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IV-Präsident Georg Knill: "Die Lasten müssen viele Schultern tragen"

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Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV)

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Der Präsident der Industriellenvereinigung, GEORG KNILL, über Solidarität bei den Lohnverhandlungen, fehlende Maßnahmen in Energie- und Steuerpolitik – und warum wir auch mal bescheidener sein sollten.

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Der Ausgang der Lohnverhandlungen hat entscheidenden Einfluss auf die Industrie. Halten Sie trotz der Kampfmaßnahmen der Arbeitnehmer noch eine akzeptable Lösung für möglich?

Georg Knill

Die Tonalität ist diesmal so aggressiv wie schon lange nicht. Es geht für beide Seiten um viel. Unsere Maßgabe ist der Erhalt der heimischen Wirtschaft und des Industriestandortes Österreich. Es ist zu kurzfristig gedacht, sich nur über hohe Lohnabschlüsse zu freuen. Ich hoffe schon, dass trotz der Eskalationsstufe, die jetzt gezündet wurde, letztlich ein Kompromiss möglich ist.

Wie werden die Arbeitgeber auf Streiks reagieren? Ewig sind die ja nicht durchzustehen. Wie groß ist die Bereitschaft, diesmal trotzdem hart zu bleiben?

Georg Knill

Die Arbeitgeber haben bereits ihr Angebot nachgebessert und zwei unterschiedliche Optionen auf den Tisch gelegt – es müssen sich aber angesichts der wirtschaftlichen Lage beide bewegen. Natürlich versuchen wir, unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein bestmögliches Ergebnis zukommen zu lassen, aber wir dürfen dabei auch nicht die aktuelle wirtschaftliche Lage außer Acht lassen. Wir stecken in einer Rezession!

Wie viel Personalkostensteigerung lässt das Produktivitätswachstum zu?

Georg Knill

Die bekannte Benya-Formel für Lohnabschlüsse lautet: Inflation und halbe Produktivität. Letztere ist heuer mit ca. drei Prozent negativ. Ich höre aber nichts, dass nun auch die Hälfte dieses Rückschritts berücksichtigt würde. Die Formel wird von den Gewerkschaften sehr einseitig interpretiert.

Die Benya-Formel wird von den Gewerkschaften sehr einseitig interpretiert.

Georg KnillPräsident Industriellenvereinigung (IV)

Umgekehrt ist auch nicht zu hören, dass die meisten Unternehmen die Preise für ihre Produkte ja ohnehin erhöht haben, um ihre gestiegenen Kosten zu kompensieren.

Georg Knill

Da muss ich widersprechen. Die Energiekosten konnten nur zum Teil weitergeben werden. Ein anderer Teil ging zu Lasten der Margen. Wenn ich meine Produkte zum Beispiel nach Indien verkaufen will, interessieren unsere Preissteigerungen die Kunden dort gar nicht. Und das gilt in vielen Ländern.

Jetzt muss ich widersprechen. Das Top-500-Ranking des trend zeigt, dass 2022 von sinkenden Margen trotz Teuerung wenig zu sehen war. Die meisten Unternehmen konnten sie sogar steigern. Waren nicht auch die Unternehmensgewinne ein Inflationstreiber?

Georg Knill

Das ist ein verzerrtes Bild, weil Branchen wie Bau, Gastronomie und Energie sehr gut verdient haben. In vielen anderen Sektoren war das nicht so. Und heuer fallen die Margen auf breiter Front. Der Bau geht stark zurück, auch bei Dienstleistungen beginnt der Abschwung. Und: Die Industrie hat die Inflation nicht verursacht, die ist importiert.

Zu Recht wird von den Arbeitnehmern im Hinblick auf die Lohn-Preis-Spirale Zurückhaltung gefordert. Müssten nicht auch Unternehmen volkswirtschaftlich Rücksicht nehmen, anstatt munter Gewinne mitzunehmen?

Georg Knill

Ein Schulterschluss ist auf beiden Seiten nicht zu erkennen. Das Angebot der Unternehmer berücksichtigt aus meiner Sicht sehr wohl soziale und volkswirtschaftliche Aspekte, vor allem den geforderten Erhalt der Kaufkraft. Und man sollte auch einmal klar sagen, dass 2022 für große Teile der Bevölkerung 80 bis 90 Prozent der Teuerung durch Maßnahmen der öffentlichen Hand abgegolten wurden. Es gab einen Reallohnzuwachs, was 2023 wieder der Fall sein wird.

Das Angebot der Unternehmer berücksichtigt sehr wohl soziale und volkswirtschaftliche Aspekte, vor allem den geforderten Erhalt der Kaufkraft.

Georg KnillPräsident Industriellenvereinigung (IV)

Ein rotes Tuch für die Gewerkschaften sind die angebotenen Einmalzahlungen, die in den Folgejahren zu Reallohnminderungen führen können. Muss das für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in Kauf genommen werden?

Georg Knill

Ich sehe keine drohenden Reallohnverluste! Aber wenn Sie mich prinzipiell fragen, bin ich schon der Meinung, dass die Lasten der derzeit sehr schwierigen Situation von vielen Schultern getragen werden müssen. Wir sind in einer Rezession, für den produzierenden Sektor werden 2023 fast drei Prozent Minus erwartet. Die Lage ist nicht rosig – und neben den Energie- und Bürokratiekosten bringen auch die Personalkosten unsere Wettbewerbsfähigkeit in Bedrängnis. Im IMD-Report, der weltweit diesen Parameter misst, belegt Österreich nur mehr den unrühmlichen 24. Platz. Wir waren schon einmal Top Ten.

Die Industrie hat ebenfalls Maßnahmen gegen die hohe Inflation gefordert. Was könnte die Politik denn tun?

Georg Knill

Natürlich hat sich gezeigt, dass die Gießkanne nicht inflationsdämpfend wirkt. Aber wir fordern eher Maßnahmen gegen die Rezession. Nachdem die Bauwirtschaft massiv unter Druck gekommen ist, könnten etwa – neben den Maßnahmen der Regierung – zeitlich begrenzte Investitionsanreize für den Wohnbau helfen. Oder auch Kreditunterstützungen für Menschen, die ein Eigenheim erwerben wollen.

Oder Energiekostenzuschüsse für Unternehmen?

Georg Knill

Die österreichische Regierung ist säumig bei der Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen. Die EU hat den rechtlichen Rahmen geschaffen, bei uns wurde das Gesetz aber nur für 2022 beschlossen, nicht für 2023 und schon gar nicht bis 2030 wie in Deutschland. Das fordern wir dringend ein. Außerdem muss Österreich endlich beim Stromnetzausbau den Turbo zünden. Alle Projekte, die im nationalen Netzinfrastrukturplan enthalten sind, müssen beschleunigte Verfahren für die Genehmigung bekommen. Bis dato ist dem nicht so – vielleicht auch ganz bewusst.

Wir fordern Maßnahmen gegen die Rezession.

Georg KnillPräsident Industriellenvereinigung (IV)

Wie fällt Ihre generelle Beurteilung der österreichischen Wirtschaftspolitik aus?

Georg Knill

In der Energiepolitik ist noch einiges zu tun – besonders im Infrastrukturausbau. In der Steuerpolitik ist die mit 43,5 Prozent höchste Abgabenquote Europas das Thema. Ich erhoffe mir von der nächsten Regierung einen klaren Reduktionspfad auf unter 40. Jeder Prozentpunkt bedeutet eine Entlastung von rund 4,5 Milliarden. Darum braucht es Strukturmaßnahmen, die leider aktuell im Budget überhaupt nicht abgebildet sind.

Wird die aktuelle Rezession zu Personalabbau und Produktionsdrosselung in der Industrie führen?

Georg Knill

Bei der Personalreduktion sind wir sehr vorsichtig, weil die Pandemie gelehrt hat, dass man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter später nicht mehr bekommt. Die Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeiter, solange es irgendwie geht, zu halten. Anders sieht es bei neuen Investitionen aus. Wir sehen durch den Inflation Reduction Act der USA, der sehr pragmatische Steuererleichterungen für grüne Projekte bietet, eine massive Investitionstätigkeit in Amerika und Mexiko. Ein zweiter Aspekt ist die vom SPÖ-Vorsitzenden begonnene Diskussion um neue Steuern. Das hat zur Folge, dass massiv Kapital abgezogen wird. Privat- und Unternehmenskapital verlässt das Land – und wird woanders investiert.

Die Investitionsneigung in der Industrie sinkt aber auch, weil der Absatz schwächer und die Finanzierung teurer geworden ist, oder?

Georg Knill

Ja, die geringere Nachfrage spielt natürlich eine Rolle. Dazu kommt, dass die staatliche Investitionsprämie während Covid 50 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst hat: Viele Anlagen wurden bereits erneuert.

Die staatliche Investitionsprämie während Covid hat 50 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst.

Georg KnillPräsident Industriellenvereinigung (IV)

Wie geht's eigentlich Ihrem Familienunternehmen, der Knill-Gruppe?

Georg Knill

Unterschiedlich. Der Energiebereich läuft durch den Ausbau der Erneuerbaren sehr gut. Es herrscht eine große Nachfrage nach unseren Produkten. Im Maschinenbau gemischt: Wir haben stark auf "Made in Europe" gesetzt, das ist jetzt aber zu teuer geworden. Wir müssen die Lieferketten wieder stärker globalisieren, um mit den Kosten runterzukommen.

Muss die Politik Abstriche bei der grünen Transformation machen, weil die Kosten und Investitionen dafür in einer rezessiven Phase nicht zu stemmen sind?

Georg Knill

Die Antwort kann nicht sein: Uns geht's so schlecht, deswegen lassen wir das Klimathema links liegen. Das Bekenntnis der Industrie zum Pariser Klimaschutzabkommen bleibt aufrecht. Aber wir müssen diese Transformation fertig denken. Ziele zu setzen ist einfach, wenn sie jemand anderer umsetzen muss. Und in der Umsetzung ist ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Dekarbonisierung seitens der Politik noch immer nicht vorhanden. Es bringt dem Klima nichts, wenn ich in Europa Erzeugungen verbiete und mir die Produkte dann von irgendwo auf der Welt hole.

Ihr Ausblick auf die Industriekonjunktur 2024?

Georg Knill

Geopolitische Krisenherde wie die Eskalation des Nahostkonflikts nehmen massiv zu. Das bedeutet für die Betriebe ein Navigieren auf kurze Sicht. Ich bleibe trotzdem Optimist. Wir zählen derzeit über 60 Tigerstaaten mit gutem Wachstum auf dieser Welt. Es gab auch früher große Krisen und dennoch eine florierende Wirtschaft – die künftig aber vielleicht nicht mehr so globalisiert sein wird.

Die Globalisierung war der größte Wohlstandstreiber.

Georg Knill

Wenn sie sich abschwächt, müsste auch der Wohlstand sinken. Da bin ich bei Ihnen. Wir werden uns wahrscheinlich etwas bescheiden müssen und auch einmal mit weniger zufrieden sein.

© trend/Sebastian Reich

Steckbrief

Georg Knill

Aktuelle Position
Präsident Industriellenvereinigung (IV)
Beschreibung

Georg Knill, geb. 1973, ist Hälfte-Eigentümer der Knill-Gruppe und seit Juni 2020 Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung. Die Knill-Gruppe (Gruppenumsatz rd. 450 Mio. Euro, rd. 2.300 Mitarbeiter) ist ein global tätiges Familienunternehmen mit 30 Töchtern in 18 Ländern in den Bereichen Energieinfrastruktur und Sondermaschinenbau.

Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 10.11.2023 entnommen.

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