Verspielt mit einem großen Schluck Ernsthaftigkeit - Winzerin Hanna Glatzer
©Elke MayrHanna Glatzer ist eine junge, dynamische Winzerin, die mit Leidenschaft und Hingabe ihren eigenen Weg geht. Ihre Weine sind ein Ausdruck ihrer Persönlichkeit – bunt, spielerisch und tief in der Heimat verwurzelt.
Es ist ein milder Vormittag, als wir Hanna Glatzer auf dem Weingut in Göttlesbrunn treffen. Die 23-jährige Winzerin empfängt uns mit einem herzlichen Lächeln und einer offenen Art, die sofort Vertrauen schafft. Ihr Weg in die Weinwelt war unkonventionell, geprägt von Leidenschaft und Entschlossenheit.
Der (Um)Weg zum Wein
"Ich habe nicht den klassischen Weg gewählt", beginnt Hanna Glatzer das Gespräch. "Ich war auf einem sprachlichen Gymnasium und hatte immer im Hinterkopf, dass mich die Weinbranche interessiert, aber es war nie ein Muss." Ihre Eltern unterstützten sie in all ihren Entscheidungen und gaben ihr den Raum, ihren eigenen Weg zu finden. "Sie sagten immer, finde deinen Weg, wir zwingen dich zu nichts", erzählt sie. Nach einem kurzen Abstecher ins Jus-Studium und den Einschränkungen der Corona-Pandemie entschied sich Hanna, ihrer Leidenschaft nachzugehen und nach Geisenheim zu ziehen, um Weinbau zu studieren.
Doch schon bald wurde ihr klar, dass die Praxis das Wichtigste ist. "Der Weg zum Weinmachen führt nicht über eine Schule oder Uni, sondern über die Praxis", erklärt sie.
Hanna nahm jede Gelegenheit wahr, sich mit anderen Winzer:innen auszutauschen und Erfahrungen zu sammeln. "Ich war wie ein Schwamm, habe alles in mir aufgesogen", sagt sie und lächelt. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie sich ein Netzwerk aus Winzer:innen, Sommeliers und Gastronom:innen aufgebaut.
"Wenn du dich dazu entschließt, Wein zu machen, Winzerin zu werden, dann musst du dich zu 100 Prozent auch committen, sonst tust du das einfach nicht“, erklärt Hanna Glatzer. Die Arbeit sei ein "richtiger Knochenjob".
"Es ist natürlich immer schön, wenn man darüber reden und den Wein schlussendlich präsentieren kann, aber unterm Strich ist es harte Arbeit. Ich bin jetzt 23 Jahre alt und wenn ich ehrlich bin, hatte ich, seit ich 20 bin, kein freies Wochenende. Also entweder ich will das oder ich will das nicht."
Und Hanna will das. Das merkt man ab Sekunde eins, sobald man der Winzerin entgegentritt. Sie verkörpert die Entschlossenheit. Die Begeisterung für das, was sie tut, sieht man ihren Augen an, die zu strahlen beginnen, sobald sie von ihrem Wein erzählt.
Zusammenarbeit mit dem Vater und die eigene Weinlinie
Hannas Vater, Walter Glatzer - er leitet den Familienbetrieb seit 1987 - ist ihr größter Unterstützer. "Er war immer das Gegenteil eines Patriarchen", erzählt sie. Schon mit 18 Jahren gab er ihr die Möglichkeit, ihren ersten eigenen Wein zu machen. "Er sagte immer, mach was, probier was, ohne Druck", erinnert sie sich. Ihr erster Wein war ein Cabernet, den sie völlig eigenständig entwickelte. "Ich wollte etwas anderes machen als die typischen Sorten hier im Betrieb", erklärt sie. Der Erfolg ihres ersten Jahrgangs überraschte sie selbst: "Ich konnte nicht glauben, dass das mein Wein war."
Hannas Weine sind bunt und spielerisch, wie sie selbst sagt. "Mir ist es wichtig, Weine zu machen, die Spaß machen und unkompliziert sind", beschreibt sie ihre Philosophie. Ihre Weine sollen Freude bereiten, ohne dass man sie dekantieren oder jahrelang lagern muss. Dabei legt sie großen Wert auf Qualität und Handarbeit. Seit 2018 ist der Betrieb biologisch zertifiziert, und Hanna experimentiert weiter mit naturnahen Methoden. "Ich wollte sehen, ob ich die Weine wirklich filtrieren muss, und bin überzeugt, dass das der richtige Weg für mich ist", sagt sie.
Ihr Portfolio umfasst aktuell fünf Weine:
Welschriesling
Pinot Noir
Cabernet Sauvignon
Rosé
Traminer
Die Weine sollen "raus in die Welt“, so die Winzerin. Dieser kosmopolitische Ansatz spiegelt sich auch im Design der Flaschen wider. Die Etiketten: gestaltet wie eine Briefmarke mit der dazugehörigen Postkarte – geschrieben aber aus der Sicht der Trauben. So grüßt der Traminer beispielweise mit den Worten "Hier ist wieder mal alles tutti perfekti. Es ist trocken und schön, so wie wir es lieben."
Und die Weine kommen gut an im Ausland. In den USA, ihrem Hauptabsatzmarkt, feiert Hanna große Erfolge. Hierzulande würden die Weine eher in den Städten Anklang finden, bei einem jüngeren Publikum. "In Österreich ist es besser gelaufen als erwartet", so die Winzerin. "Aber ich habe von Anfang an gewusst, dass Österreich nicht unser Hauptmarkt sein wird."
Heimatverbundenheit und Nachhaltigkeit
Wer seine Weine in die Welt hinausschickt, der braucht einen stabilen Anker. Für Hanna ist Heimat ein zentraler Begriff. "Die Weingärten sind für mich ein unglaublicher Kraftplatz", erklärt sie. Nach längeren Reisen zieht es sie immer wieder dorthin zurück, um Energie zu tanken. Diese tiefe Verbundenheit zur Natur spiegelt sich auch in ihrer Arbeit wider. "Wenn die Natur mein Kraftplatz sein soll, müssen wir uns darum kümmern", betont sie. Daher setzt sie auf biologische Bewirtschaftung und Biodiversität in den Weingärten. Auch im Keller greift sie so wenig wie möglich ein. "So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig", lautet ihr Credo.
Die Herausforderungen als junge Winzerin
Obwohl Hanna in einer unterstützenden Familie aufgewachsen ist, begegnet sie in der Branche immer wieder Herausforderungen. "Am Markt ist es teilweise schon anders, da musst du als Frau noch mehr beweisen", berichtet sie. Doch sie hat sich durchgesetzt. "Mittlerweile werde ich oft gefragt, ob ich Zeit habe, bei Veranstaltungen dabei zu sein. Das zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin."
Die Gemeinschaft der Winzerinnen in Carnuntum, Hanna Glatzer nennt sie - mit einem Augenzwinkern - die "Carnuntum Girls", ist eine wichtige Unterstützung. "Wir sind eine starke Gruppe von Frauen, die gemeinsam auftreten und sich gegenseitig unterstützen", erklärt sie. Diese Gemeinschaft ist geprägt von Freundschaften, die oft schon seit der Kindheit bestehen.
Wohin geht die Reise?
Hanna Glatzer sieht ihre Aufgabe in der kommenden Generation der Winzer:innen in zwei Bereichen: "Wir müssen uns noch mehr mit der Herkunft beschäftigen und dem verantwortungsbewussten Konsum von Alkohol widmen." Für sie ist es wichtig, die Einzigartigkeit ihrer Weingärten zu betonen und gleichzeitig die Balance zwischen Genuss und Verantwortung zu finden.
"Der Boden, die Lagen, das Klima - das ist einzigartig bei uns. Wir müssen uns mit dieser Herkunft, diesem Alleinstellungsmerkmal intensiv auseinandersetzen. Alles andere ist austauschbar."
In zehn Jahren möchte sie, gemeinsam mit ihrem Bruder, den Familienbetrieb übernehmen. "Diese Zeit möchte ich mir noch nehmen, um Erfahrungen zu sammeln, um Dinge auszuprobieren."
Ob sie in ein paar Jahren den Wein noch so machen wird, wie sie ihn jetzt macht, weiß Hanna nicht. "Mir ist es eben wichtig, dass ich keine Dogmen habe. Ich möchte mit einer Ernsthaftigkeit immer einen gewissen experimentellen Charakter bewahren. Und wenn ich es in fünf Jahren komplett anders machen werde, mache ich es anders."
Zum Abschluss unseres Gesprächs frage ich Hanna, in Anlehnung an den Postkarten-Gedanken, welche Nachricht Sie ihrem zukünftigen Ich in einer Flaschenpost zukommen lasse würde. "Ich würde mir einen Brief schreiben, in dem ich alle meine jetzigen Gedanken, Ängste und Sorgen festhalte, und am Ende schreiben: Es ist eh alles gut gegangen."