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Viertagewoche auch bei uns - warum nicht?

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Rechtsanwältin Katharina Körber-Risak
Katharina Körber-Risak ist Rechtsanwältin in Wien und Spezialistin für Arbeitsrecht.©beigestellt / Uwe Strasser
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Ein Pilotversuch in Großbritannien lässt aufhorchen - es geht um die Viertagewoche für alle. Was steckt dahinter? Und kann das ein Rezept gegen den Fachkräftemangel sein? Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak analysiert.

In Großbritannien werden für die nächsten sechs Monate über 33.000 Arbeitnehmer:innen aus über 70 Unternehmen in einer Viertagewoche arbeiten. Angestoßen durch eine große NGO - Four Day Week Global -wird ein Pilotversuch nach der Formel 100 zu 80 zu 100 durchgeführt: 100 Prozent Bezahlung für 80 Prozent der Arbeitszeit mit (mindestens) 100 Prozent Produktivität.

Teilnehmende kommen aus unterschiedlichen Branchen, darunter Bildung, Banken, Pflege, Finanzindustrie, IT, Kfz-Teile Händler, Gastronomie, Marketing etc. Der Trend ist nicht auf UK begrenzt, Island führte bereits 2015 einen ähnlichen Versuch durch, mit positiven Ergebnissen. In Belgien wurde zuletzt ein Rechtsanspruch auf die Viertagewoche geschaffen, dort allerdings ohne generelle Verkürzung der Wochenarbeitszeit bzw. ohne Lohnausgleich.

Ziel des Versuchs, der von namhaften Universitäten wissenschaftlich begleitet wird, ist eine Verbesserung der Work-Life-Balance und der Gesundheit von Arbeitnehmer:innen. Im Fokus steht insbesondere, ob durch die Senkung der Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden die gleiche oder sogar höhere Produktivität erreicht werden kann. Ein Vorteil für die Unternehmen wäre dann einerseits ihre höhere Attraktivität im umkämpften Arbeitnehmermarkt und andererseits geringere Kosten durch weniger krankheits- und Burn-out-bedingte Ausfälle.

Das Bedürfnis nach längeren zusammenhängenden Freizeitblöcken zieht sich quer durch alle Branchen.

In Österreich ist das Projekt noch nicht in der Fläche bekannt. Der Wunsch nach einer Viertagewoche ist zumindest Recruiter:innen aber bereits aufgefallen. Schon vor Corona war zu bemerken, dass das Bedürfnis auf Arbeitnehmerseite nach längeren zusammenhängenden Freizeitblöcken sich quer durch alle Branchen zieht und Arbeitszeitverkürzung z. B. in der physisch fordernden Pflegebranche auch zur offiziellen Forderung der Gewerkschaft wurde. Die SPÖ forderte ebenfalls bereits vor der Pandemie die Viertagewoche mit 32 Wochenstunden, wobei der Entgeltverlust zu je einem Drittel vom Arbeitgeber, vom Staat und von den Arbeitnehmer:innen getragen werden soll. Ein solches Modell mit Lohnausgleich gibt es bislang nicht.

Eine Viertagewoche kann - mit Betriebsrat - aber schon jetzt umgesetzt werden: Die Arbeitszeit kann bis zu viermal die Woche zehn Stunden betragen, wenn regelmäßig der fünfte Arbeitstag frei bleibt. Das muss nicht immer der Freitag sein, die freien Tage können wechseln und natürlich unterschiedlich aufgeteilt werden, sodass eine Besetzung von Betrieben und Abteilungen an fünf oder sechs Tagen gewährleistet ist.

Der Vorteil aus Arbeitgebersicht ist, dass an den vier Tagen bis zu zehn Stunden ohne Überstunden gearbeitet werden kann, Teilzeitmodelle sind natürlich ebenso möglich. Genutzt werden diese Modelle oftmals in Produktionsbetrieben und generell dort, wo planbar beziehungsweise in Schicht gearbeitet wird.

Nicht nur ältere Arbeitnehmer:innen reduzieren ihre Arbeitszeit.

Der Trend geht aber auch in Österreich zur Arbeitszeitverkürzung; zwar nicht politisch, aber in der Realität. Und nicht nur ältere Arbeitnehmer:innen reduzieren ihre Arbeitszeit gegen Ende des Erwerbslebens, sondern auch die Generation Z (geboren 2005 und jünger) sieht ihr Heil nicht mehr im Fulltime-Job und dem Erklettern der Karriereleiter. Männer wie Frauen reduzieren zugunsten ihrer privaten Interessen ihre Arbeitszeit auf ein Ausmaß, aus dessen Einkünften sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, aber nicht reich werden.

Manche Unternehmen positionieren sich daher bereits mit attraktiven Teilzeit-und Arbeitszeitmodellen, Shared-Leadership-Programmen und anderen Maßnahmen, um auf die neuen Arbeits- und Lebensbedürfnisse einzugehen. In manchen Branchen dürfte das aber eher zu noch größeren Sorgen führen: Denn rein nach Adam Riese kann dieselbe Anzahl Mitarbeiter:innen an vier Tagen nicht so viele Kunden bedienen wie an fünf Tagen, mehr Schnitzel am Donnerstag zu produzieren, führt zu unglücklichen Kunden am Freitag.

Andererseits kann aber gerade in diesen Branchen die Erhöhung der Attraktivität des Jobs dazu führen, dass insgesamt mehr Bewerber:innen angelockt werden und sich auch die durchschnittliche Verweildauer im Beruf vergrößert. Damit wäre im Ergebnis allen geholfen.

Der Gastkommentar ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 8. Juli 2022 entnommen.

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