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Wie österreichische Unternehmen von Amazon profitieren

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Der Vorarlberger Martin Luger. Statt seinen wohlverdienten Ruhestand in den Bergen zu genießen, verkauft er erfolgreich Merino-Funktionsunterwäsche in ganz Europa.

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Tausende österreichische KMU verkaufen ihre Produkte via Amazon in die ganze Welt. Das Exportvolumen liegt bei über 600 Millionen Euro. Nach dem soeben veröffentlichten E-Commerce Report vom Handelsverband und ECDB ist der Online-Riese unangefochtener Marktführer in Österreich.

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Gewerbescheine, Produktests und Lieferketten – wenige Monate vor der Pensionierung beschäftigen sich die wenigstens Pensionsanwärter:innen mit solchen Details des Unternehmertums.

Ganz anders Martin Luger aus Dornbirn. Der heute 71-jährige Textilexperte hat sechs Monate vor seiner Pension das Unternehmen Merino & More gegründet. Zuvor war Luger jahrzehntelang als Verkaufsleiter für technische Garne beim Vorarlberger Textilunternehmen Schoeller tätig und verkaufte Garne an internationale Kunden wie an die Outdoor-Bekleidungsmarke Patagonia. Inspiriert von der „wunderbaren Funktion“ von Merinowolle entschied sich der Bergsportler und Fast-Pensionär Luger statt für den Berg für den Sprung in die Selbstständigkeit.

Zum Start ließ der spätberufene Unternehmer 1.000 Kurzarm-Funktionsshirts in Polen mit eigens entwickeltem Garn von Schoeller produzieren und registrierte sich auf Anraten von Freunden beim Onlineversandhändler Amazon. „Am Anfang habe ich nichts verkauft, aber dann ging die Post ab“, so Luger über die Anfangsschwierigkeiten. Im ersten Geschäftsjahr 2017 setzte er 16.000 Euro um, fünf Jahre später waren es bereits über 500.000 Euro. Den Großteil seines Umsatzes generiert er seit der Gründung über Amazon.

Wie Luger aus Vorarlberg bieten über 2.500 österreichische Klein- und Mittelbetriebe ihre Produkte auf Amazon an. Die Marktdominanz von Amazon geht auf Kosten des stationären Einzelhandels - der Umsatz des Internethandels wird für das Jahr 2024 vom Handelsverband auf 10,5 Milliarden Euro geschätzt, 40 Prozent aller Online-Käufe entfallen auf Amazon. Gleichzeitig bietet der Onlineriese eine Möglichkeit für KMU, ihre Produkte zu vertreiben. Von Badebomben bis Nahrungsergänzungsmitteln reicht das Angebot der heimischen KMU auf Amazon. Im Jahr 2023 wurden von ihnen 20 Millionen Produkte via Amazon mit einem Exportvolumen von über 610 Millionen Euro verkauft – Tendenz jährlich steigend. Die Produkte österreichischer KMU sind in Japan, in die USA und in der gesamten EU beliebt.

Das ist nicht nur für die Unternehmen, sondern vor allem für den Onlineriesen eine Erfolgsgeschichte. Anfang der 2000er-Jahre hat Amazon die Website für Dritthändler geöffnet. In einem internen Meeting soll der Amazon-CEO für den Einzelhandel, Doug Herrington, diesen Schritt als beste Entscheidung des Unternehmens hervorgehoben haben, erzählt Markus Schöberl, der Chef vom Amazon Marketplace für Österreich. „Unsere Kunden kaufen sehr gerne bei KMU ein. Mehr als 60 Prozent des Handelsumsatzes auf Amazon kommt von diesen Verkaufspartnern “, erzählt Schöberl.

Sprungbrett

Kleinunternehmer:innen profitieren von dem vergleichsweise leichten Zugang zu internationalen Kund:innen und vom geringen Startkapital, das man für den Markteintritt bei Amazon braucht. Um Produkte auf Amazon anbieten zu können, müssen die Unternehmen 39 Euro pro Monat zahlen, einige Klicks tätigen, Fotos hochstellen, und schon können sie potenziell 300 Millionen Kund:innen auf der ganzen Welt erreichen.

Ein Markteintritt, der im Einzelhandel in demselben Ausmaß nicht möglich ist: „Ohne Amazon hätte ich das Unternehmen niemals aufbauen können. Bis mir die Händler etwas abgekauft hätten, hätte ich wieder zumachen müssen“, so Luger, der außer einer geringfügigen Angestellten sein Unternehmen allein managt.

Deutschland ist der wichtigste Markt für Lugers Merino-Wäsche. Deshalb hatte er zwischenzeitlich auch die Überlegung, einen Vertreter im Nachbarland zu engagieren. Doch „ein guter Verkäufer samt Dienstauto kostet 100.000 Euro im Jahr“, das zahle sich nicht aus, meint Luger. Denn über Amazon floriert das Unternehmen auch so. Für 2025 erwartet er einen Umsatzrekord von 550.000 Euro. An Amazon muss er davon Gebühren von 15 Prozent abgeben. Deutlich teurer sind jedoch die Werbekosten, die KMU an Amazon zahlen. Durch die Werbung werden ihre Produkte am Marktplatz vorgereiht und damit von möglichst vielen Kund:innen gesehen.

It's the marketing, stupid

Wie auch Luger zahlte Horst Burgstaller, Geschäftsführer der Kärntner Elias Heiztechnik, anfänglich hohe Summen an Amazon, damit sein Produkt prominent gelistet wird. Dabei handelt es sich um eine in Kärnten produzierte kleine Infrarotheizung, die nach hinten und vorne wärmt und damit Schimmelbefall eff ektiv bekämpft. Im Vorjahr konnte Burgstaller mit „Schimmel Dry“ einen Umsatz von acht Millionen Euro erzielen.

70 Prozent seiner 200.000 verkauften Infra rotheizungen gingen via Amazon über den digitalen Ladentisch: „Viele glauben, sie stellen etwas auf Amazon, und es verkaufe sich von selber. Das ist aber nicht so.“ In bereits etablierten Märkten wie Ös terreich oder Deutschland gibt Burgstaller rund zwölf Prozent des jeweiligen Umsatzes für Amazon-Werbung aus.

Viel höher sind die Werbekosten bei Markteintritten in neue Länder. „Schimmel Dry“ wird in wenigen Wochen in den USA unter dem Namen „Mold Dry“ via Amazon zu kaufen sein. Für den USMarkt geht Burgstaller von Werbekosten in der Höhe von 100 bis 200 Prozent seines US-Umsatzes aus, bis organisches Wachstum erreicht wird: „Amazon macht das sehr schlau. Du musst es bewerben, damit du etwas verkaufst“, erklärt Burgstaller und fügt hinzu: „Es dauert bis zu neun Monate, bis man eine gewisse Sichtbarkeit auf Amazon erreicht. Aber wenn es rollt, dann geht es zügig dahin.“

Die Unternehmer Luger und Burgstaller sind klarerweise keine Freunde der hohen Werbekosten. Schöberl von Amazon lässt die Kritik nicht stehen: „Wenn ich mit einer Marke starte, ist es natürlich, dass ich Anfangsinvestitionen tätigen muss.“ Schöberl rät Unternehmen, nicht nur auf Werbung zu setzen, sondern auch auf Rabattaktionen, um neue Kund:innen zu begeistern. Die Amazon Prime Days seien etwa ein Weg für KMU, neuen Kund:innen zu erreichen. „Man muss sicherlich auf Amazon um Aufmerksamkeit kämpfen. Aber das ist auch außerhalb von Amazon so“, fügt Schöberl hinzu und verweist auf die ebenfalls hohen Werbekosten von Google oder Meta-Plattformen.

Überzeugend

Burgstaller beschäftigt mittlerweile 30 Mitarbeiter:innen, die im Schichtbetrieb die Infrarotheizungen bauen. Sein Umsatz ist in den vergangenen Jahren jeweils um rund 200 Prozent gestiegen. Die Produktion wird ständig ausgebaut, auch über eine zweite Produktionsstätte, die „selbstverständlich“ in Kärnten sein wird, denkt der Unternehmer konkret nach.

Anfangs hat Burgstaller das Produkt nicht auf Amazon angeboten, sondern erst im dritten Geschäftsjahr den Schritt gewagt: „Ich hatte zu Beginn keine Freude mit Amazon, aber der Umsatz hat das Gegenteil bewiesen“, resümiert er.

Von Anfang an auf diese Online-Verkaufsmöglichkeit gesetzt hat Christian Moll von Mausito. Der studierte Volkswirt, der vor seiner Selbstständigkeit in Barcelona als Unternehmensberater und im internationalen Vertrieb tätig war, hat gezielt ein Produkt gesucht, das er auf Amazon gut verkaufen kann. Durch seine damals noch kleinen Kinder kam der Wiener auf die Idee, Kindersonnenbrillen anzubieten. Diese werden in Taiwan hergestellt und über Amazon weltweit verkauft: „Nur in Österreich zu verheurige Jahre einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro erwartet.

Paket um Paket

Wie fast zwei Drittel der KMU, die über Amazon ihre Produkte verkaufen, nutzt Moll die Versand-Dienstleistung von Amazon. Seine Produktionsstätte in Taiwan schickt die Kinderbrillen direkt an unterschiedliche Verteilzentren in der ganzen Welt, und Amazon übernimmt zur Gänze den Versand. „Der Nachteil am Standort Österreich ist, dass der Versand im Vergleich zu Deutschland sehr teuer ist. Ohne Amazon würde sich das kaum auszahlen“, meint Moll, der aktuell mit seinen Sonnenbrillen vor allem am US-amerikanischen Markt punkten kann. Bei Amazon in Europa ist Mausito mittlerweile Marktführer.

Trotz des Amazons-Erfolges setzt Moll mit Mausito in der Zukunft stärker auf den eigenen Webshop und den Einzelhandel. Denn immer mehr Kund:innen wollen das Produkt bewusst nicht bei Amazon einkaufen, sondern den heimischen Einzelhandel unterstützen.

Eine stärkere Präsenz im Einzelhandel will auch Luger mit seiner Merino-Sportunterwäsche erreichen. Der Unternehmer findet seine Ware im stationären Sportfachhandel am besten aufgehoben und will – auch aufgrund rückläufiger Amazon-Verkaufszahlen – unabhängiger vom Onlineriesen werden. „Das ist zwar das Bohren dicker Bretter, weil viele Fachgeschäfte einem nicht mal zehn Minuten geben, um das Produkt vorzustellen. Aber da will ich hin“, zeigt sich der 71-Jährige fest entschlossen.

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