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Peter Csoklich: „Wir sind Vorreiter der Pensionsreform“

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10 min
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 © Wolfgang Wolak

Peter Csoklich ist Gründungspartner der Kanzlei Doralt Seist Csoklich DSC. Er verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Stiftungsrecht und Vermögensnachfolge. Im Mai 2025 wurde er zum neuen Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Wien gewählt.

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Peter Csoklich, neuer Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, über Eingriffe in die Selbstverwaltung, Regeln für den Einsatz von KI und die Anhebung des Pensionsalters für Rechtsanwälte auf 70 als Vorbild für das allgemeine Pensionssystem.

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trend.

Ihr Vorgänger hat vorzeitig sein Amt als Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer zur Verfügung gestellt, weil er in der Funktion zu wenig Zeit für seine eigene Kanzlei hatte. Was gibt es alles zu tun?

Peter Csoklich

Die Kammer ist gut aufgestellt. Aber es gibt Herausforderungen in verschiedenen Bereichen. Da wäre zunächst die Frage der technischen Entwicklung, konkret künstliche Intelligenz, die standespolitische Herausforderungen bringt. Es gibt KI-Modelle, die in Kanzleien eingesetzt und auch von Klienten genutzt werden. Da muss es Regeln geben, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.

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Was kann die Rechtsanwaltskammer dazu beitragen?

Peter Csoklich

Es geht hier um standesrechtliche Fragen. Denn die Verschwiegenheitsverpflichtung ist für uns ein sehr heikles Thema. Es muss sichergestellt werden, dass Klientendaten nicht aus der Kanzlei heraus gelangen. Einfache Modelle bringen keine Probleme hinsichtlich der standesrechtlichen Verpflichtungen. Aber bei hochkomplexen KI-Programmen kann das sehr wohl der Fall sein. Das ist eine ganz, ganz große Herausforderung, wie das beim Einsatz bestehender und auch künftiger KIInstrumente sichergestellt werden kann.

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Der Einsatz von KI-Modellen schreitet, vor allem in großen Kanzleien, rasch voran.

Peter Csoklich

Das ist genau der Punkt. Es drängt die Zeit. Weil alle Kollegen mit Recht erwarten, dass es hier bald Richtlinien oder Empfehlungen gibt. Daran arbeiten die österreichischen Rechtsanwaltskammern gemeinsam mit dem österreichischen Rechtsanwaltskammertag. Das ist eine große Aufgabe.

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Wann werden Sie entsprechende Richtlinien präsentieren?

Peter Csoklich

Es gibt schon Richtlinien, die aber in Überarbeitung sind. Es wird bis zum Herbst einen ersten Schritt geben. Das wird noch zu intensiven Diskussionen mit der Kollegenschaft führen. Aber ein wichtiger Termin dafür wird der kommende Anwaltstag sein.

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Profitieren nur große Kanzleien, die sich teure KI-Programme leisten können, von der neuen Technologie?

Peter Csoklich

Es wird wie bei allen neuen Produkten sein. Die technologische Entwicklung schreitet rasch voran und die Preise werden sinken. Dadurch wird KI auch für kleinere Kanzleien leistbar sein. Aber natürlich haben größere Kanzleien andere Möglichkeiten. Insbesondere große ausländische Kanzleien rüsten schon mit einem Heer von IT-Technikern auf, die eigene maßgeschneiderte KI-Modelle für ihre Aufgaben entwickeln. Aber dennoch werden auch kleine Kanzleien von KI profitieren.

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In den USA gibt es derzeit durch die Trump-Regierung eine massive Einflussnahme auf die Rechtsanwaltschaft. Es sind auch große US-Kanzleien in Österreich und in Deutschland tätig. Die deutsche Rechtsanwaltskammer hat angekündigt, US-Kanzleien verstärkt zu beobachten. Ist das in Österreich auch notwendig?

Peter Csoklich

Es gibt deutliche Unterschiede zwischen der deutschen und der österreichischen Rechtslage. Wir haben keine amerikanischen Kanzleien in Österreich, sondern österreichische Kanzleien, die mit österreichischen und EU-Rechtsanwälten tätig sind und in einem Verbund mit Kanzleien aus anderen Ländern zusammenarbeiten. Es gibt also de facto keine Niederlassungen US-amerikanischer Kanzleien in Österreich. Es sind österreichische Gesellschaften, österreichische Rechtsanwälte, die unserer Standesaufsicht unterliegen. Insoweit glaube ich, dass die deutsche Rechtslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist.

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Auf der Website einer großen US-Kanzlei, die auch in Österreich vertreten ist, steht groß als Programm: „Anpassung an die Trump-Regierung in den USA und der ganzen Welt“.

Peter Csoklich

Die Entwicklungen in den USA sind mit Sorge zu betrachten. Sie zeigen, wie schnell etwas in Frage gestellt wird, das man als absolut sicher ange­sehen hat. Deshalb ist Deutschland in seinem Vorgehen sehr vorsichtig.

Man sieht, wie in Amerika die Machthaber in Kanzleien hineinregieren. Ermutigend ist jedoch, dass es mittlerweile einige ­Gerichtsentscheidungen in den USA gibt, wenn auch noch nicht rechtskräftig, dass diese erschreckenden Aktionen der Trump-Regierung gegen Rechtsanwaltskanzleien nicht rechtskonform sind.

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Wie sicher ist die Selbstverwaltung der Rechtsanwälte in unserem Land?

Peter Csoklich

Ich sehe in Österreich derzeit nicht die Gefahr, dass Selbstverwaltung als solche gefährdet ist, aber man sieht sehr wohl in anderen Ländern, dass die Selbstverwaltung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Verruf gerät und nicht erkannt wird, dass diese in Wahrheit Garant der Rechtsstaatlichkeit ist. Deswegen sollte Österreich rasch die Europaratskonvention zum Schutz des Anwaltsberufs unterzeichnen.

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Wie aktiv beteiligen sich Rechtsanwälte an der Selbstverwaltung ihres Berufsstandes?

Peter Csoklich

In der Plenarversammlung, in der wesentliche allgemeine Fragen behandelt werden, ist die Beteiligung zugegebenermaßen gering. In anderen Gremien wie etwa den Ausschüssen haben wir eine hohe Zahl sehr aktiver Kolleginnen und Kollegen. Da sitzen exzellente Leute in den Gremien, die mit Energie und Engagement dabei sind. Aber die Baustelle ist sicherlich die Frage der Plenarversammlung. Das ist ein Ziel von mir, eine höhere Beteiligung der Kollegenschaft zu erreichen. Das ist für mich ein Warnzeichen. Es zeigt, dass in der Kollegenschaft nicht das Bewusstsein verankert ist, wie wichtig die Selbstverwaltung, sprich die Kammertätigkeit mit ihren Organen, für den Berufsstand ist. Da ist noch einiges zu tun.

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Auch bei den Jus-Studierenden ist ein Rückgang zu beobachten. Liegt das am Berufsbild oder an den Kanzleien?

Peter Csoklich

Schwer zu sagen, denn das Jus-Studium ist ja auch Voraussetzung für andere juristische Berufe. Die Ansprüche vieler junger Menschen an das Arbeitsumfeld haben sich geändert. Da sind die Kanzleien gefordert. Die Kammer kann aber Rahmenbedingungen verändern.

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Was können Sie hier verbessern?

Peter Csoklich

Es gibt von Seiten der Kammer dazu Überlegungen, beim Pensionssystem beitragsfreie Zeiten während der Karenz einzuführen, die dann aber dennoch auf die Pension angerechnet werden.

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Wie steht es generell um die Absicherung der Pensionsvorsorge für Rechtsanwälte?

Peter Csoklich

Wir haben ja zwei Säulen. Ein Umlagesystem und, vereinfacht gesagt, ein Pensionskassensystem. Dieses System wird von den einzelnen Länderkammern verwaltet. Nur Wien und das Burgenland arbeiten da zusammen. Das heißt, wir haben acht verschiedene Umlagesysteme. Daher gibt es Überlegungen, die zu harmonisieren und in ein gesamt­österreichisches Umlagesystem für Rechtsanwälte zusammenzulegen. Das ist keine einfache Aufgabe, aber dieses Ziel werde ich weiterverfolgen.

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Was würde die Zusammenlegung bringen?

Peter Csoklich

Sie würde natürlich zu einer Vergrößerung der Risikogemeinschaft führen, mit der Effizienzgewinne erzielt werden können. Die Kosten könnten gesenkt und weitere Verbesserungen leichter umgesetzt werden. Eben etwa beitragsfreie Zeiten für bestimmte Lebenssituationen. Das ist ein Thema, das schon länger österreichweit diskutiert wird. Ich hoffe, dass dies noch in meiner Amtszeit umgesetzt werden kann.

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Leidet des Pensionssystem der Rechtsanwälte genauso wie das ASVG-Pensionssystem unter der demografischen Veränderung?

Peter Csoklich

Noch haben wir Zuwächse bei den Rechtsanwälten, aber wenn die Zahl zu sinken beginnt, könnten wir vor weiteren Herausforderungen stehen. Wir haben in der Anwaltschaft daher schon Reformen durchgeführt, die der Staat erst vor sich hat – etwa das Pensionsalter sukzessive anzuheben. Bei uns wird das Pensionsalter jetzt auf 70 erhöht, um nach 40 Jahren Beitragszeiten die volle Kammerpension zu erhalten. Da sind wir schon Vorreiter. Wir haben keine Sorge, dass unser Pensionssystem gefährdet ist. Es ist gut verwaltet.

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Sehen Sie eine Veränderung im Image des Anwaltsberufs in der Öffentlichkeit?

Peter Csoklich

Es ist auch eines meiner Ziel, die gesamte gesellschaftliche Bedeutung des Anwaltsberufs stärker zu verdeutlichen. Es gibt etwa in Wien ein Projekt, bei dem Rechtsanwälte in Schulen zum Thema Gewalt und Hass, insbesondere im Internet, Vorträge halten. Aber auch die Verfahrenshilfe ist ein wesentlicher Beitrag, den Rechtsanwälte für die Gesellschaft leisten. Und natürlich muss die Bedeutung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft immer wieder unterstrichen werden. Denn sie ist ein wichtiger Teil für die Absicherung der Rechtsstaatlichkeit unseres Landes.

Zur Person

Dieses Interview ist erstmals im trend.LAW vom Juni 2025 erschienen.

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