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Gesundheitsunternehmer Hadschieff im Porträt

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8 min

Dank Übernahmen und Netzwerken hat es Gesundheitsunternehmer Julian Hadschieff zum Marktführer bei der Rekrutierung von Pflegekräften und der 24-Stunden-Betreuung gebracht.

©picturedesk.com/kurier/Jürg Christandl
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Er holt Pflegerinnen und OP-Assistenten aus Kolumbien und von den Philippinen und hat die Humanocare zum größten Anbieter von 24-Stunden-Betreuung im deutschsprachigen Raum gemacht. Jetzt eröffnet Gesundheitsunternehmer Julian Hadschieff auch noch eine Event- und Businesslocation in Tirol.

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Linz, Salzburg, Güssing, Gmünd, Waidhofen an der Thaya, Wien-Favoriten und -Ottakring – die Liste der Krankenhäuser, die ganze Stationen aufgrund von fehlendem Pflegepersonal schließen mussten oder denen eine Schließung droht, ließe sich noch fortsetzen. Und das könnte erst der Anfang sein: Bis 2030 fehlen in Österreich rund 75.000 Pflegekräfte, hat das Wifo errechnet.

Ein Teil der Lösung ist vor wenigen Tagen in Wien-Schwechat gelandet: eine Gruppe von kolumbianischen Pflegefachkräften. Ins Land geholt hat sie Talent & Care. Der Spezialist für das Recruitment von Gesundheitspersonal gehört zur Humanocare-Gruppe des Gesundheitsunternehmers Julian Hadschieff. 450 ausländische Pflegekräfte, vor allem aus Kolumbien und von den Philippinen, hat das Unternehmen vergangenes Jahr nach Österreich geholt und an Spitäler vermittelt, für heuer ist eine ähnliche Zahl angestrebt. Für Hadschieff ist eindeutig: „Ohne ausländische Fachkräfte können wir die Qualität unseres Gesundheitssystems nicht erhalten, jeder Anti-Ausländer-Kurs ist wohlstandsfeindlich.“

Doch auch in einem anderen Segment dreht der 66-Jährige ein großes Rad: Nach der Übernahme eines deutschen Mitbewerbers ist Humanocare heute der größte Anbieter von 24-Stunden-Betreuung im deutschsprachigen Raum. „Wir betreuen jetzt über 4.000 Klient:innen“, sagt Hadschieff.

Eigene IT-Firma

Das ist leichter gesagt als getan. Betreuung und Pflege sind ein People-Business, bei dem es um individuelle Bedürfnisse geht und Automatisierung Wunschdenken ist. „Am Ende zählt nur die Qualität, und die liefern wir“, sagt Hadschieff. Im kleinteiligen Betreuungsbusiness geht das vor allem über lokale Partner und Franchisenehmer, die Humanocare mit Management- und Abrechnungs-Know-how unterstützt. Um die Qualität der Abläufe zu verbessern, hat Hadschieff erst kürzlich eine IT-Firma übernommen, die jetzt gezielt eine spezielle Software für Betreuungs-Agenturen entwickelt.

Aber wie lässt sich Qualität bei OP- und Röntgen-Assistent:innen aus Südamerika sicherstellen? „Um in Kolumbien diplomierte Pflegefachkraft zu sein, muss man acht Semester studieren“, betont Hadschieff, „auch im Vergleich mit Österreich ist die Ausbildung dort exzellent.“ Und das Thema der notwendigen Deutschkenntnisse löst Humanocare mit einer eigenen Sprachschule in Kolumbien mit aktuell 800 Studierenden, die über eine spanische Tochterfirma betrieben wird.

Aber dann ist da immer noch die Hürde der Anerkennung der ausländischen Abschlüsse und die Erteilung von Arbeitserlaubnissen – schließlich will Österreich es Ausländern nicht zu leicht machen, auch wenn sie dringend benötigt werden. Vor allem die Nostrifizierung sei ein Flaschenhals, heißt es in der Branche. „Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte funktioniert es gut“, sagt Hadschieff, „und bei der Nostrifizierung gibt es eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern, etwa der FH Kärnten.“

Partner, Netzwerke, Kooperationen – die Beispiele illustrieren das Erfolgskonzept von Hadschieff. Mehr als zwei Jahrzehnte fungierte er als Obmann des Fachverbands der Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer, er ist Präsident des Behindertensportverbandes, sitzt im Rat der Medizinischen Universität Innsbruck und ist Präsident des „Clubs Tirols“, was informell für jeden „Auslands-Tiroler“ die höchste Karrierestufe darstellt.

Dazu kommt die Bereitschaft, im vielfach regulierten Gesundheitsbereich dicke Bretter zu bohren und die Extrameile zu gehen. Die Zahlen geben ihm Recht: Nur zwei Prozent der kolumbianischen Fachkräfte kehren Österreich nach kurzer Zeit wieder den Rücken, eine minimale „Ausfallquote“. „Es gibt einen ‚Culture Fit‘, Kolumbien hat eine junge Bevölkerung und bietet wenige Arbeitsplätze“, so Hadschieff. Wichtiger Zusatz: Das Land steht nicht auf der roten Liste der Weltgesundheitsorganisation WHO, auf der diejenigen Länder aufgeführt sind, aus denen kein Gesundheitspersonal abgeworben werden darf, weil es dort selber fehlt.

Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor: Der Tiroler ist ein alter Hase in der Branche. Nach dem Studium der Wirtschaft in Innsbruck und Public Health in Harvard managte er für das Land Tirol die Ausgliederung der Tirol Kliniken, baute dann die PremiQamed mit Unterstützung der Uniqa zum größten privaten Spitalsbetreiber aus und pusht jetzt seine eigene Humanocare-Gruppe. Deren Basis ist das Betreiben und Managen eigener und fremder Pflegeheime und Rehazentren.

Handicap Augen

Und noch eine Besonderheit: Auf dem Schreibtisch von Hadschieff in seinem Wiener Büro liegt kein einziges Blatt Papier. Der Grund dafür ist nicht, dass hier jemand tatsächlich das papierlose Büro verwirklicht hat. Die Erklärung ist, dass Hadschieff nichts lesen kann, er ist annähernd blind. Seit seiner Jugend leidet er an einer unheilbaren Augenkrankheit, die sich sukzessive verschlechtert. „Zum Glück haben sich parallel zur Verringerung meiner Sehkraft technische Devices entwickelt, die es mir möglich machen, in dieser Form zu arbeiten“, sagt Hadschieff.

Schriftliche Unterlagen werden in Sprache umgewandelt, die er sich in zwei- bis dreifacher Normalgeschwindigkeit anhört; umgekehrt diktiert er seine Kommentare, die dann automatisiert verschriftlicht werden. Ein persönlicher, menschlicher Assistent chauffiert ihn, richtet Telefon- und Videokonferenzen ein und setzt ihn vor den richtigen Bildschirm. Und weil der Unternehmer nichts nachschlagen kann, hat er ein phänomenales Zahlengedächtnis entwickelt – alles ziemlich mühsam. Aber das eigene Handicap zu überwinden, auch das ist Teil der Extrameile.

Neues Geschäftsfeld

Hadschieffs jüngstes Projekt ist die Übernahme eines leer stehenden Hotels in Steinberg am Rofan in der Region Achensee. Nach einer behutsamen Renovierung ist dort eine Business- und Event-Location mit 25 Doppelzimmern und Suiten entstanden, die vor wenigen Tagen eröffnet wurde. „Das ‚Steinberg‘ eignet sich ideal für kleinere, geschlossene Gruppen wie Hochzeiten oder Familienfeiern“, wirbt Hadschieff, „bei internen Workshops und Seminaren dort haben wir selbst den teamfördernden und inspirierenden Kaminabend-Effekt gespürt, wenn man wirklich ungezwungen reden kann.“

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