
Verkehrsbüro-CEO Martin Winkler
©Trend/Lukas IlgnerNach schwierigen Coronajahren will das Verkehrsbüro neu durchstarten. CEO Martin Winkler zieht dafür einen Schlussstrich unter die Hotelmarke Austria Trend und will nach Deutschland expandieren.
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Es ist nur eines der vielen liebevoll restaurierten Details, aber für die vornehmlich internationalen Gäste ein echter Blickfang: das historische Schlüsselbrett an der Rezeption des Boutiquehotels Astoria an der Kärntner Straße. Martin Winkler zeigt auf die Dutzenden Schlüssel, die dort baumeln und an vergangene Zeiten erinnern. Vor 113 Jahren eröffnet, wurde das „Juwel der Wiener Gründerzeit“ zuletzt einer aufwendigen Renovierung unterzogen, die die historischen Elemente mit modernem Komfort verbindet.
Im Hotelportfolio des Verkehrsbüros – Österreichs größten und seit Ende 2017 vom heute 43-jährigen Winkler geleiteten Tourismuskonzerns – ist das Astoria das mit Abstand berühmteste Haus – und jenes, das als nächstes im Rahmen der neuen Strategie ein Stück seiner Eigenständigkeit aufgibt: Ab Mai schlüpft das Hotel, in dem schon Orson Welles mit seiner Crew von „Der dritte Mann“ übernachtete, unter das Franchise-Dach der US-Hotelkette Hilton und wird Teil der „Curio Collection“.
Das Verkehrsbüro betreibt heute noch 21 Stadthotels in Österreich und Slowenien, die sehr unterschiedlich sind. Einige hielten wie das Astoria an ihren eingeführten Namen fest, der Großteil aber wurde unter „Austria Trend“ vermarktet. In der Kommunikation war das ein Drahtseilakt, sagt auch Winkler: „Unsere Hotels sind sehr heterogen, was eine einheitliche Ansprache erschwert hat. Die große Herausforderung war immer die Frage: Wofür steht eigentlich Austria Trend?“
Neuerfindung
Die Frage dürfte sich schon bald erübrigt haben. Denn das breit aufgestellte Verkehrsbüro, das in den zwei Bereichen „Hospitality“ (21 Hotels, ein Hostel, zwei Campingplätze, drei Eventlocations) und „Travel“ (u. a. Ruefa, Eurotours) tätig ist, erfindet sich gerade im Hotelbereich neu. Und dazu gehört – neben Wachstumsplänen für Österreich und Deutschland – auch der Abschied von der Marke Austria Trend. Bis Ende 2027 soll diese komplett verschwinden. Sämtliche Hotels werden dann als Franchise geführt. Das Verkehrsbüro tritt bei diesem Modell weiterhin als Betreiber auf, die Marken und die Standards für die verschiedenen Standorte kommen aber von den beiden neuen Kooperationspartner Hilton und Accor aus Frankreich (u. a. Novotel).
„Unsere eigenen Marken aufzugeben, war keine leichte Entscheidung. Anderthalb Jahre lang haben wir Hotelkonzepte analysiert. Doch letztlich zählt in meiner Position, welcher Weg den größten wirtschaftlichen Erfolg verspricht. Und das ist das internationale Franchisekonzept“, sagt Winkler. Der davon vor allem deshalb überzeugt ist, weil die Städtetouristen immer internationaler werden und sich daher über globale Marken erfolgreicher ansprechen lassen als über eine lokale.
Riskante Strategie
In der Branche hat der Schritt für viel Aufmerksamkeit gesorgt. „Seine Identität und eine lang etablierte Marke aufzugeben, ist mutig, um den geänderten Marktbedürfnissen gerecht zu werden, jedoch notwendig“, sagt Brigitte Gruber, Managing Partner Horwath HTL. Schon seit einiger Zeit lasse sich der Trend beobachten, dass sogenannte White-Label-Operator-Lösungen an Bedeutung gewinnen und internationale Marken am Vormarsch sind. Diese Modelle böten für die Betreiber mehrere Vorteile: Man könne die Marke wählen, die für das jeweilige Hotel am besten geeignet sei und daher die beste Rendite biete. Und die Kundenbindungsprogramme von Hilton, Accor, Marriott & Co. würden viel Geschäft generieren und gleichzeitig das Buchungsaufkommen über die immer stärker werdenden Onlineplattformen reduzieren.
Doch ganz ohne Risiko ist die neue Strategie auch nicht: „Ein Problem ist, dass manche internationale Hotelketten heute so viele Marken haben, dass man den Überblick verliert. Ohne das Hilton-Logo wüsste man oft nicht, was sich dahinter verbirgt“, sagt Stefan Nungesser, Professor an der FH Kärnten. Und die Hotelexpertin Gruber ergänzt: „Um den Standards einer internationalen Marke gerecht zu werden, sind oft Investitionen notwendig, um dem Brand zu entsprechen. Das vom Verkehrsbüro betriebene Hotel Europa in Wien wird jetzt massiv umgebaut, um dem Konzept von ‚Tribe‘ (Accor) gerecht zu werden.“
Suche nach dem großen Deal
Der Strategiewechsel des Verkehrsbüros fällt in eine Zeit der größeren Zuversicht. Von der Coronakrise schwer gebeutelt, hat sich die wirtschaftliche Situation der Gruppe mittlerweile verbessert. 2024 konnte ein leichtes Umsatzplus auf 530 Millionen Euro erzielt werden. „Das Ergebnis zeigt einen positiven Trend, dennoch ist der Kostendruck weiterhin enorm. Trotz Aufwärtsentwicklung bei den Gästezahlen bleiben die Rahmenbedingungen im Tourismus herausfordernd“, sagt der CEO.
Doch Winkler sieht auch neue Chancen für das Verkehrsbüro und plant, über das Franchisemodell ins Ausland zu expandieren. Der deutsche Markt reizt ihn schon seit längerer Zeit, aber die Coronakrise machte einen Strich durch seine Pläne, mit der jungen, mittlerweile aussortierten Hotelmarke Bassena ins Nachbarland zu gehen. Nun will er den Markteintritt erneut in Angriff nehmen und hält Ausschau „nach kleineren Hotelportfolios mit acht bis zehn Standorten, insbesondere in Süddeutschland“, um sie als Betreiber zu übernehmen. „Ich bin zuversichtlich, dass uns in den nächsten 24 Monaten ein großer Deal gelingen kann“, sagt er.
Dividenden-Perspektive
Deals noch ganz anderer Art will man künftig in Österreich angehen. „Wir wollen sowohl in der Hotellerie als auch im Bereich ,Travel‘ mit Ruefa und Eurotours deutlich wachsen. In der Hotellerie setzen wir verstärkt auf Immobilieneigentum – das macht uns unabhängiger und schafft gleichzeitig Wertzuwachs“, verrät Alexander Wolfgring, Aufsichtsratsvorsitzender des Verkehrsbüros und Vorstand der geschichtssträchtigen AVZ Privatstiftung. Diese hält am Verkehrsbüro seit vielen Jahren eine Mehrheitsbeteiligung.
Bis vom einst zuverlässigen Dividendenzahler aber wieder Gelder an die Eigentümer fließen werden, dauert es noch. „Wir planen, ab 2028 wieder Dividenden auszuschütten“, sagt Winkler. Das wird auch die Wiener Städtische goutieren, der zweite starke Eigentümer von Österreichs größtem Touristikkonzern.