
Generative KI wird fleißig und routiniert eingesetzt. Den Produktivitätsmotor, den sich Firmen davon erhoffen, konnten viele noch nicht anwerfen.
Die unsichtbare Verstärkung im Büro ist nicht zu übersehen. ChatGPT und andere Programme werden mit voller Selbstverständlichkeit eingesetzt: für die Korrespondenz, für die kreative Ideensuche, für das Zusammenfassen langer Reports und für vieles mehr. Offenbar hat die Nutzung im Jahresvergleich massiv zugenommen, wie eine Umfrage unter heimischen Führungskräften nahelegt. In diesem „GenAI Impact Report“ gaben nur mehr 15 Prozent der Befragten an, solche Produkte „nie“ zu verwenden. Vor einem Jahr waren es noch 39 Prozent (weitere interessante Schlüsselzahlen siehe oben). Ein Drittel nutzt die generative KI demnach täglich, ist „zufrieden und optimistisch“ und rechnet sich Chancen für das eigene Geschäftsmodell aus.
FACTS
30 % nutzen ChatGPT & Co. einmal oder mehrfach pro Tag im Büro. Dieser Wert hat sich seit 2024 verdoppelt. Nur mehr 15 Prozent nutzen nie KI.
14 % sagen, dass sich ihr Arbeitsalltag durch KI „stark“ verändert hat, 53 Prozent geben „moderate“ Anpassungen an. Die Zufriedenheit mit der KI ist sehr hoch.
83 % nutzen ChatGPT, mit Abstand die am meisten verwendete KI. Gemini von Google kommt auf 43 Prozent. Luminous von Aleph Alpha auf sechs Prozent.
74 % lassen Texte schreiben oder analysieren. Jede:r Zweite nutzt KI als Ideengeber. 44 Prozent analysieren Daten oder erstellen Bilder und Grafiken.
Viel stärker als noch 2024 kommt der Wunsch nach einem produktiven Einsatz aus den Führungsetagen. Zwei Drittel der Befragten gaben an, „mehr Rückenwind“ aus der Chefetage zu bekommen. Tatsächlich gibt es auch viel mehr KI-Trainings für die Belegschaft, damit diese korrekt und sicher damit umgeht.
Im großen Stil realisiert werden diese Produktivitätspotenziale aber noch immer viel zu selten, wie Tom Strube, Head of Consulting bei adesso Austria, in der Praxis bei heimischen Unternehmen beobachtet. Der Experte beschreibt, was bei erfolgreichen Umsetzungen anders läuft: „Bevor die Wahl auf das Werkzeug fällt, wird erst der Geschäftsfall analysiert und nicht umgekehrt. Nicht immer ist die GenAI die Antwort, es können auch statistische Auswertungsmethoden sein, die einen Effizienzsprung bringen“ (siehe Interview).
Projektverantwortliche sollten sich von den schieren Möglichkeiten der generativen KI also nicht blenden lassen und zuerst eine Strategie erarbeiten und passende Geschäftsfälle im Haus identifizieren, wo der Einsatz wirklich Sinn macht. Auf diese konkreten Anwendungen hin werden dann die Ziele – technisch und organisatorisch – definiert. Sind dann noch die Daten strukturiert und sauber aufbereitet, steht echten Produktivitätssprüngen in der Praxis nicht mehr viel im Wege – eigentlich. Denn wie die Erfahrung lehrt, sind die Daten oft die größte Hürde. Nicht selten ist das KI-Werkzeug binnen kurzer Zeit scharf gemacht, das Herrichten der Datenbasis kann Wochen, oft sogar Monate in Anspruch nehmen. So schnell die KI rechnen kann – bei Projekten müssen Beteiligte viel an Geduld trainieren.
„Erst den Geschäftsfall suchen, dann das Werkzeug wählen“
Warum KI-Projekte boomen, aber nicht jedes Unternehmen den Sprung in die Praxis schafft, weiß Tom Strube von adesso Austria.


Tom Strube, Head of Consulting beim IT-Dienstleister adesso Austria
© Michael SazelTREND: Das laufende Jahr wird vielfach als entscheidend für die Umsetzung von KI-Projekten angesehen. Warum geht der Knopf bei vielen Entscheidern gerade jetzt auf?
Tom Strube: Im Topmanagement ist der Knopf schon früher aufgegangen. Nun beschäftigt sich auch der Mittelstand mit dem Thema, noch etwas zurückhaltender, aber klar erkennbar. Betrachtet man den Hype-Cycle, so sind wir von der Phase überzogener Erwartungen in jene übergegangen, in der nun eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet.
Vergangenes Jahr wurde viel experimentiert, dann aber wenig ausgerollt. Welche Parameter haben sich in den letzten zwölf Monaten geändert?
Die Einstiegshürden sind geringer, und die Ergebnisse sind besser geworden. Im letzten Jahr hat die Leistungsfähigkeit der Modelle unglaubliche Fortschritte gemacht, und die Entwicklungsgeschwindigkeit bleibt weiter extrem hoch. In diesem Jahr haben sich deutlich mehr Unternehmen dazu entschlossen, Proofs of Concept durchzuführen. Allerdings gelingt nicht allen der Übergang von der Forschungsphase in den operativen Betrieb.
Woran liegt das?
Als Head of Consulting eines großen IT-Dienstleisters haben Sie doch einen guten Einblick in Projekte. Bei erfolgreichen Projekten beobachte ich zwei Aspekte, die zum Gelingen beitragen: Das Thema ist im Topmanagement angesiedelt und die Teams gehen ergebnisoffen ins Projekt hinein. Zunächst wird der konkrete Geschäftsfall analysiert – erst danach fällt die Wahl auf das passende Werkzeug. Nicht immer ist die generative KI die Antwort, es können auch statistische Auswertungsmethoden sein, die einen Effizienzsprung bringen.
Was können Sie über häufige Fallstricke berichten? Sind die Hürden bei KI-Projekten denn andere als bei herkömmlichen IT-Projekten?
Extrem wichtig ist, dass das Setting zur Firmenkultur passt. Im öffentlichen Bereich etwa, in dem wir zahlreiche Kunden betreuen, kann nicht alles in die Cloud verlagert werden. Lokal betriebene Modelle sind oft aber nicht so leistungsfähig. Aber auch in anderen Branchen ist die Skepsis hoch, dass für Sicherheit und Datenschutz nicht ausreichend gesorgt ist. Die Anbieter von Sprachmodellen verfolgen sehr unterschiedliche Ansätze, um die Kontrolle über eigene Daten zu gewährleisten. Microsoft bietet viele Möglichkeiten dafür, OpenAI vergleichsweise wenige.
Sicherheitsthemen und digitale Souveränität werden heute höher gewichtet als früher: Welche europäischen Alternativen gibt es eigentlich?
Mit Mistral aus Frankreich oder Aleph Alpha aus Deutschland, mit denen wir intensiv zusammenarbeiten, gibt es leistungsfähige Mitbewerber. Es gibt auch europäische Cloud-Anbieter, vor allem in Schweden erstaunlich viele. Wir als adesso Austria arbeiten hier in Österreich viel mit Azure, OpenAI und Aleph Alpha.
Über KI-Agenten wird gerade viel berichtet, verknüpft mit großen Hoffnungen auf Produktivitätssprünge. Wie reif sind die KI-Agenten?
KI-Agenten sind das neue Buzzword für Prozessoptimierungen. Die Erwartungshaltung finde ich etwas überzogen. Mit RPA (Robotic Process Automation, Anm.) hat sich auch in der Vergangenheit schon sehr viel machen lassen. Wir denken auch, dass für komplexere und übergreifende Anwendungen Agenten der richtige Ansatz sind. Bei repetitiven Aufgaben kann es sinnvoller sein, auf RPA zu setzen. Offensichtlich ist allerdings, dass immer mehr Inhalte so aufbereitet werden, dass sie von Agenten bearbeitet werden können. Das Web entwickelt sich zunehmend zu einem Agentic Web.
Inhalte aufbereiten ist ein wichtiges Stichwort: ohne gute Datenbasis kein KI-Projekt, richtig?
Absolut. Der Lufthansa-Chef meinte einmal treffend: „Wenn Sie einen schlechten Prozess digitalisieren, haben Sie einen schlechten digitalen Prozess.“ Wir empfehlen Kunden, Projekte auf zwei Streams aufzusetzen und beides anzugehen: Unternehmensdaten und Data Lakes zu strukturieren, um einen Datenstream zu haben. Parallel wird der KI-Stream erarbeitet, also der konkrete Geschäftsfall, und das unter Berücksichtigung der eigenen Unternehmenskultur.
Zur Person.
Tom Strube ist Head of Consulting beim IT-Dienstleister adesso Austria und begleitet Kunden aus Wirtschaft und Verwaltung, u. a. AMA, WienIT oder das Land Steiermark, bei der Umsetzung von IT-Projekten, Datenanalysen und der Einführung generativer KI.