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Wer ist hier der Kickl-Macher? [Politik Backstage]

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FPÖ-Parteichef Herbert Kickl am 14. November bei der FPÖ-Pressekonferenz "Plenarvorschau und Aktuelle politische Themen" in Wien. Wird er bei den Wahlen 2024 die Nummer Eins?©APA/HELMUT FOHRINGER
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Weil die Aussicht auf eine Ampelmehrheit verblasst, geraten Rot und Grün sich intern immer mehr in die Haare. Die SPÖ trommelt: Wenn Kogler mit Nehammer weiterregiert, macht er Kickl zum Kanzler. Die Grünen kontern: Die rote Fundamentalopposition ist nur ein Turbo für Blauen.

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Bei der ersten Budgetrede von Magnus Brunner Mitte Oktober fehlte Herbert Kickl. Statt des Bihänders hatte die FPÖ diesmal nur das Florett anzubieten. Der auch als Finanzstaatsekretär in der Regierung Kurz-Strache unauffällig gebliebene blaue Budgetsprecher Hubert Fuchs lieferte eine Pflichtübung in Sachen Budgetkritik ab.

Mehr als ein Monat danach war der blaue Parteichef freilich wieder mehr denn je lautstark und gnadenlos präsent. Herbert Kickl zog in der finalen Debatte vor Verabschiedung des Staatshaushalts 2023 besonders zügellos vom Leder. "So mies und unehrlich wie bei diesem Budget ist es noch nie gewesen", polterte der blaue Klubchef und suchte, seine aktuellen Feindbilder Corona-Impfung, Russland-Sanktionen, Teuerung und Asyl auch in Sachen Budget polemisch ins Visier zu nehmen: "Pharmakonzerne, Waffenindustrie, Energiekonzerne und Schleppermafia machen die Geschäfte ihres Lebens, und Österreich schlittert auf Kosten der nächsten Generation immer mehr in die roten Zahlen."

Auch in den Stunden danach sorgte Kickl in den Couloirs der Hofburg weiter für Gesprächsstoff und Getuschel. Auslöser war freilich nicht seine jüngste Wutrede - Rundumschläge dieser Art werden inzwischen meist unter Business as usual abgelegt.

Medienrunde mit Kickl sorgt für Aufregung

Für nachhaltige Irritation nach Kickls jüngster Philippika gegen den Finanzminister sorgte vielmehr eine Szene, die in jedem anderen Fall unbeachtet geblieben wäre. Der blaue Vormann hielt nach seiner Rede in der kleinen Kantine hinter dem Plenarsaal Hof und stand einer Handvoll Journalisten in einem improvisierten Hintergrundgespräch gut gelaunt und selten geduldig Rede und Antwort.

Auch andere Mandatare oder Minister nutzen einen kurzen Abstecher in die Parlamentskantine als Kontaktbörse mit Medienvertretern. Den FPÖ-Chef hier gut eine Stunde in Plauderlaune zu erleben, war auch für die anwesenden Journalisten eine Premiere. Die Nachricht vom ungewöhnlichen Kickl-Auftritt machte im Parlament rasch die Runde - verbunden mit der Spekulation: Bringt sich hier jemand, dem einige Umfragen bereits Platz eins bescheinigen, rachelüstern wieder für höhere Weihen in Position?

Dass eine ungewohnte, aber unterm Strich harmlose Szene derart für Aufregung sorgt, ist für die generelle Stimmung im Hohen Haus durchaus symptomatisch. Auch wenn abseits der Landtagswahl in Niederösterreich Ende Jänner demnächst kein Urnengang ansteht: Nicht nur in den krisengeschüttelten Regierungsreihen, sondern auch bei den Oppositionsparteien herrscht hochgradige Nervosität und zunehmend gegenseitiges Misstrauen.

Angst und Hoffnung schweißen Nehammer und Kogler zusammen

In welche Fraktion man derzeit hineinhört, im Augenblick traut so gut wie keine Partei der anderen über den Weg. In der Regierung tun ÖVP und Grün zwar alles, um sich möglichst ohne neue schwere Schäden zum regulären Wahltermin im Herbst 2024 hinüberzuretten. Die Angst, vom Wähler bei vorzeitigen Neuwahlen massiv abgestraft zu werden, und die Hoffnung, die Stimmung könnte sich in den verbleibenden zwei Jahren doch noch bessern, schweißen Türkis-Schwarz und Grün weiter zusammen. Im alltäglichen Umgang regiert aber mehr denn je argwöhnisches Belauern.

In der ÖVP fühlt man sich für Politsitten an den Pranger gestellt, die in anderen Regierungskonstellationen gang und gäbe gewesen seien. Der kleinere Regierungspartner, wird ÖVP-intern massiv moniert, mache bei "der permanenten Hexenjagd auf uns" (so ein hochrangiger ÖVP-Politiker) vor allem im Untersuchungsausschuss ohne Rücksicht auf Verluste mit.

Der an mehreren Fronten laufende Versuch von Nehammer und Co., mit harter Asyl-Rhetorik nach Vorbild von Sebastian Kurz schwarz-blaue Wähler zu binden oder gar zurückzuholen, schlägt wiederum den Grünen zunehmend auf den Magen. "Sie müssen aufpassen, dass sie es bei uns nicht überreizen", sagt ein prominenter Grün-Abgeordneter und fragt vorläufig nur rhetorisch: "Oder wollen sie mit dem Thema in den Wahlkampf gehen?" Die Ökos machen zwar hohe Nervosität und neue Anzeichen von Überforderung im Kanzleramt aus, orten bei Nehammer und Co. aber nach wie vor keine Signale für einen baldigen Absprung aus der Regierung.

Rote drängen Grüne zum Regierungs-Absprung

Genau diesen versuchen dieser Tage SPÖ-Abgeordnete, immer mehr grünen Mandataren in konzertierten Kontakten hinter den Kulissen schmackhaft zu machen. Ihr zentrales Argument: Wenn eine derart unbeliebte Regierung mit Unterstützung der Grünen tatsächlich bis 2024 durchdient, werde die FPÖ nicht nur noch mehr Kurzwähler absahnen, sondern auch im Teich der Nichtwähler erfolgreich fischen und so 2024 erstmals als Nummer eins den Anspruch aufs Kanzleramt stellen können. Motto: besser ein Ende mit Schrecken als der dauerhafte Schrecken, von einem blauen Kanzler auf die Oppositionsbank verbannt zu werden. "Bei einigen Grünen beginnt diese Argumentation, erfolgreich einzusickern", resümieren Rote.

Eine Wahrnehmung, die zwar auch im grünen Lager Bestätigung findet, aber eine konzertierte Gegenpropaganda losgetreten hat: Eine Mehrheit für eine Ampelkoalition von Rot-Grün-Pink sei weder durch Umfragen noch innerhalb der SPÖ abgesichert. Zumal bei den Roten mehr denn je offen ist, wer am Ende dort wirklich das Sagen haben wird.

"Wir werden sicher nicht in die Falle gehen, die Koalition vorzeitig aufzukündigen, damit danach Rot und Schwarz wieder zusammenkommen können", sagt ein Grün-Abgeordneter, der eine Ampelkoalition in der Sekunde der ÖVP vorziehen würde, diese aber derzeit nicht für realistisch hält. Das von SPÖ-Mandataren kampagnisierte Argument, ein Weitermachen der Regierung Nehammer-Kogler würde mit einem Kanzler Herbert Kickl enden, wird vom kleineren Regierungspartner zuletzt offensiv gegen die SPÖ gewendet.

"Die SPÖ hätte die staatspolitische Verantwortung, auch in der Teuerungskrise so zu agieren, wie sie es bei Corona gemacht hat", sagt ein Spitzengrüner: "Statt dessen propagiert die SPÖ unrealistische Antiteuerungsrezepte, wie die Mehrwertsteuer auszusetzen und Preise durch den Staat zu regulieren. Diese radikal einfachen Lösungen verfangen in manchen Wählergruppen sehr gut. Das hilft aber am Ende nur den wahren Populisten, also der FPÖ."

Martialische Kickl-Parole für Niederösterreich

Die in einigen Umfragen bereits als stärkste Partei des Landes vermessene FPÖ rüstet derweil für den nächsten, vor allem für die ÖVP spielentscheidenden, Wahlgang - die niederösterreichischen Landtagswahlen am 29. Jänner. Herbert Kickl hat intern die martialische Parole ausgegeben: "Wir werden den Krieg jetzt ins Feindesland tragen."

Der blaue Parteichef hat aus seiner Sicht eine sehr persönliche Rechnung mit Niederösterreichs Landeshauptfrau offen. Johanna Mikl-Leitner war maßgeblich daran beteiligt, dass nach Platzen des Ibiza-Videos nicht nur Herbert Kickl als Innenminister gehen musste, sondern auch Türkis-Blau nach eineinhalb Jahren wieder Geschichte war.

Ein blaues Auge für die Schwarzen in Niederösterreich ist zwar schon absehbar. Auf den großen Showdown mit der ÖVP wird Herbert Kickl aber wohl noch ein Zeitlang warten müssen.

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