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Wiederholungsprüfung nicht bestanden: Die Rechte, um trotzdem aufzusteigen [Österreich]

In Kooperation mit D.A.S. Rechtsberatung der Ergo Versicherung
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Aktualisiert
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16 min
Die Rechte der Schüler rund um die Wiederholungsprüfung
Selbst wenn in der Klassenkonferenz beschlossen wurde, das der Schüler sitzen bleiben muss, kann die Entscheidung angefochten werden.©istock, shironosov
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Wenn das Sitzenbleiben droht, geht es für Schüler ums Ganze. Die Entscheidungen der Lehrer müssen aber nicht einfach hingenommen werden. Welche Rechte Schüler und Eltern haben, sich gegen ungerechte Benotungen und ungerechtes Vorgehen rund um Wiederholungsprüfungen zu wehren und warum die Gefahr, eine Klasse wiederholen zu müssen, in der neuen Oberstufe geringer ist, darüber klärt D.A.S. Partneranwalt Christian Függer auf.

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Ein Fünfer bei der Wiederholungsprüfung im Herbst und die Lehrerkonferenz beschließt: Der Schüler muss sitzen bleiben. So ein Urteil kann einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Viele Schüler fühlen sich der Entscheidung der Lehrer machtlos ausgeliefert. Sind es aber nicht. Denn es gibt Rechtsmittel, um sich dagegen zur Wehr zu setzen, wenn man die Beurteilung durch Lehrer als ungerecht empfindet.

Lehrer sind bei der Ausübung ihres Berufs an viele Gesetze gebunden. Auch was die Folgen eines „Nicht genügend“ und die anschließende Wiederholungsprüfung betrifft. Um zu ihrem Recht zu kommen, müssen Schüler und Erziehungsberechtigte aber ebenfalls Regeln einhalten. Der St. Pöltner D.A.S. Partneranwalt Christian Függer erklärt, wann ein Schüler trotz eines Fünfers zum Aufstieg in die nächste Klasse berechtigt ist, welche Rechtsmittel ergriffen werden können und wann es zu spät dafür ist.

Wann Schüler zum Aufstieg in die nächste Klasse berechtigt sind

Ein Schüler ist zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abschließt. Dieses Ziel ist erreicht, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und es in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Mit dieser Note sind Leistungen zu beurteilen, wenn der Lehrstoff in den wesentlichen Bereichen nicht überwiegend erfüllt wurde.

Was nach einem „Nicht genügend“ im Halbjahr und Schuljahr gesetzlich verpflichtend ist

Ein „Nicht genügend“ in Pflichtfächern am Semesterende ist den Erziehungsberechtigten sofort mitzuteilen. Der Lehrer, der Schüler und die Erziehungsberechtigten sollten anschließend ein beratendes Gespräch führen („Frühwarnsystem“). Dabei sollten Maßnahmen besprochen werden, um Lerndefizite auszumerzen: Unter Einbeziehung von Lern- und Leistungsstärken sollen so Fördermöglichkeiten, Förderunterrichtsangebote und Leistungsnachweise erarbeiten und vereinbart werden. Ziel des Frühwarnsystems ist es, den betreffenden Schüler zu fördern, damit er in die nächste Schulstufe aufsteigen kann.

Wie Wiederholungsprüfungen ablaufen müssen

Scheitert dieses Ziel und wurde der Schüler im Jahreszeugnis in ein oder maximal zwei Pflichtgegenständen mit „Nicht genügend“ beurteilt, ist er berechtigt, am Ende der Ferien das „Nicht genügend“ im Rahmen einer Wiederholungsprüfung auszubessern. Die Beurteilung der Wiederholungsprüfung ist vom betreffenden Klassenlehrer (Prüfer) gemeinsam mit einem zweiten Lehrer (Beisitzer) durchzuführen. Prüfer und Beisitzer sollen den betreffenden Unterrichtsgegenstand unterrichten oder für diesen lehrbefähigt sein. Der Verlauf der Prüfung muss schriftlich aufgezeichnet werden. Wenn eine Einigung über die Beurteilung nicht zustande kommt, hat der Schulleiter darüber zu entscheiden.
Absolviert der Schüler die Wiederholungsprüfung positiv, ist er zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt.

Wiederholungsprüfung nicht bestanden: Wann ein Aufstieg trotzdem möglich ist

Auch wenn Schüler nicht zur Wiederholungsprüfung antreten, sind diese berechtigt in die nächste Schulstufe aufsteigen, sofern es sich nur um ein „Nicht genügend“ handelt und folgende Fälle zutreffen:
- Hat ein Schüler diese Schulstufe bereits wiederholt, ist er zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, sofern sein Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und der Schüler im Unterrichtsfach vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.
- Ein Schüler darf trotz eines „Nicht genügend“ im Jahreszeugnis aufsteigen, wenn dieser nicht bereits im vorherigen Schuljahr in demselben Pflichtgegenstand ein „Nicht genügend“ erhalten hat, der Pflichtgegenstand in der nächsten Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und die Klassenkonferenz (diese findet jeweils im Juni statt) feststellt, dass der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen für eine erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe aufweist.

Schüler der 1., 2. und 3. Schulstufe sind stets berechtigt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen.

Wie man sich gegen das Sitzenbleiben rechtlich wehren kann

Gegen die Entscheidung, dass ein Schüler zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe nicht erfolgreich abgeschlossen hat, steht Schülern und Erziehungsberechtigten der Rechtsbehelf des Widerspruchs zur Verfügung. Auch gegen die Entscheidung, dass der Schüler eine Reife-, Diplom- oder Abschluss-, Zusatz-, oder Externistenprüfung nicht bestanden hat, steht dem Schüler der Widerspruch zu.

Lehrer müssen Entscheidung begründen und diese dem Landes- oder Stadtschulrat vorlegen
Der Widerspruch ist schriftlich (jedoch nicht mittels E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule einzubringen. Der betreffende Lehrer muss daraufhin seine Entscheidung für die Benotung begründen. Der Schulleiter hat die Begründung und etwaige Beweise unverzüglich der zuständigen Schulbehörde (dem Landesschulrat oder Stadtschulrat) vorzulegen. Die Frist von fünf Tagen beginnt bei einer mündlichen Verkündung der Entscheidung ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Im Fall der schriftlichen Ausfertigung mit deren Zustellung.

Einbringung Widerspruch: Schulbehörde muss Verwaltungsverfahren einleiten

Mit Einbringen des Widerspruches ist die Entscheidung außer Kraft gesetzt. Die Schulbehörde muss in weiterer Folge das Verwaltungsverfahren einleiten und die Entscheidung per Bescheid treffen. Sind Schüler nicht eigenberechtigt, sind diese von den Erziehungsberechtigten zu vertreten. Die Schulbehörde kann nach Prüfung des Sachverhaltes das „Nicht genügend“ bzw. die angefochtene Entscheidung bestätigen oder aufheben oder, wenn die vorgelegten Unterlagen für eine eindeutige Entscheidung nicht ausreichen, eine kommissionelle Prüfung unter Vorsitz eines Schulaufsichtsbeamten oder eines von diesem bestimmten Vertreter anordnen. Diese Prüfung ist wie eine Wiederholungsprüfung abzuhalten.

Beschwerde gegen die Entscheidung der Schulbehörde möglich

Gegen die Entscheidung der Schulbehörde kann man beim Bundesverwaltungsgericht in Wien Beschwerde einlegen.
Die Frage, wann ein Widerspruch an die Schulbehörde beziehungsweise eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sinnvoll und aussichtsreich erscheint, hängt maßgeblich vom Einzelfall ab. Es ist aber sinnvoll zuvor ein Gespräch mit den verantwortlichen Lehrern zu führen. Fühlt sich der Schüler auch nach diesem Gespräch noch ungerecht behandelt, empfiehlt sich ein Beratungsgespräch bei einem Anwalt. So lassen sich die Erfolgsaussichten besser einschätzen.
Die Rechtsmittel gegen die Entscheidung haben jedoch keine aufschiebende Wirkung. Der Schüler kann nicht in die höhere Schulstufe aufsteigen, solange dem Widerspruch beziehungsweise der Beschwerde nicht stattgegeben wurde.
Da die Widerspruchsfrist äußerst kurz ist (5-Tages-Frist), ist ein sofortiges Handeln unverzichtbar. Das zeigen folgende Beispiele:

Knappe Frist um Entscheidung der Klassenkonferenz zu bekämpfen

Ein Schüler hat im Jahreszeugnis in einem Pflichtgegenstand ein „Nicht genügend“. Die Klassenkonferenz im Juni beschließt, dass er nicht in die nächste Schulstufe aufsteigen darf. Der Schüler beschließt, die Entscheidung nicht zu bekämpfen und zur Wiederholungsprüfung im Herbst anzutreten. Der Schüler besteht auch die Wiederholungsprüfung am Ende der Ferien nicht.
In diesem Beispiel ist ein Widerspruch gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz nicht mehr möglich, da die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung bereits abgelaufen ist. Die Entscheidung der Klassenkonferenz im Juni ist längst rechtskräftig, denn die Entscheidung kann nur innerhalb der 5-Tages-Frist bekämpft werden. Vertritt der Schüler von vornherein die Auffassung, dass das „Nicht genügend“ gerechtfertigt ist, die Entscheidung der Klassenkonferenz im Juni jedoch nicht rechtmäßig war, muss er deren Entscheidung bereits im Juni bekämpfen.

Zwei „Nicht genügend“ Jahreszeugnis: Was dagegen tun?

Hat ein Schüler im Jahreszeugnis in maximal zwei Pflichtgegenständen ein „Nicht genügend“, darf er nicht in die nächsthöhere Schulstufe aufsteigen, sondern kann, um das zu verhindern, zur Wiederholungsprüfung im Herbst antreten. Absolviert er diese in beiden Fächern positiv, ist er zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt.

Entscheidung der Klassenkonferenz im Herbst kann bekämpft werden

Besteht der Schüler jedoch lediglich eine der beiden Wiederholungsprüfungen, kann die Klassenkonferenz im Herbst aufgrund des einen verbliebenen „Nicht genügend“ entscheiden, dass dem Schüler die Berechtigung zum Aufstieg in die nächste Schulstufe nicht erteilt wird. In diesem Fall kann die Entscheidung der Klassenkonferenz im Herbst genauso bekämpft werden, wie die Entscheidung über das verbliebene „Nicht genügend“ im Rahmen der Wiederholungsprüfung. Auch in diesem Fall muss die Entscheidung innerhalb von fünf Tagen beeinsprucht werden.

Neue Oberstufe: Gefahr der Wiederholung einer Klasse sinkt

Schulstufenwiederholungen und der damit verbundene Verlust an Lern- und Lebenszeit werden in der neuen Oberstufe reduziert. Eine Schulstufe wiederholen müssen nur Schüler, die mehr als zwei "Nicht genügend" beziehungsweise Nichtbeurteilungen in den Semesterzeugnissen des Schuljahres aufweisen. Einmal im Verlauf der Oberstufe ist ein Aufsteigen mit drei "Nicht genügend" oder Nichtbeurteilungen in die nächste Schulstufe möglich, sofern die Klassenkonferenz das beschließt.

Kann ein „Genügend“ bekämpfen werden?

Ein „Nicht genügend“ kann bekämpft werden, wenn der Schüler dadurch nicht zum Aufsteigen in die nächste Klasse berechtigt ist. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch, dass, wenn ein Schüler trotz eines „Nicht genügend“ in die nächste Schulstufe aufsteigen darf, die Note nicht mit Widerspruch bekämpft werden kann. Aus diesem Grund können auch andere Noten nicht mit Widerspruch bekämpft werden.

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ungerechte Benotung

Fühlt sich ein Schüler dennoch vom Lehrer ungerecht benotet, besteht die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Dabei wird geprüft, ob der Lehrer eine Dienstpflichtverletzung begangen hat. Wenn sich ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, etwa wegen einer willkürlichen Benotung, feststellen lässt, wird in weiterer Folge gegen den Lehrer eine Disziplinaranzeige erstattet. Die weitere Ahndung obliegt der Disziplinarkommission. Für grobe Verstöße von vertraglichen Lehrkräften kommt als Sanktion eine Abmahnung, eine Kündigung oder gar Entlassung in Betracht.

Doch die Dienstaufsichtsbeschwerde ist ein heikles juristisches Mittel und ein zweischneidiges Schwert. „Dadurch besteht die Gefahr die Kluft zwischen Schüler und Lehrer zu vergrößern, anstatt sie zu schließen“, so der St. Pöltner Anwalt Függer. Der D.A.S. Partneranwalt empfiehlt deshalb die sogenannte alternative Streitbeilegung, bei der es zu einer Aussprache mit dem betreffenden Lehrer mit dem Schüler kommt.

Weitere Informationen zu dem Thema erhalten Sie unter:

Rechtsanwalt
Dr. Christian Függer
Verteidiger in Strafsachen
Josefstraße 1
3100 St. Pölten
Tel.: 02742/73 2 46
E-Mail: law-office-fuegger@aon.at

Über die D.A.S. Rechtsschutz AG:
Seit 1956 ist die D.A.S. Rechtsschutz AG mit Spezialisierung auf Rechtsschutzlösungen für Privatpersonen und Unternehmen in Österreich tätig. Als unabhängiger Rechtsdienstleister bietet sie umfassenden Versicherungsschutz, fachliche Betreuung durch hochqualifizierte juristische Mitarbeiter und beispielgebende RechtsService-Leistungen wie die D.A.S. Direkthilfe® und D.A.S. Rechtsberatung an. Der Firmensitz des Unternehmens befindet sich in Wien. Die rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen Kunden in ganz Österreich in regionalen D.A.S. Standorten mit juristischer Kompetenz zur Verfügung. Die D.A.S. Rechtsschutz AG agiert als Muttergesellschaft der D.A.S. Tschechien (seit 2014). In den vergangenen Jahren hat die D.A.S. Österreich ihre starke Marktposition als Rechtsschutzspezialist gefestigt.

Seit 1928 steht die D.A.S., das Original für Rechtsschutz, für Kompetenz und Leistungsstärke im Rechtsschutz. Heute agieren D.A.S. Gesellschaften in knapp 20 Ländern weltweit. Sie sind die Spezialisten für Rechtsschutz der ERGO Group AG, einer der großen Versicherungsgruppen in Deutschland und Europa.

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