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Was Frauen Frauen raten

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Die Börse macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Um finanziell unabhängig zu werden oder für später erfolgreich vorzusorgen, müssen nur MUT UND WISSEN aufgebracht werden.

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Um Frauen – und ihr Geld – herrscht ein großes G’riss. Kreditinstitute sehen in ihnen eine noch zu wenig erschlossene Zielgruppe. Und eine illustre Schar vornehmlich weiblicher Berater:innen wollen Frauen finanzielle Unabhängigkeit und Wohlstand bringen. Beide haben sich dazu ein Ziel gesetzt: Sie wollen Frauen den Weg zum Kapitalmarkt zeigen. Während die Banken auf klassische Beratung setzen, wählen die sogenannten Finfluencerinnen den Weg der sozialen Medien.

Über Podcasts, Videos auf YouTube, Facebook, Tiktok oder Kursen im Internet soll Frauen die Scheu davor genommen werden, Aktien, Anleihen, Fonds oder ETFs zu kaufen. Das Ziel ist durchaus ein hehres. Denn nach den aktuellen Studien aller großen Banken haben Frauen mit der Börse wenig am Hut.

Marion Morales Albiñana-Rosner, Vorständin Wealth Management & Private Banking der UniCredit Bank Austria: „Wir haben eine europaweite Umfrage durchgeführt, die zeigt, dass sich Frauen deutlich weniger mit Finanzthemen auseinandersetzen als Männer. Zudem gehen Frauen bei Anlageentscheidungen wesentlich weniger Risiko ein. Für uns ist es wichtig, das Bewusstsein für finanzielle Vorsorge bei Frauen zu schärfen. Aus diesem Grund bieten wir hochqualifizierte Beratung zu Veranlagungs- und Vorsorgemöglichkeiten an.“

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MARION MORALES ALBINANA-ROSNER. Die Vorständin Wealth Management & Private Banking der UniCredit Bank Austria rät Frauen für ihre Zukunftsvorsorge zu Fondssparen, und hier auch zu einem durchaus mutigeren Zugang zu Investments in Aktienfonds.

Gabriela Tinti, Head of Desk Equities Österreich bei der Erste Asset Management GmbH, hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Frauen trauen sich oft zu wenig zu. Sie überlassen die Geldanlage lieber den Männern. Dabei haben Studien gezeigt, dass Frauen langfristig einen besseren Erfolg in der Veranlagung erzielen. Sie agieren bedachter und machen dadurch weniger Verluste.“

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LARISSA KRAVITZ. Als Investorella gibt die ausgebildete Aktien- und Derivatehändlerin in Tutorials über das Internet oder Blogbeiträgen Tipps für Frauen, um erfolgreich in ETFs zu veranlagen.

Die Beratung

Die Wege, die so manche der Finfluencerinnen gehen, um Frauen Mut zum Investieren zu machen, sind oftmals durchaus originell. „Mama macht Millionen“ verspricht beispielsweise die Deutsche Franziska van der Meulen in ihren Podcasts, in denen erfolgreiche Business Women Investment Tipps geben. Natascha Wegelin alias Madame Moneypenny fordert: „Frauen, nehmt eure Finanzen selbst in die Hand“, und sie gibt in einschlägigen Tutorials gleich die entsprechenden Ratschläge dazu. Ein gewisses Grundkapital wird dabei jedoch vorausgesetzt, denn ein achtwöchiges Coachingprogramm kostet rund 5.000 Euro.

Doch es geht auch anders. Larissa Kravitz versucht, als Investorella einen transparenten Weg zu gehen, um Frauen Wissen über die Börsen und die verschiedenen Anlagemöglichkeiten zu vermitteln. Die Tochter des einstigen Wiener Börsengurus Mike Lielacher hat mit 18 ihre erste Aktie gekauft und später Bank- und Finanzwirtschaft sowie Financial Engineering studiert. Sie hat als Aktien-, Devisen- und Derivatehändlerin, Treasury-Managerin und Strategieentwicklerin gearbeitet und ist aktuell Risikomanagerin und im Aufsichtsrat eines börsennotierten Immobilienkonzerns. Ihr Ziel ist es, weltweit 100 Million Frauen zu erreichen, um ihnen nachhaltiges Investieren näher zu bringen.

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GABRIELA TINTI. Die Leiterin des Desk Equities Österreich bei der Erste Asset Management GmbH fordert Frauen zu mehr Mut beim Investieren auf. Nach ihren Erfahrungen treffen Frauen im Fondsmanagement langfristig erfolgreichere Entscheidungen, weil sie bedachtsamer agieren und so Verluste vermeiden.

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Doch der Weg dorthin ist weit. „Frauen von Kapitalmarktinvestments zu überzeugen, ist eine sehr herausfordernde Aufgabe“, weiß Hannes Cizek, CEO der Raiffeisen KAG. „Studien bringen Jahr für Jahr das gleiche – oder zumindest ein ganz ähnliches – Ergebnis zu Tage: Frauen meiden riskantere Investments, weil sie sich ganz allgemein deutlich weniger für Geldanlagen interessieren, sich für zu wenig kompetent beim Finanzwissen halten und auch zu wenig liquide sind, um bei der Vorsorge Verluste zu riskieren“, so Cizek.

Dadurch würden Frauen aber auch Chancen liegen lassen, die Männer sehr wohl zu nutzen wüssten. Hier will die Raiffeisen KAG aktiv gegensteuern. Die Fondsgesellschaft will die Geschlechterkluft am Kapitalmarkt schließen, Frauen ganz gezielt ins Boot holen und über den Handel mit Wertpapieren informieren.

Denn eine Studie der Raiffeisen KAG zeigt, dass Frauen ihr Interesse an Geldanlagen auf einer Skala von eins bis fünf nur bei 2,8 sehen, während Männer hier im Durchschnitt bei 2,4 liegen. Ähnlich stellt sich das Bild beim Thema Finanzkompetenz dar: Bei der Einschätzung des eigenen Wissens zum Thema „Aktien, Anleihen und Fonds“ sehen sich Frauen im Durchschnitt bei 3,7, Männer hingegen bei 3,1. Die Folge: 90 Prozent aller Wertpapierdepots gehören Männern. Doch gerade Frauen sollten investieren, denn sie sind überproportional von Altersarmut betroffen und erhalten geringere Pensionen als Männer.

Investieren

Viele von ihnen trauen sich aber nicht, damit zu beginnen, deshalb hat Kravitz Investorella ins Leben gerufen. In ihren Blogs und Tutorials, mit denen sie Frauen zum Investieren bringen will, setzt sie primär auf die Veranlagung in ETFs. Exchange-Traded Funds sind Fonds, die nicht von einem Team von Vermögensverwaltern gemanagt werden, sondern einfach einem Index folgen.

Das kann zum Beispiel der Index aller an der Wiener Börse gelisteten Aktien sein, jener der 50 größten Unternehmen weltweit oder der Nasdaq-100-Index, in dem die 100 wichtigsten Technologieunternehmen enthalten sind. Und es gibt auch einen Index, in dem jene Unternehmen repräsentiert sind, die eine hohe Frauenquote im Management haben und finanziell sehr erfolgreich sind.

So gibt es zum Beispiel den Inclusion and Diversity Index. Dafür werden aus 15.000 Unternehmen jene 100 an der Börse notierten Companys auswählt, die nach 24 Kriterien den höchsten Grad an Diversität und Inklusion bei der Mitarbeiterführung aufweisen. Die Fondsgesellschaft BlackRock hat einen eigenen ETF begeben, mit dem man an der Entwicklung der Börsenkurse dieser 100 Unternehmen teilhaben kann. Über die vergangenen zwölf Monate ist dieser Index um neun Prozent gestiegen, in den vergangenen drei Jahren um knapp über 30 Prozent. Ein Investment in Unternehmen, die besonders frauenfreundlich agieren, hätte im Schnitt also zehn Prozent pro Jahr gebracht.

Eine Veranlagung also, mit der Frauen die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz unterstützt hätten und damit auch relativ gut gefahren wären, jedenfalls, wenn man die Entwicklung langfristig betrachtet. Doch es hätte auch mehr sein können. In den vergangenen Jahren ist der MSCI World, also der Index der 1.500 größten Unternehmen der Welt, um 40 Prozent gestiegen. Also um zehn Prozentpunkte mehr als der Index der frauenfreundlichen Unternehmen.

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KARIN KUNRATH. Die CIO der Raiffeisen KAG sieht 2024 als gutes Einstiegsjahr für Frauen, um mit Anleihenfonds oder gemischten Fonds erste Erfahrungen bei begrenztem Risiko zu machen. Und auch sie rät Frauen zu mehr Mut beim Investieren, denn die Börsen sind für alle gleich.

Bei der Veranlagung sollte aber ohne hin nicht alles auf eine Karte gesetzt werden. Ein Investment in einen globalen Weltaktien-ETF stellt jedenfalls eine solide und breite Basis für eine Veranlagung an der Börse dar. Und eine kostengünstige. Denn die jährlichen Kosten liegen zwischen 0,2 und 0,3 Prozent des investierten Kapitals.

Zusätzlich kann ein kleinerer Betrag mit dem Ziel veranlagt werden, nicht nur eine Rendite zu erzielen, die höher ist als die Zinsen am Sparbuch, sondern dessen Investment auch etwas bewirkt.

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Studien zum Thema Frauen und Veranlagung zeigen, dass nicht der Wunsch nach weiblichen Anlagevarianten im Vordergrund steht, sondern der, mit dem investierten Geld auch etwas zu bewirken. Investorella Larissa Kravitz: „Viele Frauen achten bei jedem Supermarktbesuch auf Nachhaltigkeit, daher wollen Sie auch wissen, was mit ihrem veranlagten Geld geschieht. Sie wollen investieren und gleichzeitig einen positiven Impact erzielen.“

Auch dazu gibt es Indexfonds, in denen jene Unternehmen enthalten sind, die die ESG-Kriterien, also Ökologie (Ecology), soziale Verantwortung (Social) und transparente Unternehmensführung (Governance) besonders in ihrer Strategie verankert haben. In solche Unternehmen investiert beispielsweise der Xtrackers-MSCI-World-ESG-ETF. Die Unternehmen weisen eine verhältnismäßig geringere Kohlenstoffemission und verhältnismäßig stärkere Leistungen im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung auf. Nach einer Durststrecke befinden sich nachhaltige Investments nun wieder im Aufwärtstrend. In den vergangenen zwölf Monaten hat der Nachhaltigkeits-ETF um 28 Prozent zugelegt.

Auch Karin Kunrath, Chief Investment Officer in der Raiffeisen KAG, will Frauen Mut zum Investieren an der Börse machen: „Die Möglichkeiten, an Kapitalmärkten zu investieren, sind schier überwältigend. Für jene Frauen, die weniger Risiken eingehen möchten, könnte 2024 für ein Investment in einen Anleihefonds oder einen gemischten Investmentfonds ein gutes Einstiegsjahr sein.“

Der ETF der deutschen Fondsgesellschft DWS bietet hier eine einfache Möglichkeit. Er folgt einem Index, der sich aus Aktien und Anleihen zusammensetzt. Seine Zwölfmonatsperformance liegt bei zehn Prozent. Von vermeintlich maßgeschneiderten Frauenprodukten hält Kunrath jedenfalls wenig: „Es macht keinen Sinn, einen künstlichen Silo für Frauen zu schaffen. Der Kapitalmarkt ist für alle gleich.“

Der Artikel ist aus trend.PREMIUM vom 8. März 2024.
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