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Zeitbombe Schmid vor nächster Detonation [Politik Backstage]

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Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid am Donnerstag, 3. November 2022, anlässlich des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses im Camineum der Nationalbibliothek in Wien.
Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid am Donnerstag, 3. November 2022, anlässlich des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses im Camineum der Nationalbibliothek in Wien.©APA/Helmut Fohringer
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Auf den ersten Blick war die Aussage-Verweigerung von Thomas Schmid im U-Ausschuss für die ÖVP erleichternd. Mit dessen Verlängerung wird das Duell Schmid gegen Kurz nun aber für Monate prolongiert. Der Showdown in Türkis droht damit auch zum Mühlstein für die ÖVP-Schicksals-Wahl im Jänner in Niederösterreich zu werden.

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Es war ein trüber Wintertag Mitte Jänner 2021. Im Dachgeschoss eines Bürogebäudes in der Wiener Kolingasse empfängt Thomas Schmid zu einem Hintergrundgespräch unter vier Augen. In den hochmodernen Büroräumlichkeiten mit Blick über Wien residiert seit kurzem die ÖBAG.

Vor zwei Jahren ist er nach jahrelanger Fron als “Galeerensklave” (Schmid über Schmid) am Ziel angelangt. Als Chef der ÖBAG, das die milliardenschweren Staatsanteile an Börsen-Riesen von der OMV bis zum Verbund managt, hat der Tiroler endlich den Manager-Olymp erklommen.

Thomas Schmid muss nicht mehr mit dicken Akten und schweren Taschen erst hinter Schüssel, dann Grasser, später Gehrer, Spindelegger, Schelling, Löger und vielleicht bald dem nächsten Minister hinterherwieseln und sieben Tage die Woche rund um die Uhr zu Diensten sein. Jetzt hat ER von den CEOs und Spitzenpolitikern des Landes hofiert zu werden.

Schmids Pakt mit dem blauen Teufel

Dieser Traum platzte freilich rasch, wenn auch auf Raten: Mit dem Ibiza-Video war Türkis-Blau zweieinhalb Monate nach Amtsantritt als ÖBAG-Chef Geschichte. Thomas Schmid kommt nicht nur sein pflegeleichtes blaues Gegenüber im Regierungsviertel abhanden. Der Türkise ist vor allem mit Reinhard Teufel, dem FPÖ-intern einflussreichen Bürochef von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, auf Bussi-Bussi.

Schmid gerät durch die Ermittlungen der WKStA im Gefolge des Skandal-Videos auch selbst ins Ibiza-Visier der Staatsanwaltschaft.

Vor der hochnotpeinlichen Hausdurchsuchung beim ÖBAG-Chef im Herbst 2019 hat er sein Handy zwar, offenbar vorgewarnt, vorsorglich gelöscht. Schmid hat allerdings schlicht nicht gewusst, dass seine mehr als 300.000 Handy-Chats auch auf jener Festplatte als Backup gesichert waren, auf dem er nur seine Musik gespeichert glaubte.

Das später auch von Sebastian Kurz heiß begehrte “Kastl” war bei der Hausdurchsuchung von der WKStA auch einkassiert worden. Die bereits ausgewerteten Chats landeten stückweise im Strafakt und werden seither in immer neuen Skandal-Tranchen publik.

Thomas Schmid und sein Königsmacher Sebastian Kurz suchten dennoch weiter auf Business as usual zu machen. Der heutige 47jährige sitzt die immer schwereren Politik- und Mediengewitter mit dem Segen vom Ballhausplatz auf dem ÖBAG-Chefsessel beinahe zwei Jahre aus.

Türkise “Familie” hält Zeitbombe Schmid zwei Jahre weiter als ÖBAG-Chef

Das ist wirklich “Familie”: An der türkisen Spitze war offenbar ausgemacht, dass es gilt, den Co-Regisseur der türkisen Machtergreifung und vielfachen Geheimnisträger auf Biegen und Brechen zu halten und nicht ohne totale Not fallen zu lassen.

Schmid hielt sich auch seinerseits an das Gesetz der Omertà und verweigerte unerbittlich jeden Kommentar zu den Chats. Er meidet ab sofort jeden Auftritt vor Medien und Interviews. Denn er muss, wenn er etwa über die Zukunft der OMV reden wollte, damit rechnen, zu den dunklen Kapiteln seiner Vergangenheit gefragt zu werden.

Thomas Schmid bunkert sich ein halbes Jahr nach dem Aufstieg in den heiß ersehnten Manager-Himmel in der ÖBAG-Zentrale ein. Der langjährige Pressesprecher meidet auch jeden offiziellen Journalisten-Kontakt.

Für eine Porträt-Recherche, mit der die Zeitschrift DATUM (Ausgabe 2/2021) den Autor beauftragt, macht Schmid nach einer Woche Nachdenkpause eine Ausnahme. Bedingung: Kein Interview, keine Fotos, ein reines Hintergrundgespräch.

Zum Termin am späten Nachmittag eines Büro-Arbeitstags Mitte Jänner 2021 erscheint Schmid nicht gerade im typischen Top-Manager-Outfit: In weißen Sneakers, einer beigen Freizeithose und einem schwarzen Rollkragen-Pulli.

Der dritte harte Lockdown ist noch in frischer Erinnerung, die ersten Impfaktionen laufen an. Im Geschäftsleben sind weiterhin ausschließlich Videokonferenzen angesagt. “Dafür ist mein Outfit perfekt, im Bild ist ohnehin nur der Oberkörper”, feixt der vom ewigen Sekretär zum Top-Manager mutierte Türkise.

Im Small-Talk sucht Schmid noch einmal alle vorhandenen Register zu ziehen. Wenn Schmid selten einmal nicht an den Handy-Tasten beim Chatten ist, sagen auch langjährige Weggefährten, kann er auch seinen Charme spielen lassen. Einen, den in seiner Heimat Tirol vor allem Ski-Lehrer perfekt drauf haben.

Zur himmelschreiend peinlichen Chat-Causa und zur aktuellen Politik oder Justiz generell verweigert Schmid auch jeden Off-the-records-Kommentar. Zur Erhellung seiner Lebensgeschichte trägt er allerdings ausreichend bei. Er bestätigt nolens volens den Eindruck, den auch ein Dutzend Weggefährten im Laufe des Recherche im Vorfeld vermittelt haben. "Er ist der wendigste Politsekretär, den ich je kennengelernt habe", sagt ein langjähriger ÖVP-PR-Mann. Ein Spitzenmanager, der beruflich regelmäßig mit ihm zu tun hatte, resümiert: "Ich habe ihm die Härte, mit der er sich den ÖBAG-Job erkämpft hat, nicht zugetraut. Aber verlassen würde ich mich auf ihn nicht."

Warum Schmid kam, sah und schwieg

20 Monate danach marschiert Thomas Schmid diesen Donnerstag um 8 Uhr früh forschen Schritts durch den Kapellenhof der Wiener Hofburg Richtung U-Ausschuss-Lokal, dem Camineum der Nationalbibliothek.

Seinen Charme lässt er nur noch für Sekunden spielen. Er entschuldigt sich gleich mehrfach bei den U-Ausschuss-Mitgliedern dafür, dass er der rechtlich verbindlichen Vorladung, als Auskunftsperson in den ÖVP-Korruptions-Ausschuss kommen zu müssen, bisher nicht Folge geleistet habe.

Damit hat es sich auch schon mit dem Skilehrer-Gen. Die restlichen drei Stunden seines mit Hochspannung erwarteten Auftritts bietet Schmid ein lähmendes Katz- und Mausspiel. Er verweigert zu jeder Frage die Aussage - mit Hinweis auf seinen Beschuldigten-Status vor der WKStA und der Tatsache, dass die dortige Einvernahme noch nicht abgeschlossen ist. Selbst auf die schlichte, aber in diesem Kontext gefinkelte Frage von FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker, “Sind sie ÖVP-Mitglied”, beantwortet Schmid gebetsmühlenartig mit: “Ich verweigere die Aussage”

Schmid setzt auf bewährte Rezepte der Top-Anwaltskanzlei Soyer-Kier-Stuefer

Thomas Schmid wurde beim stundenlangen sturen Schweigen von seinem neuen Anwalt, Roland Kier, begleitet und moralisch unterstützt. Die Strategie, den beantragten Kronzeugen-Status vor der WKStA mit keinem einzigen inhaltlichen Wort vor dem U-Ausschuss zu gefährden, wurde im Rechtsanwaltsbüro Soyer-Kier-Stuefer ausgebrütet.

Der Senior-Partner der Kanzlei, Richard Soyer, ist einer der Top-Strafrechtler im Lande. Er hat einst jenen Mann, der wegen des spektakulären Diebstahls der Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum vor Gericht stand, vor einer langen Haftstrafe bewahrt.

In einer der vielen Affären im Gefolge der Ära Haider erwirkte Soyer mit einem Geständnis in einer 6-Millionen-Causa wegen Untreue ein mildes Urteil für den beteiligten Steuerberater. Jüngst handelte Soyer für einen Anwaltskollegen, der bei der Produktion des Ibiza-Videos eine Schlüsselrolle spielte und wegen Urkundenfälschung und Täuschung belangt worden war, eine Diversion und damit keinen nachhaltig schädlichen Eintrag im Strafregister aus.

Soyer-Partner Roland Kier ist der Notfall-Mediziner, der nun dabei ist, Schmid mit einer Kronzeugen-Regelung aus dem existienzbedrohenden Schlammassel zu helfen. Als Beamten drohen Schmid im Falle einer Untreue-Anklage nicht zehn, sondern bis zu fünfzehn Jahre Haft. Für den Kronzeugen-Status muss Schmid aber strafbare Fakten liefern, die für die WKStA ohne ihn nicht aktenkundig würden.

Kurz befeuert mit scharfen Geschützen Glaubwürdigkeits-Duell mit Schmid

Sebastian Kurz weiß, dass Schmids Aussagen vor der WKStA nun auch für ihn existenzbedrohend werden könnten. Zwei Tage vor Schmids U-Ausschuss-Auftritt wird das Duell der beiden türkisen Ex-Blutsbrüder durch Kurz so neu befeuert.

Der Ex-Kanzler proklamiert via Twitter wegen des Vorwurfs, er habe höchstpersönlich Schmid zur Inseraten-Korruption angestiftet: “Thomas Schmid versucht bei der WKStA durch die falsche Aussage, er hätte in meinem Auftrag gehandelt, den Kronzeugenstatus zu erlangen und straffrei zu kommen. Die Realität sagt das genaue Gegenteil, wie dieses Tonband jetzt beweist. Jeder kann sich selbst ein Bild machen.”

Der gefallene türkise Messias verlinkt seinen kämpferischen Tweet mit einer Krone-Online-Story: “Kurz/Schmid-Telefonat: Mitschnitt aufgetaucht.”

Warum Ex-Haider-Gefährte Petzner das (un)heimliche Kurz-Schmid-Tape online stellte

Den Mitschnitt hatte Stefan Petzner am Tag zuvor von sich aus online gestellt. Die ehemalige rechte Hand von Jörg Haider proklamierte: “Die Veröffentlichung des Tonbandes steht in keinerlei Zusammenhang mit Kurz, dessen Verteidigungsstrategie oder der ÖVP.”

Petzner legt zudem großen Wert auf die Feststellung: “Ich habe das Tape von einer Privatperson zugespielt bekommen und von keiner Ermittlungsbehörde, Staatsanwaltschaft, auch keinem Anwalt und schon gar nicht von Kurz selbst. Ich kann das im Fall des Falles auch belegen. Ich habe das Tape veröffentlicht, weil ich der Meinung bin, dass es jeder hören und sich selbst ein Bild machen können soll.”

Thomas Schmid wartet mit Gegenschlag zu, Mikl-Leitner in der Schmid-Kurz-Falle

Thomas Schmid lässt sich mit dem Gegenschlag auf Anraten seiner Anwälte Zeit. Fix ist seit seiner No-Comment-Orgie im U-Ausschuss, dass das für den 7. Dezember geplante Befragungsende im U-Ausschuss obsolet ist. Der ÖVP-Korruptions-Ausschuss geht als Bühne für einen nächstmöglichen öffentlichen Schlagabtausch in die Verlängerung.

Schmid wird nach seinen, zwischen 7. und 9. November geplanten, letzten Befragungstagen durch die WKStA noch einmal vor den U-Ausschuss geladen werden. Dann kann, aus Sicht der Parlamentarier, nicht nur seine Begründung für die jüngste Aussage-Verweigerung auch juristisch nicht mehr stechen. Dann werden auch die entsprechenden Beugestrafen für eine neuerliche Verweigerungs-Orgie empfindlich teurer.

Denn die Neos haben bereits signalisiert, ihren – nur noch schwer argumentierbaren – Widerstand gegen eine Verlängerung aufzugeben.

Die wenigste Freude mit den Folgen von Schmids spektakulärem Auftritt vor dem U-Ausschuss hat ab sofort die mächtigste Frau in der ÖVP. Johanna Mikl-Leitner hat just am Tag von Schmids vergeblichem Ausschuss-Grillen den Wahltermin in Niederösterreich mit dem 29. Jänner 2023 fixiert. Die bis dahin gesicherte Erwartung, der in der ÖVP verhasste U-Ausschuss sei dann längst Geschichte, ist seit gestern endgültig dahin.

In den kommenden Wochen ist nicht nur Licht ins Dunkel der bisher geschwärzten Aussage-Protokolle des ehemaligen ÖVP-Schattenfinanzministers zu erwarten. Die “Zeitbombe Schmid” (Trend 7/2021) könnte – dank des wohl bis weit ins kommende Jahr verlängerten ÖVP-Korruptions-Ausschusses - mitten im Niederösterreich-Wahlkampf für neue schwere Detonationen in der ÖVP sorgen.

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