Josef Haslinger - österreichsicher Schriftsteller
©APA/Herbert NeubauerDer erfolgreiche Schriftsteller Josef Haslinger hat klare Vorstellungen, worauf man sich bei der Gestaltung der Verhältnisse konzentrieren sollte.
Mit Ihren Büchern liefern Sie prägnante gesellschaftspolitische wie sozialkritische Analysen. Wie gut sprechen Sie Wirtschaft? Wissen Sie am Monatsende, wohin Ihr Geld geflossen ist? Sind Sie ein harter Verhandler in eigener Sache?
In Zeiten, in denen ich mehr verdiene, gebe ich auch mehr aus, achte aber darauf, dass eine Reserve für Unerwartetes bleibt. Gagen zu verhandeln fällt mir schwer. Erst recht, wenn ich die Veranstalter schon kenne. Da verhandle ich meistens gar nicht, sondern nehme, was mir angeboten wird.
Was ärgert Sie am aktuellen Wirtschaftssystem?
Dass es die Reichen noch reicher macht. Und dass es für weite Teile der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, durch Arbeit Wohlstand zu erlangen.
Was halten Sie von Marlene Engelhorns Initiative, die sich im Sinn sozialer Gerechtigkeit für eine Reform der Steuerpolitik in Österreich einsetzt?
Ich teile ihr politisches Anliegen. Es ist jedenfalls eine raffiniertere und sinnvollere Form des alten Spiels von aus der Familienbahn geratenen Millionärskindern, die sich in einem spektakulären Akt ihres unverschuldeten Reichtums entledigen wollen. Früher haben sie Geldscheine von den Hochhäusern geworfen.
Sie haben den Band „Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Schreiben lernen, schreiben lehren“ herausgegeben, wie steht es mit dem „Vom-Schreiben-Leben“? Hatten Sie je Geldsorgen?
Lange hatte ich Geldsorgen. Ich habe alles Mögliche gemacht, um mich über Wasser zu halten. Habe Veranstaltungen organisiert, Artikel geschrieben, war Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung. Aber schließlich hat der Roman „Opernball“ die Lage verändert. Hinzu kam eine Professur in Leipzig, die mich auch längerfristig abgesichert hat.
Was machen Sie mit Ihrem Geld?
Jetzt verlebe ich es mit meiner Familie. Als nach „Opernball“ wirklich Geld im Haus war, habe ich mir von der Universität Leipzig eine Auszeit genommen und bin mit meiner Familie nach New York gezogen. Das hat uns allen gutgetan, und ich habe dort meinen Roman „Das Vaterspiel“ geschrieben. Dann war das Geld auch weitgehend verbraucht.
Was halten Sie aktuell für ein gutes Investment?
Investieren Sie in den Frieden. Er steht im Moment nicht hoch im Kurs, aber für diejenigen, die ihn ersehen, werden Sie eines Tages der Mehrwert sein.
Wie in „Phi Phi Island“ nachzulesen, haben Sie 2004 mit Ihrer Familie nur mit viel Glück den Tsunami überlebt. Hat das Ihren Wertekanon verschoben?
Wenn man in einer Notsituation plötzlich innewird, dass man nun sterben muss, aber mit Glück dann doch davonkommt, hat man mit dem letztlich Unvermeidlichen eine erste Bekanntschaft gemacht. Es war nicht der Götterhimmel meiner Kindheit, der sich aufgetan hat, stattdessen war es ein erster Blickkontakt mit dem Vergehen ins Nichts. Und dieser Blickkontakt bestimmt seither mein Lebensgefühl. Wir sind eingebettet in dieses multiple Werden und Vergehen und haben unsere Möglichkeiten, tätig zu sein und die Entwicklungen zu beeinflussen. Im Fall von Naturkatastrophen jedoch sind wir eine ziemlich kleine Nummer.
Was hat Sie familiär in Sachen Geld geprägt?
Daheim war nicht viel Geld vorhanden. Als ich mit Glück und religiöser Ambition ins Klosterinternat und damit auf den Bildungsweg kam, habe ich mir im Sommer von meinem Vater anhören müssen, welche Maschine er sich für das Internatsgeld in diesem Jahr hätte leisten können. Dieser Hinweis hat sich mir deshalb so unauslöschlich eingeprägt, weil ich gleichzeitig sah, wie bitter nötig diese Maschine für meine Familie gewesen wäre.
Alles ist teurer geworden. Wo sparen Sie derzeit?
Noch kann ich mich ohne Jammern den Gegebenheiten anpassen.
Wofür geben Sie leichten Herzens Geld aus?
Essen, Trinken, Bücher, Reisen, Theater, Konzerte, Kino, was halt so daherkommt und leistbar ist.
Was war das Verrückteste, das Sie sich je geleistet haben?
Der damalige Germanistikprofessor Wendelin Schmidt-Dengler und ich haben an den Präsidenten Kurt Waldheim eine Postkarte von der amerikanischen Gefängnisinsel Alcatraz geschickt und sie auch lesbar unterschrieben. Darauf stand: „Wish you were here!“
Was würden Sie als Künstler auch für viel Geld nicht machen?
Werbung für einen Weinbauern.
Und wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?
Für ein Glas Grünen Veltliner von meinem Weinbauern.
Zur Person
Josef Haslinger
International bekannt wurde der im niederösterreichischen Zwettl geborene Autor Josef Haslinger [*5. Juli 1955] mit seinem 1995 erschienener Politthriller „Opernball“, der auch verfilmt wurde. Es folgten Bücher wie „Das Vaterspiel“ (2000) oder „Phi Phi Island“ (2007).
Von 1996 bis 2021 lehrte Haslinger als Professor für Literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Zuletzt erschien „Mein Fall“, in dem der Autor den ihm als Kind im Sängerknabenkonvikt des Stiftes Zwettl widerfahrenen sexuellen Missbrauch aufarbeitet.
Das Interview ist der trend. edition vom April 2024 entnommen.
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