.

Von Motivation zu Selbstmotivation.

In engem Zusammenhang mit dem Bemühen, Chancen noch in den größten Schwierigkeiten zu sehen, steht die Disziplin, nicht auf Motivation durch Dritte oder von außen zu warten, sondern sich selbst zu motivieren.

Ich spreche hier nicht von einer Fähigkeit, gar einer angeborenen, von etwas also, was es den Menschen leicht machen würde, sich selbst zu motivieren. Auch mit Kenntnis und Anwendung dieses Grundsatzes erfordert Selbstmotivation Überwindung und Anstrengung. Mit der Zeit mag es dann zu einer gewissen Gewohnheit werden. Es gibt aber auch hier weit eher eine Praktik, eine Disziplin. Nicht selten ist es ein selbst auferlegter Zwang, dem man sich unterwirft, weil es einem Einsicht, Vernunft und Verstand gebieten.

Positiv oder konstruktiv denken erfüllt die Funktion, die Aufmerksamkeit von Führungskräften auf Chancen zu orientieren.

Das bedeutet wiederum nicht, dass Menschen, die sich an diesen Grundsatz halten, nicht auch Phasen der Frustration, der Niedergeschlagenheit und unter Umständen der Depression hätten. Es ist nicht etwa so, dass sie Niederlagen und Enttäuschungen leicht wegstecken würden oder - wie vielleicht ein Psychoanalytiker vermuten könnte - diese gar bräuchten. Sie ärgern sich, sie leiden genauso wie die meisten anderen Menschen, und sie müssen sich gelegentlich zurückziehen, um ihre "Wunden zu lecken". Aber sie verharren nicht in ihrem Leid - und schon gar nicht in Selbstmitleid.

Die praktische Version kommt wohl im folgenden Zitat am anschaulichsten zum Ausdruck. Einer der bekanntesten Topmanager des deutschsprachigen Raumes, der lange Zeit an der Spitze eines der größten Unternehmen stand, meinte einmal während eines Abendessens en passant:

"Wissen Sie, ich musste im Laufe meines Lebens einfach lernen, aus den höchstens zehn Prozent Erfolgserlebnissen, die ich am Tag habe, so viel innere Kraft zu schöpfen, dass ich die 90 Prozent Mist, die täglich passieren, ertragen kann."

Verändern wollen.

Beide Aspekte - die Chancen in den Problemen zu sehen und sich, wo immer möglich und, vor allem, wo immer nötig, selbst zu motivieren - laufen letztlich darauf hinaus, dass Menschen dieser Art vor allem die Dinge verändern wollen, sie wollen etwas tun - und nicht einfach nur etwas erkennen, analysieren, verstehen und passiv akzeptieren. Ihr Tun mag gelegentlich in Aktionismus ausarten, vielleicht sogar in blinden. Das wird aber vom hier besprochenen Grundsatz weder verlangt, noch ist es seine unausweichliche Konsequenz.

Der Normalfall der Anwendung des Prinzips ist recht einfach: Man steckt in Problemen, man hat Schwierigkeiten, und man leistet sich nicht den Luxus, sie zu ignorieren. Aber man erduldet sie auch nicht einfach, sondern man tut etwas, damit die Lage sich ändert.

Ich meine, dass es genügend Indizien dafür gibt, dass genau in dieser Haltung der Grund dafür liegt, dass jemand auf andere Menschen als reife Persönlichkeit wirkt. Man kann niemanden als reif und als Persönlichkeit ansehen, der Probleme überhaupt nicht sieht; auch nicht jenen, der sie beschönigt und Zweckoptimismus betreibt. Aber auch das ist keine reife Persönlichkeit, die Probleme zwar sieht, aber dann an ihnen verzweifelt oder in Untätigkeit erstarrt. Als reife Persönlichkeit, so scheint mir, werden Menschen wahrgenommen, die mit vollem Realismus Probleme erkennen, oft früher als andere und mit größerem Scharfsinn, es aber dabei nicht bewenden lassen, sondern sich dann fragen: Was kann ich jetzt tun, damit es sich ändert?

Reife Persönlichkeiten erkennen mit vollem Realismus Probleme, lassen es aber nicht dabei bewenden lassen, sondern fragen sich: Was kann ich tun, damit es sich ändert?

Angeboren, erlernt oder erzwungen? Ist positives Denken angeboren? Kommt man einfach damit zur Welt? Es wird wohl solche Menschen auch geben.

Die meisten jener, die positiv denken konnten, und die ich kennen lernen konnte, haben sich das antrainiert, sich dazu angehalten und teilweise dazu gezwungen, nachdem sie verstanden hatten, wie wichtig das sein kann und wie wichtig es gerade in schwierigen Situationen ist. Die Arten des Zwanges, oder vielleicht besser: die Methoden, können sehr verschieden sein.

Mentales Training.

Es gibt Leute, die einfach einen Zettel in ihrer Jackentasche haben, auf dem steht: "Denk positiv, du Idiot ..." Wenn sie die Hand in ihre Jackentasche stecken, brauchen sie den Zettel gar nicht herauszunehmen. Die bloße Berührung genügt schon, ihr Denken, falls es abzudriften droht, wieder auf Kurs zu bringen. Nicht jedem allerdings hilft diese vielleicht ein bisschen primitive Methode. Die meisten wenden irgendeine der vielfältigen Methoden des mentalen Trainings an, mit mehr oder weniger Systematik und Regelmäßigkeit.

Ich will hier nicht in die Einzelheiten dieser Methoden gehen, weil es erstens ziemlich viele davon gibt und ich es zweitens nicht für besonders wesentlich ansehe, welche der verschiedenen Methoden man anwendet. Für mich selbst war autogenes Training recht nützlich. In meinen frühen Zwanzigern geriet mir durch Zufall ein kleines Büchlein von einem gewissen Lehmann - dem ersten Einhand-Weltumsegler - in die Hände. Darin beschrieb er, wie er es schaffte, die ungeheuren Strapazen seiner monatelangen einsamen Seereise durchzustehen. Unter anderem verwies er auf eine damals gerade bekannt gewordene Methode eines deutschen Arztes, eben das autogene Training, die ihm geholfen habe, durch bewusste Beeinflussung gewisser Körperfunktionen diese sportliche Leistung zu erbringen. So konnte er, seinem Bericht zufolge, zum Beispiel seine Körpertemperatur willentlich beeinflussen, was ihm half, Kälte zu ertragen. Diese Methode interessierte mich, und ich habe sie mir in der Folge im Wesentlichen selbst beigebracht. Als Entspannungs- und Konzentrations-, Regenerations- und Selbstbeeinflussungsmethode hat sie mir wertvolle Dienste geleistet.

Damit will ich aber keineswegs eine Empfehlung aussprechen. Das autogene Training ist für mich nützlich - und für viele andere. Aber es gibt Menschen, denen es nicht liegt und für die es keine Wirkung hat. Es gibt andere Methoden und Techniken, von einfacher Gymnastik über Atemtechnik und Yoga bis zur transzendentalen Meditation, die - obwohl sie im Einzelnen sehr unterschiedlich sind und auch mit sehr verschiedenen Ansprüchen vertreten werden - doch insofern einen gemeinsamen Kern haben, als sie neben anderen Wirkungen, die versprochen werden, eben auch der Selbstbeeinflussung dienen.

Bezüglich der transzendentalen Anteile dieser Methoden mag sich jeder seine eigene Meinung bilden. Es gibt Menschen, denen das sehr wichtig zu sein scheint. Ich persönlich vermag dem wenig abzugewinnen.

Ich beschränke mich daher auf das, was man vielleicht - wie schon erwähnt - am klarsten und unverfänglichsten als mentales Training bezeichnen kann. Von diesem halte ich nun in der Tat sehr viel.

Die Ursachen der Wirkung sind, soweit mein Kenntnisstand reicht, noch nicht klar; für die Tatsache der Wirkung hingegen gibt es genügend Indizien. Kein Sporttrainer würde heute auf die Methoden des mentalen Trainings verzichten wollen, und dasselbe gilt für die Sportler selbst.

Fast jeder Künstler oder Artist - ganz allgemein jeder, der große, vielleicht sogar extreme Leistungen erbringen will oder muss - hat sich auf seine Weise eine Methode zurechtgelegt, die ihm für die Vorbereitung, das Training und den Aufbau seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten hilft und es ihm dann in den entscheidenden Momenten erleichtert, sich zu konzentrieren, Lampenfieber und flatternde Nerven unter Kontrolle zu bringen, die letzte Energie zu mobilisieren und alles auf einen Punkt - eben die Leistung - zu bringen.

Die Methoden variieren in den Details und spiegeln stark die naturgemäß hoch ausgeprägte Individualität solcher Menschen wider. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, die anschaulich und lehrreich sind, auch wenn es ratsam ist, gewissen autobiographischen Darstellungen etwas Skepsis entgegenzubringen.

Die unerklärte Wirkung.

Selbst wenn die Wirkung des positiven Denkens - wie manche behaupten - auf pure Einbildung, also so etwas wie Placeboeffekte, zurückzuführen wäre, spielte das keine Rolle. Dass es hilft, ist entscheidend, auch wenn das Wie noch nicht bekannt ist. Ich meine aber, dass die Wirkung weder ausschließlich noch überwiegend auf Placeboeffekten beruht.

Dass gedankliche Vorstellungen physiologische Reaktionen auszulösen vermögen, ist im Grunde eine Banalität. Jeder kann das selbst erfahren und ausprobieren. Der gedankliche Biss in die vorgestellte Zitrone ist ausreichend Beweis dafür. Die genauen Wirkungsmechanismen sind noch weitgehend unklar, weil sie eines der vielleicht schwierigsten Probleme betreffen, nämlich die Interaktion zwischen Geist und Gehirn.

Es gibt interessante und ernst zu nehmende Untersuchungen dazu aus einer Reihe von Wissenschaften, der Philosophie, der Gehirnforschung und der Psychologie; zum Teil spielen Erkenntnisse aus den Computerwissenschaften eine Rolle und aus der Biologie, der Kybernetik und den Systemwissenschaften. Es ist eines jener faszinierenden Probleme, zu dessen Erhellung viele Disziplinen zusammenwirken müssen und woraus eines Tages vielleicht eine neue grenzüberschreitende Wissenschaft entstehen wird.

Dieses Gebiet ist - wohl wegen seiner Faszination - auch eines der beliebtesten Tummelfelder für pseudowissenschaftlichen Schwachsinn. Daher gibt es gerade hier eine besondere Verantwortung für Führungskräfte, Sinn und Unsinn zu unterscheiden und nicht leichtfertig oder gedankenlos der Verbreitung von sektiererischem Unfug Vorschub zu leisten. Das war und ist noch immer reichlich der Fall, etwa in Zusammenhang mit Kreativität, Intuition oder der Gehirnhälftentheorie, und feiert fröhliche Urständ in der Variante der Emotionalen Intelligenz, von der man sich in der Management-Schickeria fasziniert zeigt.

Auch wenn intellektuelle Redlichkeit und sokratische Bescheidenheit es gebieten, immer wieder das Ausmaß unserer Unkenntnis zu respektieren, so darf doch auch gelegentlich darauf hingewiesen werden, dass man auf diesen Gebieten mehr - und zwar viel mehr - weiß, als die Verbreiter von Scharlatanerien und esoterischem Gefasel sich offenbar vorzustellen vermögen. Intellektuelle Bescheidenheit darf nicht dazu führen, dass Halbwissen und Aberglauben umso leichteres Spiel haben. Wir wissen genug, um Unsinn als solchen zu erkennen, und wer nichts gegen seine Verbreitung unternimmt, ist zumindest moralisch verantwortlich.

Positives Denken erfüllt - ungeachtet aller Magie, die man damit verbunden leider auch findet - eine bedeutsame Funktion. Es ist wichtig, um die Chancen zu sehen und um sich von den letztlich selbst auferlegten Abhängigkeiten von seinen Stimmungslagen zu befreien.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

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