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Taiwan - gefährdeter Riese in der Chipindustrie

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Rund 51.000 Mitarbeiter beschäftigt die 1987 gegründete Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), die eine Weltmacht bei Halbleitern ist.
Rund 51.000 Mitarbeiter beschäftigt die 1987 gegründete Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), die eine Weltmacht bei Halbleitern ist.©beigestellt
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Wenn der Konflikt zwischen China und Taiwan eskaliert, wird das die ganze Welt zu spüren bekommen. Taiwans Chipindustrie dominiert den globalen Markt. Fällt sie aus, wird es düster.

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Noch im September soll aus der kleinen Menge die große Masse werden. Im Süden von Taiwan hat die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) in den vergangenen Monaten eine neue Fabrik aufgestellt. Auf einer Fläche von 22 Fußballfeldern sollen hier demnächst Minibauteile in Serie vom Band laufen, die kleiner, noch einmal 70 Prozent schneller und gleichzeitig energieeffizienter als jede Halbleitergeneration zuvor sind.

Und diese neue Generation ist nur ncoh drei Nanometer dick, also unvorstellbar dünn: Auf dem Zwanzigtausendstel eines Haares - so groß ist der Transistor - sollen ab sofort all die Informationen Platz haben, die Computerchips brauchen, um zu funktionieren. In Handys genauso wie in Windrädern, in Spielkonsolen genauso wie in Supercomputern und Drohnen. Apple und Intel haben bereits bestellt, auch der Grafikkartenproduzent Nvidia hat seine Spezifikationen durchgegeben und der ebenfalls amerikanische Prozessorenhersteller AMD ist auch unter den Ersten, die diese Halbleitergeneration hier in Shanhua fertigen lassen wollen.

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Außer TSMC hat bisher nur der südkoreanische Konkurrent Samsung diesen Technologiesprung geschafft. Beide arbeiten bereits am nächsten: Schon 2025 sollen Chips in der Größe von nur noch zwei Nanometern möglich sein. Nur diese beiden Hersteller können zurzeit Halbleiter produzieren, die kleiner als zehn Nanometer sind. Während Samsung hier einen Marktanteil von acht Prozent hält, steht TSMC für den großen Rest.

Großer Player von der kleinen Insel

Die Marktdominanz des 1987 gegründeten taiwanischen Unternehmens bleibt allerdings auch beachtlich, wenn man das Feld der Halbleiter etwas größer zieht: TSMC allein fertigt aktuell laut dem Analysehaus TradeForce rund 56 Prozent der Chips, die Technologieunternehmen weltweit nicht selbst produzieren, sondern in Auftrag geben. Nimmt man den Konkurrenten UMC ( United Microelectronics Corporation) und ein paar weitere dazu, steht Taiwan für rund zwei Drittel der globalen Auftragsfertigung - und das wird sich so schnell nicht ändern.

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"Taiwan setzt nicht nur auf die Quantität, sondern auch gezielt auf die Qualität", sagt Hermann Ortner, der Wirtschaftsdelegierte Österreichs in Taipeh. Weil die Produktion von Halbleitern enorm kompliziert und ihr Aufbau gigantisch teuer ist, gehen Branchendienste davon aus, dass die Auftragsfertigung zunehmen wird. Zuletzt hat etwa Intel weitere Schritte in diese Richtung gesetzt, um der gigantischen globalen Nachfrage besser nachkommen zu können.

Laut Analysen des Beratungshauses BCG werden aktuell rund 78 Prozent der höherwertigen Halbleiter (kleiner als 14 Nanometer) von Auftragsfertigern produziert. Gerade hier liege auch das Wachstum. Der globale Halbleitermarkt soll nach dem Rekord von 2021 auch heuer je nach Schätzung noch einmal zwischen sieben und zehn Prozent auf über 600 Milliarden US-Dollar wachsen - trotz Rezessionsängsten. Taiwans Marktanteil von aktuell rund 20 Prozent sollte also weiter zulegen.

Hochsensible Chipfabriken

Wenn sich also Mark Liu, der Präsident des Weltmarktführers TSMC, an die Öffentlichkeit wendet, dann hören nicht nur seine wichtigsten Kunden im Silicon Valley ganz genau hin. Ende Juli gab er dem US-Sender CNN eines seiner seltenen Interviews.

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Mark Liu, Chairman TSMC

© TSMC

Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, hatte gerade ihren Besuch in Taipeh angekündigt, das offizielle China hatte darauf mit Unverständnis reagiert und weltweit war wieder die Sorge vor einem militärischen Angriff auf Taiwan zu hören. Darauf angesprochen sagte Liu: "Niemand kann TSMC durch Gewalt kontrollieren. Wenn jemand Militärgewalt oder eine Invasion aufwendet, um sich TSMC zu holen, wird das nicht gelingen." Zu ausgeklügelt sei die Chipproduktion, zu sehr abhängig wäre man von der Echtzeitverbindung mit Kunden in Europa, Japan und Asien, warnte Liu. Der 68-Jährige betonte, dass es bei einem Krieg in Taiwan nur Verlierer gäbe. Auch China würde dazu zählen, denn auch chinesische Unternehmen seien zumindest teilweise auf Halbleiter aus Taiwan angewiesen.

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"Wenn solche hochsensiblen Chipfabriken auch nur leicht beschädigt werden, dann steht die Produktion", warnte vor wenigen Tagen auch Jochen Hanebeck, der CEO von Infineon, in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Infineon lässt zwar nur rund 15 Prozent seiner Chips in Taiwan und China produzieren, Hanebeck sieht bei einem Ausfall dennoch Auswirkungen auf sein Unternehmen und vor allem auf die Weltwirtschaft zukommen: "Bei sehr ausgefeilten Prozessoren für Smartphones und Mikrocontrollern der neuesten Generation für Anwendungen im Auto ist die Abhängigkeit sehr groß."

Einen Vorgeschmack darauf, was ein Mangel an Chips bedeuten kann, hat die Automobilindustrie im Vorjahr erfahren: Weil sie zu wenig bestellten, mussten die Autobauer rund um die Welt ihre Produktionsstätten vorübergehend schließen. Über 200 Milliarden US-Dollar soll der Ausfall für die Industrie betragen haben.

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BCG hat ausgerechnet, was ein Totalausfall der Halbleiterproduktion in Taiwan aktuell bedeuten würde: Die Produzenten vor Ort würden 42 Milliarden US-Dollar an Umsatz verlieren. Viel fataler aber wären die globalen Auswirkungen: Rund 490 Milliarden US-Dollar würden bei Herstellern elektronischer Geräte weltweit verloren gehen - in nur einem Jahr. Laut der BCG-Studie würde es Investitionen von 350 Milliarden US-Dollar und mindestens drei Jahre benötigen, um die taiwanische Halbleiterindustrie für globale Wertschöpfungsketten zu ersetzen.

Mark Liu von TSMC ist also eine der Schlüsselfiguren der Weltwirtschaft, ohne dass er dafür bekannt wäre. Aktuell ist er vielleicht sogar mehr als das. Er steht mitten in einem Konflikt der Supermächte.

Zwischen den Mächten

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Die 180 km vom chinesischen Festland entfernt im Pazifik gelegene Insel Taiwan ist das globale Zentrum der Chipproduktion

© Getty Images

Nur 180 Kilometer liegen zwischen China und Taiwan liegen, aber sie trennen geopolitische Pole: Hier trifft der Einflussbereich der USA auf jenen von China. Im Frühjahr des vergangenen Jahres hat der britische "Economist" Taiwan deshalb zum "gefährlichsten Ort der Welt" erklärt. Da ahnte man noch nicht, dass der tatsächlich von einem großen Krieg gefährdete Ort in Europa liegen wird. Viele hielten die Warnung des Magazins auch für überzogen: Zu eng verflochten sei die Wirtschaft Taiwans mit jener Chinas, zu nah verwandt wären sie über Sprache und Kultur, zu oft schon habe China seine militärischen Muskeln spielen lassen, um doch zur pragmatischen Koexistenz zurückzukehren und die "abtrünnige Provinz" nicht einzunehmen.

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Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine hat allerdings auch der Konflikt zwischen China und Taiwan wieder größere Bedeutung erlangt. Manche Prognosen sagen, dass es bald zu einer Invasion kommt, viele andere gehen aber vom Gegenteil aus. Zu deutlich zeige der Krieg in der Ukraine, wie kostspielig eine solche Invasion wäre und wie weitreichend, weil sie die Welt dazu zwingen würde, Stellung zu beziehen.

Dass Nancy Pelosi als erste hochrangige US-Politikerin seit 1997 Taipeh (und dabei auch Mark Liu) besuchte, wird von Experten auch als Zeichen für die Schärfung der US-Außenpolitik gesehen: Auf der einen Seite steht der Westen, der sich unabhängiger von Rohstoffen, Lieferketten und auch manchen Technologien aus autokratisch geführten Staaten machen und dafür Beziehungen zu demokratischen Staaten stärken soll. Auf der anderen Seite steht China, das sich eigene Partner sucht und sich zwar nicht mit Russland verbündet, aber auch nicht davon losgesagt hat. Dass die USA als Teil ihrer Diversifikationsstrategie im Vorjahr TSMC dazu gebracht haben, eine Chipproduktion in den USA aufzubauen, wird von manchen als Teil dieser Strategie lesen.

Zwischen den Mächten

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Auch die EU versucht, durch den Chips Act wieder Fuß in der Halbleiterproduktion zu fassen. TSMC hat sich im Vorjahr sogar in Deutschland deshalb umgesehen. Momentan seien aber keine Investitionen in Europa geplant, sagte Mark Liu im Juni. Sogar China, das in der Produktion mehr Halbleiter als jedes andere Land der Welt benötigt, hat gerade in diesem Segment die Produktion bisher nicht geschafft. Es kann gerade einmal zehn Prozent seines Bedarfs durch das Staatsunternehmen SMIC decken.

Taiwan, das technisch zu China gehört, aber seit Jahrzehnten eigenständig agiert und demokratisch regiert und von den USA militärisch unterstützt wird, steht hier gewissermaßen zwischen den Mächten. Das kann gerade auch seine Stärke ausmachen. "Vor Ort hat man den Eindruck, dass der jüngste Konflikt mit China relativ gelassen gesehen wird", sagt Hermann Ortner. Aufgrund der politischen Spannungen gebe es hier immer ein Auf und Ab, aber das sei für die Menschen, die hier leben, nichts Neues.

Das Neue entsteht unterdessen in Südtaiwan. Es ist leistungsfähig, schnell und sehr, sehr klein. Und ein Machtfaktor.

Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 26. August 2022 entnommen

Weltpolitik

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