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Außen-Wirtschaftsminister Schallenberg mit besonderer Mission [Politik Backstage]

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Außenminister Alexander Schallenberg in Seoul, Südkorea
Alexander Schallenberg in Seoul, Südkorea: Frönt seiner Neigung, klassische Diplomatie über den Tellerrand hinauszudenken.©APA/BMEIA/Michael Gruber
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Alexander Schallenberg hat ein Jahr nach seiner Demission als Kurzzeit- Kanzler seine Imagedelle ausgebügelt. Als Außenamtschef ist er in Krisenzeiten wie diesen auch in der Wirtschaft als Troubleshooter gefragt. Seine neue Mission: Kampf den Kassandras.

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Im Wiener Außenamt geben sich seit Monaten die Topmanager des Landes die Klinke in die Hand. Der brutale Überfall am 24. Februar von Wladimir Putin auf die Ukraine hat das heimische Außenamt zu einer wichtigen Drehscheibe für Unternehmensentscheidungen gemacht. Die Spitzenmanager von Energieriesen wie der OMV oder Geldhäusern wie Raiffeisen und Erste Bank suchen sich aus erster Hand über die Folgen des Russland-Krieges auf dem Laufenden zu halten.

Ohne großes Aufsehen hat sich Außenminister Alexander Schallenberg in der größten Polit- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg hinter den Kulissen auch für die Wirtschaft als Troubleshooter etabliert.

Bei öffentlichen Auftritten wie zuletzt im Herbst bei der UNO-Generalversammlung in New York nutzt der gelernte Diplomat immer wieder die Gelegenheit auch für ein leidenschaftliches Plädoyer: für die Verteidigung der in der UNO-Charta verankerten Werte der Weltgemeinschaft wie Freiheit und Menschenrechte und gegen eine schleichende Anerkennung "der Rechte des Dschungels anstelle des Rechtsstaats."

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Außenmminister Alexander Schallenberg bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York.

© APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER

Der Umgang mit der von Russland angezettelten Barbarei, proklamiert Schallenberg, wo immer er kann, "ist die größte Herausforderung unserer Generation". Auch gegen das weit verbreitete Narrativ, die aktuelle Teuerungskrise sei allein eine Folge der Sanktionen, macht er, wo immer es ihm geboten erscheint, ungewohnt undiplomatisch mobil: "Das ist einfach falsch!" Gab es im Sommer noch öffentliche Zurufe auch aus der eigenen Partei, die massiven Sanktionen gegen Russland zu überdenken, sind diese vor und hinter den Kulissen weitgehend verstummt.

Die permanente Pendeldiplomatie Schallenbergs zwischen der Welt des Außenamts und der Welt der Wirtschaft in Sachen Kriegsfolgen zeigte offenbar Wirkung. Der Außenminister, der mit Putin-Verstehern null am Hut hat, ist mehr denn je ein gern gesehener Gast in der Industriellenvereinigung und in der Wirtschaftskammer, wo die Russland-Appeasement-Anhänger bis vor Kurzem eine feste Heimat hatten.

"Ich war anfangs skeptisch, den Konflikt zu sehr zu überhöhen", resümierte Schallenberg jüngst in einer Diplomatenrunde, "aber unsere Reaktion und unser Umgang mit der russischen Aggression wird international genau beobachtet. Wenn wir damit nur beckmesserisch umgehen und nichts konkret liefern, dann verspielen wir jede Glaubwürdigkeit und machen uns zum Spielball."

Alexander Schallenberg, sagen teilnehmende Beobachter in- und außerhalb des Regierungsviertels, spielt in der wohl größten globalen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg jene Qualitäten aus, die ihm auch Kritiker attestieren. "Er ist ein erstklassiger Diplomat, weltoffen und hat das aufgrund seiner Biografie in den Genen", analysiert ein europäischer Spitzendiplomat: "Und er ist zudem ein Transatlantiker, was ihm beim Handling dieser Krise zusätzlich zugutekommt."

Noch vor einem Jahr geriet die bis dahin makellose Karriere von Alexander Schallenberg immer mehr auf eine unfallträchtige Rumpelpiste. Mit 11. Oktober 2021 plötzlich Kanzler, wirkte der bis dahin trittsichere Außenminister als Regierungschef bisweilen neben der Spur. Über den Diplomaten mit aristokratischen Wurzeln machten nicht nur in den sozialen Medien plötzlich Graf-Bobby-Witze die Runde. Mit seinem Hang zu lockeren Sprüchen stand er sich immer öfter selbst im Weg.

Sebastian Kurz hatte Schallenberg in den ersten Oktobertagen per nächtlichem Anruf als Ersatzspieler im Kanzleramt installiert. Dieser war damals noch in dem Glauben, er könne mit einem Schritt zur Seite - Rückzug als Kanzler, Verbleib als ÖVP-und Klubchef - noch seine Polit-Karriere retten.

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Angelobung von Alexander Schallenberg als Bundeskanzler durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 11. Oktober 2021.

© Bild: APA/GEORG HOCHMUTH

Mit Bekanntwerden der WKStA-Verdachtslage, Kurz sei persönlich in Inseraten-Korruption involviert, hatten die Grünen der ÖVP ein Ultimatum gestellt: Kanzler- oder Koalitionswechsel. Die ÖVP-Landeshauptleute entschieden sich für den Verbleib des Kanzlersessels in ÖVP-Hand. Kurz musste sich zähneknirschend fügen. Knapp zwei Monate später obsiegte die Einsicht, dass die Abseitsposition zum Dauerzustand werden könnte.

Kurz resignierte komplett. Für Schallenberg war das endlich die Gelegenheit, postwendend seinen Rücktritt zugunsten von Karl Nehammer anzubieten und vom Kanzler-Minenfeld ins vertraute Außenamt heimzukehren. Am Nikolaustag heute vor einem Jahr fühlte sich Alexander Schallenberg so besonders großzügige beschert. Der Kurzzeitregierungschef fand sich an diesem 6. Dezember mit besonders strahlender Miene und sichtbarer Erleichterung zur Amtsübergabe am Ballhausplatz ein.

Schallenberg, sagten Vertraute, fühlt sich einem Regierungskollegen aus dieser Zeit bis heute besonders verbunden. Es ist keiner aus dem eigenen Parteilager, sondern ausgerechnet jener Grüne, der bei vielen in der ÖVP nach wie vor scheel angesehen wird, weil er den Anstoß zum Sturz von Kurz gegeben hatte.

"Werner Kogler hat nicht die Gunst der Stunde genutzt, den Neuen im Kanzleramt von Anfang möglichst klein zu halten oder gar, wo immer es geht, ausrutschen zu lassen", sagt ein teilnehmender Beobachter, "er hat Schallenberg in seinen zwei Monaten als Kanzler mit durchgetragen." Der Grüne-Chef und der Chefdiplomat der Republik ziehen bei Bedarf bis heute hinter den türkisgrünen Kulissen an einem Strang.

Bei seinem Comeback als Außenminister Ende des Vorjahres hat er dort angeknüpft, wo er zuletzt neue Konturen gezeigt hat. Mit Abklingen der Corona-Krise hatte das Außenamt mit der Wirtschaftskammer und den Botschaften vor Ort das Programm "Refocus Austria" gestartet. Mit lokalen Events, aber auch mit Ministerreisen samt Wirtschaftsdelegationen sollte sich Österreich vor allem auf Hoffnungsmärkten wieder in Erinnerung rufen. Mit Kriegsausbruch in der Ukraine wurde kurz nach Jahresbeginn der Fokus um das Ziel erweitert, durch die Sanktionen weggebrochene Exportmärkte wie Russland und Belarus zu kompensieren.

Wirtschaftsmissionen nach Indien, Pakistan und Südkorea führte der Außenminister zuletzt selber ab. Die Kontakte in Japan suchten zeitgleich Finanzminister Magnus Brunner und Arbeitsminister Martin Kocher aufzufrischen.

Angesichts der nun multiplen Krisen - Pandemie-Frust, Weltkriegsangst und Preisexplosion - ist Schallenberg dabei, eine neue Mission zu entwickeln. Der Exkanzler, der keine Ambitionen für ein Dacapo zeigt, frönt dabei einmal mehr seiner Neigung, über den Tellerrand der klassischen Diplomatie hinauszudenken. Nach den unverbesserlichen Putin-Verstehern will Schallenberg nun die wachsende Zahl der Kassandras ins Visier nehmen.

Im trend-Gespräch skizziert Alexander Schallenberg, was ihn derzeit politisch besonders umtreibt: "Momentan ist meine Befürchtung: Wenn wir die ganze Zeit nur Untergangspropheten hören und ihnen Glauben schenken, dann wird das zur Self-fulfilling Prophecy. Die Corona-Krise hat gezeigt, wir sind stärker als wir glauben. Die Katastrophenszenarien wie ein völliger Wirtschaftseinbruch und Hunderttausende verlorene Arbeitsplätze sind alle nicht eingetreten." In Sachen Covid-Politik habe sich zudem gezeigt: "Wir sind als offene, pluralistische Gesellschaft auch besser durch die Coronapandemie gekommen als etwa China mit seiner restriktiven Null-Covid-Politik."

Der Außenminister zieht daraus auch für die wohl größte Krise, die Europa derzeit umtreibt, so seine Lehren: "Die Krise in Folge des russischen Angriffskrieges wird uns noch länger begleiten, aber wir sollten mehr Mut machen. Ja, es ist schwierig, aber wir sind stärker und resilienter, als wir uns zutrauen. Das schaffen wir, so wie wir auch die Pandemie geschafft haben", proklamiert Schallenberg im trend-Gespräch: "Wir Österreicher wollen auch beim Schwarzsehen gerne einen Stockerlplatz haben. Aber wenn wir zusammenstehen, sind wir eine Force formidable."

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