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Energiemarkt: Warum Energieversorger beim Wasserstoff zögern

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Peter Sattler, Managementberatung Horváth

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In ihrem fieberhaften Bemühen um erneuerbare Energiequellen hat die Europäische Union, und insbesondere Deutschland, das Zeitalter des Wasserstoffs ausgerufen, doch der Motor der Innovation stottert. Trotz der angekündigten milliardenschweren Subventionen zögern die wichtigsten Partner auf dem Weg zur Klimaneutralität – die Energieversorger. Die H2-Strategien in Europa seien zu vage, von der Anschubfinanzierung über den Ausbau des Leitungsnetzes bis hin zur Produktion des begehrten Wasserstoffs, kritisieren die EVU die politischen Ambitionen.

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Eine aktuelle Marktstudie der Managementberatung Horváth 1) zeigt auf, dass die Energieversorger in der DACH-Region im Wasserstoff aufgrund der Unsicherheit und fehlenden Infrastruktur in nächster Zukunft wenig Potenzial im Vergleich zu anderen Energiemarktsegmenten sehen – und das über alle Geschäftsbereiche hinweg, von der Erzeugung über Infrastrukturdienstleistungen bis hin zum Vertrieb. Vier von fünf Topmanagern in der Energiebranche sagen, dass eine gut funktionierende bzw. geplante Wasserstoffinfrastruktur die Voraussetzung sei, zu investieren. Stattdessen fokussieren viele Energieversorger auf den Ausbau erneuerbarer Stromquellen im In- und Ausland: Statt Wasserstoff setzt man vorrangig auf Elektrifizierung. 

Erst jeder vierte Energieversorger hat eine Vorstellung davon, wie sein zukünftiges Geschäftsmodell in punkto Wasserstoff aussehen könnte. Für eigene Investitionen in ein Wasserstoffnetz fehlen den EVU aktuell die Mittel und Kapazitäten sowie Anreize. Mit Blick auf das Jahr 2030 steigt der Optimismus zwar, aber auch nur, wenn es um den Einsatz von H2 in der Industrie geht. Dagegen erwartet niemand mehr, dass Wasserstoff in der Wärmeversorgung privater Haushalte in Zukunft eine Rolle spielen wird. Bei einer früheren Befragung hielten dies noch 12% für möglich.

Infrastruktur als maßgebliche Hürde

Die Geschäftsmodelle im Wasserstoffsegment sind ziemlich herausfordernd, da sie entlang eines erst entstehenden Backbone-Netzes erarbeitet werden können. Das ist auch der Grund für die Zurückhaltung der Energieversorger, die ihre Investitionen vielfach von regulatorischen Maßnahmen abhängig machen. Die Anschubfinanzierung der Politik ist dabei unersetzbar. Denn die Erneuerbaren Energien, Netze und Wärmeinvestitionen binden bereits hohe Finanzmittel und Personalressourcen.

In ihrer Wasserstoffstrategie für Österreich (2022) hat das Klimaschutzministerium die Rolle der Mobilität (Flug, Schiff, Fernverkehr) und Industrie (Chemie, Stahl) für die Zukunftstechnologie Wasserstoff hervorgehoben. Das wird mitunter auch durch die Horváth-Befragung bestätigt. Unter den Energieversorgern sieht kein einziges Unternehmen Potenzial in der privaten Pkw-Nutzung oder Wärmeversorgung, immerhin 58 Prozent erwarten eine Nutzung von Wasserstoff für Lkw und Busse.

Der Optimismus war allerdings schon einmal größer. 2021 waren es noch 78 Prozent der Energieversorger, die an eine Zukunft für Wasserstoff im Schwer- und Fernverkehr geglaubt haben. Auch hier bleibt die Wasserstoff-Produktion und -Verteilung entscheidender Faktor: Die Tank-Ladeinfrastruktur wird auf absehbare Zeit nicht in dem Ausmaß verfügbar sein, wie sie für den flächendeckenden Einsatz benötigt würde. Das wäre aber wiederum eine Voraussetzung für Energieversorger, in die regionale Wasserstoffwirtschaft einzusteigen.

Champagner der Energiewende

Nach allem was wir bisher sehen, wird Wasserstoff vorraussichtlich weniger in der Breite eingesetzt werden als vor wenigen Jahren noch gedacht. Er wird viel mehr zum „Champagner der Energiewende “, also ein rarer, wertvoller Energieträger, der vielseitig eingesetzt werden kann. Wesentlicher Faktor ist die aktuell nicht gegebene Wirtschaftlichkeit von grünem Wasserstoff. Hingegen hat sich die Elektrifizierung in vielen Fällen als wirtschaftlicher herausgestellt, vor allem in der breiten Anwendung, z.B. für lokale Wärmeeerzeugung, Pkw-Individualverkehr oder städtische Busse.


Investitionen in die flächendeckende Versorung im Sinne von Wasserstofftankstellen oder ein verzweigtes Versorgungsnetz sind damit vom Tisch. Zudem hat sich die Nutzung bestehender Pipelines für Wasserstoff ebenso wie der interkontinentale Schiffstransport schwieriger als erwartet herausgestellt. Andere Energieträger, wie z.B. synthetisches (Flüssig-) Gas, das in sonnen- oder windreichen Regionen erzeugt wird, scheinen aktuell vielversprechender.

Fazit

Der Optimismus der Energieversorger in punkto Wasserstoff ist verflogen, da sie sich außerstande sehen, geeignete Geschäftsmodelle zu entwickeln, solange es an ausreichenden Produktionsmengen und geeigneter Speicher- und Leitungsinfrastruktur fehlt. Der Markt geht derzeit in Richtung Elektrifizierung. Es ist daher zu erwarten, dass sich andere Player bemühen werden, insbesondere in der chemischen und in der Stahlindustrie. Für den privaten Einsatz von Wasserstoff – sowohl Raumwärme oder Pkw-Verkehr – sehen die EVU derzeit keine Zukunft.

1) Für die Branchenbefragung "Strategieentwicklung von Energieversorgern 2023" wurde eine repräsentative Auswahl an 70 Energieversorgungsunternehmen (EVU) in der DACH-Region befragt.

Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Managementberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".

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