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Bauwirtschaft: Nachhaltigkeit hat höchste Priorität

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Christoph Weber, Head of Organization & Operations bei der Managementberatung Horváth in Österreich
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Pandemie, Lieferengpässe und Ukraine-Krieg konnten der Bauwirtschaft wenig anhaben. Doch die steigenden Kosten, Zinserhöhungen und regulatorische Einschränkungen werden den Markt abkühlen. Nachhaltigkeit hat in dem Sektor dennoch Top-Priorität, betont Christoph Weber von der Managementberatung Horváth.

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Es ist noch gar nicht so lange her, da schien für der Baustoffindustrie alles eitel Wonne zu sein: Es gab ein epochales Wirtschaftswachstum, eine boomende Nachfrage und weltweit einen unglaublichen Investitionshunger.

Auch die Corona-Pandemie brachte der Branche nur vorübergehende Unsicherheit - so wie auch die Havarie des Containerschiffs „Ever Given“ im Suezkanal. Die echten Probleme begannen erst mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Plötzlich war alles anders. Gravierende Rohstoffengpässe, fehlende Bauteile, keine Komponenten mehr für die Produktion, das Ende der offenen Grenzen für Logistiker, explodierende Energie- und Materialpreise, zu allem Überfluss auch noch fehlende Arbeitskräfte im Transportsektor. Die Baubranche in Alarmstimmung. Wer kommt für die höheren Kosten auf? Wie umgehen mit Fixpreisverträgen? Ist die globalisierte und arbeitsteilige Welt am Ende? Die Baustoffindustrie an ihren Grenzen?

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© Managementberatung Horváth

Nachhaltigkeit als höchste Priorität

Eine aktuelle Branchenbefragung der Managementberatung Horváth gibt Entwarnung. Nicht die unterbrochenen Lieferketten, sondern die nachhaltige Geschäftsausrichtung hat für die Bauwirtschaft aktuell höchste strategische Priorität. Zwei von drei Industrieunternehmen in diesem Sektor halten ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept für „sehr wichtig“, nahezu 100 Prozent für „wichtig“. Branchenübergreifend landet das Thema erst an dritter Stelle.

Zentrale Nachhaltigkeitsthemen sind die Produktion und der Bezug nachhaltiger Baustoffe sowie verstärktes Augenmerk auf Kreislaufwirtschaft. Widersprüchlich ist allerdings, dass die Bauunternehmen in der Bearbeitung ihres Topthemas nicht vorankommen, weil im Geschäftsalltag Probleme wie Rohstoffengpässe, Preiserhöhungen oder Fachkräftemangel dringender zu lösen sind. Für das Gesamtjahr wird dennoch ein Umsatzwachstum von über sechs Prozent erwartet, für 2023 immerhin noch vier Prozent.

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© Managementberatung Horvàth

Krisenfolgen trüben Aussichten ein

Vor allem die Folgen des Ukraine-Kriegs treiben die Preise von Baumaterialien. 61% der befragten Unternehmen machen die gestiegenen Baupreise zu einem „sehr hohen Anteil“ verantwortlich für die Krisenstimmung in der Branche. Weitere 22% sprechen von einem „hohen“ Einfluss. Es mangelt an vielen Materialien wie Stahl und Bitumen, größere Projekte wie Brücken und Autobahnen geraten ins Stocken. Die Nachfrage kann nicht mehr befriedigt werden, neue Aufträge bleiben aus.

Das statistische Bundesamt in Wiesbaden vermeldete für Deutschland einen Auftragsrückgang um real 16,4 Prozent allein im April 2022 – das ist der größte Einbruch seit 2012. Für das Gesamtjahr prognostiziert die Branche trotzdem noch ein Umsatzplus von 6,8 Prozent im Vergleich zu 2021. Mit einer Entspannung der Lieferengpässe wird vorerst zwar nicht gerechnet, aber auch für 2023 wird eine vierprozentige Umsatzsteigerung erwartet. Damit liegt die Bauwirtschaft unter dem Branchendurchschnitt (2022: 8,1 %, 2023: 6,6 %), aber deutlich über den Erwartungen der Wirtschaftspessimisten.

„Green Transformation“ stockt

Gefragt nach den Themen, die das Management ganz aktuell mit Hochdruck bearbeitet, nennen die Befragten wenig überraschend an erster Stelle die Bewältigung der Preissteigerungen, gefolgt von der Rekrutierung dringend benötigter Fachkräfte sowie einer resilienteren Aufstellung der Lieferketten. Strategien zum Bezug nachhaltiger Materialien landen erst an vierter Stelle. Nur 37 Prozent der Befragten räumen diesem Thema gerade jetzt sehr hohe Relevanz ein.

Auch die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft und die Optimierung der Energieeffizienz sind aktuell eher nachrangig. Dabei haben einige Bauunternehmen gar keine so schlechte Ausgangsposition. So setzt bereits jedes dritte Bauunternehmen entsprechende Maßnahmen um. Allerdings haben 44 Prozent noch gar kein Zielbild zur Green Transformation definiert.

Neben Nachhaltigkeitsthemen gerät auch die Digitalisierung in den Schatten der krisenbedingten Herausforderungen. Im Ranking der Prioritäten hat die Gebäudeautomation stark verloren, etwa zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch das Thema „Cloudbasierte Prozesse für Bauprojekte“ hat an Bedeutung verloren, Business Information Modelling (BIM) schafft es in diesem Jahr nur noch auf Platz 8 der Faktoren mit großem Einfluss auf die Branche. Doch Digitalisierung und Nachhaltigkeit treiben sich wechselseitig und bleiben daher eine Top-Priorität.

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© Managementberatung Horváth

Fazit: Das Thema Nachhaltigkeit (Green Transformation) ist im strategischen Fokus der Baubranche angekommen, doch krisensichere Bezugsquellen für Baustoffe und Energie und die Bewältigung des Fachkräftemangels sind das Gebot der Stunde. Das Wirtschaftswachstum wird sich durch die steigenden Kosten und erwarteten Zinserhöhungen abschwächen, aber bei weitem nicht zum Erliegen kommen. Dafür sorgen robuste Aufträge aus Industrie und Politik.

Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Managementberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".

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