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Die österreichischen KI-Stars

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Die künstliche Intelligenz hat viele GESICHTER und verleiht der Digitalisierung enormen Schub. In Österreich gibt es eine Vielzahl brillanter Köpfe, die das Thema in Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben. Maschinenflüsterer, Chatbotmaßschneider und KI-Botschafter im Porträt.

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Als die Welt vor gut einem Jahr dem Charme des Bots verfallen war, dürfte Sepp Hochreiter erst einmal fassungslos gewesen sein. Wusste der Pionier, der an der Linzer Johannes Kepler Universität lehrt und forscht, doch genau, aus welchem Holz das Teil, das sich ChatGPT nennt, geschnitzt ist. Schließlich war er es, der die Grundlagen dafür erfand. Und so beeindruckend ChatGPT auch ist, Hochreiter wusste sofort, dass er es besser kann, und baute mit seinem Team kurzerhand ein Konkurrenzmodell, "das bessere Texte generiert, schneller ist und mit weniger Computerleistung auskommt". Bald wird sich zeigen, wer damit arbeiten wird.

Neben Starforscher Hochreiter arbeitet in Österreich eine ganze Reihe brillanter Köpfe daran, Methoden rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) weiterzuentwickeln, Projekte umzusetzen und für ordentliche Rahmenbedingungen zu sorgen: An ihren Themen sind diese Forscher, Informatiker, aber auch Juristen seit Jahren dran, lange bevor mit ChatGPT in der Öffentlichkeit der Groschen gefallen ist. "Vor zwei Jahren wurden wir noch als Spinner gesehen, heute hat sich der Blick gänzlich gedreht", erzählt Hans-Peter Pichler, CEO von FiveSquare. Allen ist klar, dass das Thema künstliche Intelligenz nicht mehr weggehen wird und jedes Unternehmen seinen eigenen Zugang dazu suchen muss.

Besonders viele Zugänge werden dabei in Linz gefunden, dem österreichischen KI-Mekka. Dort wurden schon in der Vergangenheit besonders gezielt Fragen gestellt, konkret an zwei Instituten und im KI-Labor der Kepler-Uni. Die frühzeitige und konsequente Besetzung des Themas macht sich bezahlt. Starforscher wie Hochreiter ziehen mit ihren Teams Doktoranden aus der ganzen Welt an - und dazu prominente Namen aus der heimischen und europäischen Industrie. Diese Doktoranden wechseln in weiterer Folge oft in die Wirtschaft oder gründen selbst Unternehmen, wie Pichler und sein Kollege Patrick Haidinger mit FiveSquare, die ihr Büro direkt an der JKU haben. "Wir sind an der Quelle von Cutting- Edge-Forschung", sagt Haidinger.

Ein paar Türen weiter experimentiert Martina Seidl, Leiterin des Instituts für Symbolic AI, mit Formeln, "die ganz präzise beschreiben, wie Systeme arbeiten". In der Praxis sind diese Formeln extrem relevant. Sie helfen Industrieunternehmen, ihre Maschinen zu prüfen. Einer ihrer Vorgänger, Professor Armin Biere, legte vor zwanzig Jahren mit solchen Formeln die Grundlagen für ein Standardverfahren in der Chipproduktion. Seidl muss ab und zu über die ganze Aufregung schmunzeln: "Auf einmal haben alle Firmen ein AI-driven-Etikett drauf. Am Ende ist das einfach Digitalisierung, die sich kaum vermeiden lässt."

Das gilt auch für all die Werkzeuge, die in schier unglaublicher Menge im Wochentakt vorgestellt werden. Damit lässt sich an der digitalen Transformation besser und schneller schrauben. IBM hat sich erst im November bei 8.500 IT-Experten weltweit umgehört, was die Unternehmen mit der KI machen -und eine Antwort besonders oft gehört: Automatisierung. Abläufe in Büro, Produktion und Kundenservice beschleunigen, Wissen schneller zugänglich machen und Mitarbeitende von ermüdenden Tätigkeiten entlasten.

Viele sind zwar noch dabei, den passenden Werkzeugkasten zusammenzustellen, am Schirm haben das Thema aber fast alle. 60 Prozent der Unternehmen, die KI aktiv einsetzen oder evaluieren, haben in den letzten 24 Monaten Projekte und Investitionen forciert. Hype und falsche Erwartungen gehen vorüber, die künstliche Intelligenz wird bleiben.

Geschätzt im Ausland

Den Sog der dynamischen Entwicklungen spürt auch Clemens Wasner, der in der heimischen Szene eine Doppelrolle hat. Als Mitgründer der Firma enliteAI spielt er mit seinem Team bei der KI-Disziplin des Reinforcement Learning in der weltweiten Topliga mit, und sie schlugen mit ihrem Programm Maze Spitzenteams bei der Aufgabe, Störungen und Ausfälle im Stromnetz zu managen. Das enliteAI-Team gewann sogar eine Sonderkategorie des Innovationsstaatspreises, gesponsert vom Verbund. "Eingesetzt wird es in Österreich leider noch nicht", sagt Wasner, der bedauert, "dass die nationalen KI-Leistungen im Ausland oft früher erkannt und geschätzt" würden.

Diesen Eindruck hat auch Thomas Gallien, ein weiterer Spitzenmann aus der Disziplin Deep Reinforcement Learning, der dieser Tage als KI-Forschungsgruppenleiter zu Joanneum Research wechselt, wo er Robotik in Verbindung mit Machine Learning als Schwerpunkt etablieren wird. Vereinfacht gesagt, bringt er Industrierobotern das Sehen bei: "Wir lassen den Roboter das Bildverständnis lernen, im Prinzip das, was wir Menschen im visuellen Kortex machen", erzählt der Forscher. "Der Roboter lernt, wie er die Kamerabilder interpretieren soll, um eine Aufgabe bestmöglich zu lösen."

Im Verein AI Austria beschäftigt sich die Reinforcement Learning Community unter anderem auch damit, "der österreichischen Industrie diese Möglichkeiten näherzubringen", so Gallien. "Hierzulande ist jedoch noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, in den USA ist die Industrie diesbezüglich wesentlich offener."

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Die Existenz des Vereins AI Austria ist einem Zufall geschuldet. Als enliteAI-Gründer Wasner 2017 bei einer Diskussion von IT-Pionier Hermann Hauser gefragt wurde, welche Strukturen es in Österreich zum Thema KI gäbe - damals noch keine -, beschlossen Wasner und Hauser spontan, das selbst in die Hand zu nehmen. Aus zahlreichen informellen Treffen wuchs über die Jahre ein Verein mit 150 Mitgliedern, "der sich bis heute bewusst ohne Förderungen und äquidistant zur Politik", so Wasner, darum bemüht, Entscheidungsträgern in der Gesellschaft das Thema näherzubringen. Mit Erfolg: "Das Interesse ist gewaltig gestiegen. Allein unseren Newsletter abonnieren heute 1.600 Menschen, Vorstände, Politiker und Private."

Ein Anfang, doch der Bedarf nach mehr gezielter Vernetzung ist hoch, findet auch KI-Forscherin Seidl: "In Österreich gibt es viele informelle Kooperationen im KI-Bereich, auch mit Forschern und Forscherinnen aus den Firmen-Labs. Eine institutionalisiertere Form der Zusammenarbeit wäre aber wichtig, die die verschiedenen Zweige der KI in Österreich und darüber hinaus strukturiert zusammenbringt."

KI in Büro, Kanzlei und Ordination

Solche Strukturen haben sich Tech-Konzerne über Jahrzehnte erfolgreich aufgebaut, und vor allem Microsoft nutzt seine Hausmacht und seinen Erfolg im KI-Bereich, der auch durch die Partnerschaft mit OpenAI entstanden ist. Viele lokale Dienstleister greifen auf vorgefertigte KI-Standardprodukte des Konzerns zurück, die für das jeweilige Unternehmen nur mehr adaptiert werden.

Einer davon ist ACP Cubido, für den Kristina Preuer als Data Scientist arbeitet: "Wir arbeiten viel mit Microsoft zusammen, sowohl mit der Azure-Cloud als auch mit den Copilot-Anwendungen. In die Entwicklung dieser Modelle ist viel Zeit und Material geflossen. Mit vortrainierten Modellen zu arbeiten, spart viel Zeit."

Sprachmodelle machen nicht nur die Büroarbeit effizienter. Neben den großen Namen in der KI-Szene bringen auch zahlreiche Start-ups und etablierte Unternehmen ihre KI-Expertise auf den Markt, die sie entweder auf Basis von Industrielösungen aufbauen oder selbst entwickeln. Für Anwalts- und Steuerberatungskanzleien sind Sprachmodelle prädestiniert als digitale "Juniorpartner", die in Sekundenschnelle gewaltige Textkonvolute durchsuchen, zusammenfassen oder beschlagworten können. Die Legal-Tech-Szene in Österreich ist extrem umtriebig.

Im Gesundheitsbereich helfen Startups wie Contextflow Radiologen bei ihren Befundungen, und sogar Lieferketten wird heute mittels künstlicher Intelligenz auf den Puls gefühlt, wie das Prewave sehr erfolgreich mit dem Monitoring von Logistikketten für Automobilkonzerne vormacht. Auch im Kreativbereich zeigen die Österreicher auf. Blackshark.ai und Atlas.Design sind kreative Überflieger und erschaffen künstliche visuelle Welten, die in der Gaming- und Entertainmentbranche weltweit für Furore sorgen.

Es sind erstaunliche neue Fertigkeiten und überraschende Produkte, die diese großen und kleinen Stars der österreichischen KI-Szene aus vorhandenen Daten generieren und dabei in vielen Nischen Weltspitze sind.

Der Artikel ist aus trend.PREMIUM vom 19. Jänner 2024.
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