Fahrradbotinnen und -boten ritten am Mittwoch in Wien, Linz, Innsbruck, Klagenfurt und Graz zum Warnstreik aus um mehr Lohn zu fordern. Die KV-Verhandlungen stocken, nach mittlerweile sechs Runden gibt es keine Einigung. Die Gewerkschaft vida fordert für die rund 2.000 Betroffenen ein Lohnplus von 8,7 Prozent, die Arbeitgeber bieten dagegen nur 5,8 Prozent. Einen neuen Gesprächstermin gibt es derzeit noch nicht, weitere Warnstreiks sind nicht ausgeschlossen.
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Das aktuelle Angebot der Arbeitgeberseite von einem Lohnplus von 5,8 Prozent liege fast drei Prozentpunkte unter der Inflation der vergangenen zwölf Monate, also der als Verhandlungsbasis dienenden rollierenden Inflation. "Seit mehr als zwei Jahren können die ohnehin bereits recht geringen Löhne in der Fahrradboten-Branche nicht zur Teuerung aufholen", heißt es vom Momentum Institut.
"Hat man das 'Glück' und wird als Fahrradbotin und Fahrradbote überhaupt angestellt, fällt man in einen Kollektivvertrag, der am untersten Ende der KV-Mindestlöhne kratzt. Laut aktuellem Kollektivvertrag erhalten Boten einen Bruttostundenlohn von 10 Euro", kritisiert Momentum-Wirtschaftswissenschafter Jakob Sturn. Bei einer Vollzeitbeschäftigung würden im Schnitt etwas über 1.400 Euro netto übrig bleiben - damit liege die Entlohnung knapp an der Armutsgefährdungsschwelle. Zum Vergleich führt Sturn an, dass der durchschnittliche prognostizierte Bruttostundenlohn 2024 für Vollzeitarbeit über alle Branchen hinweg bei 28 Euro liege.
Und er stellt eine Relation zu den Preisen in der Gastrobranche her: "Die prognostizierten Preissteigerungen in der Gastronomie von Jänner 2020 bis März 2024 betragen 33,3 Prozent. Sein Fazit: "Das Essen, das Botinnen und Boten tagtäglich ausliefern, wird immer teurer, während ihr eigener Lohn auf der Strecke bleibt."
Die Lieferfirmen waren jedenfalls gestern bemüht, keine Angst vor leeren Mägen aufkommen zu lassen. Schließlich würde nicht alles über Lieferando, Foodora und Co ausgeliefert, sondern die Restaurants und Gasthäuser würden zum Teil auch selbst zustellen. So wird heute in Wien in der Zeit von 11.00 bis 14.30 Uhr bei den beiden Marktführern gestreikt. Die Gewerkschaft vida fordert Entgeltsteigerung von 8,7 Prozent, das Angebot der Arbeitgeber liege aber nur bei 5,8 Prozent, kritisieren die Arbeitnehmerverter.
Wobei innerhalb der Arbeitgeber teils unterschiedliche Interessen herrschen. Dies ruht daher, dass es die Marktteilnehmer mit der Anstellung ihrer Radler sehr unterschiedlich halten. Nur rund die Hälfte der Fahrer radelt auf Basis eines Kollektivvertrages, die andere Hälfte tritt als Einzelunternehmer in die Pedale. Rund 4.500 radelnde Zusteller gibt es in Österreich. Die Arbeitnehmervertreter kritisieren dies als Scheinselbstständigkeit, in die die Fahrerinnen und Fahrer gedrängt würden. Die Arbeitgeber wiederum meinen, dass die Selbstständigkeit von vielen Essenszustellern gewünscht werde.
Marktführer sind Foodora und Lieferando, in Wien gibt es mit Wolt noch einen dritten großen Anbieter. Bei Lieferando wird nach Kollektivvertrag geradelt, bei Foodora ist nur ein kleiner Teil der Fahrer angestellt, die große Mehrheit radelt als freier Dienstnehmer. Bei Wolt gibt es nur freie Dienstnehmer und Selbstständige. Das Brutto-Monatsgehalt liegt laut KV bei 1.730 Euro brutto.
Das Unternehmen foodora erbittet folgenden Hinweis:
"Wir möchten darauf hinweisen, dass foodora weder mit Freelancern noch mit (Schein-)Selbständigen oder Einzelunternehmern zusammenarbeitet. Das freie Dienstverhältnis (FD) unterscheidet sich maßgeblich von diesen Modellen. Freie Dienstnehmer sind also weder EPUs noch Selbstständige. foodora bietet ausschließlich das „echte“ oder „freie Dienstnehmerverhältnis“ – von denen sich die Mehrheit der Rider aus Eigenem für das Freie Dienstnehmerverhältnis entscheidet. Ein Wechsel zwischen den Modellen ist bei foodora für zuverlässige Rider jederzeit möglich."