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Jakob Kirchmayr: Die Kunst als Kartografie des Inneren

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Aktualisiert
Lesezeit
10 min
Jakob Kirchmayr im Garten in der Wiener Innenstadt

Jakob Kirchmayr im Garten in der Wiener Innenstadt

©Elke Mayr
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Eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Authentizität prägen die Werke des Malers Jakob Kirchmayr. Der Künstler im Porträt.

von

Steckbrief

Jakob Kirchmayr

Aktuelle Position
Künstler
Beschreibung

Jakob Kirchmayr wurde 1975 in der dritten Generation einer Künstlerfamilie in Tirol geboren. Sein Werk umfasst Illustrationen, figurative Zeichnungen sowie abstrakte Malerei und wurde in Europa und den USA in zahlreichen Ausstellungen gezeigt. Zuletzt erreichte er mit seinem Fastentuch für die Michaelerkirche in Wien breite, weit über die Landesgrenzen hinausgehende, Aufmerksamkeit.

Kirchmayr lebt und arbeitet in Wien.

Vertretung in Österreich
Preis

Die Werke sind zwischen 2.000 Euro und rund 30.000 Euro erhältlich.

„Ich mag die Vielschichtigkeit“, fasst Jakob Kirchmayr am Ende unseres Gesprächs zusammen. Die Vielschichtigkeit der Farben auf der Leinwand sowie die Vielschichtigkeit an Themen, Gedanken und Emotionen, die in seiner Kunst transportiert werden.

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Jakob Kirchmayr

© Elke Mayr

Der Weg zum Künstler

Jakob Kirchmayr, 1975 geboren, wuchs in Tirol auf. Als Künstler in dritter Generation ist er geprägt von der tiefen künstlerischen Verwurzelung seiner Familie; die ihm ein Erbe von Farbe, Kreativität und Fantasie hinterließ. Als Sohn und Enkel von Künstlern standen ihm die Wege der Kunst von Kindheit an offen. Doch der Weg zur eigenen künstlerischen Identität war kein einfacher.

„Eigentlich wollte ich gar kein Künstler werden. Das war ursprünglich keine Option für mich; auch, weil ich dachte, dass dieser Weg ausgetreten sei.“

Eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Authentizität prägten Jakob Kirchmayrs Reise der Selbstfindung. Seine Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste in in Wien konzentrierte sich zunächst auf die Restaurierung von Kunstgegenständen. Eine Tätigkeit, die sich für den jungen Studenten jedoch bald als zu unsichtbar und einschränkend erwies.

Studienreisen führten ihn früh nach Spanien, dort entdeckte er die Liebe zur Zeichnung und arbeitet an ersten Buchprojekten. Später sollte ihm das erlernte Handwerk jedoch den Beginn seiner Karriere als Künstler finanzieren.

Freiheit ist eine stetige Suche

Jakob KirchmayrKünstler

Von der Suche nach der Freiheit

Das Bedürfnis aus den üblichen Rahmen und Gedankenmustern auszubrechen spiegelt sich in seinen frühen Arbeiten wider, die von einer eindringlichen, fast rohen Suche nach Freiheit zeugen.

Freiheit sei ein wesentlicher Antrieb für ihn. "Frei denken zu können, zu reisen, und Eindrücke aufzusaugen sind wohl auch Voraussetzungen für Entwicklungsprozesse die man in einem Künstlerleben durchläuft. Dabei besteht die größte Freiheit für mich darin, selbstbestimmt arbeiten zu können, mich mit Themen auseinanderzusetzen die von Bedeutung sind und keinem Trend und keiner Mode entsprechen zu müssen."

Ausgehend von dem Figurativen und Zeichnungen für Bücher, entwickelte sich Kirchmayrs Schaffen. „In der Illustration hatte ich einen Bereich für mich gefunden, eine Nische, in der ich mich einige Zeit sehr wohl fühlte."
An die 20 Bücher gestaltete er, genreübergreifend.

Ein einschneidendes Erlebnis führte jedoch dazu, dass sich Jakob Kirchmayr von dieser Art der Arbeit abwandte. Aus der dadurch resultierenden kreativen Krise befreite sich der Künstler, indem er sich vollends der Schaffung großformatiger zunächst figurativer Bilder widmete. Die Kunst wurde zu einem Akt des Trotzes, einer kathartischen Entladung, die Jakob Kirchmayrs Resilienz und Entschlossenheit demonstriert.

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Großformat erlaube ein anderes Arbeiten - wesentlich körperbetonter, so der Künstler.

© Elke Mayr

Kirchmayrs Werk

Jakob Kirchmayrs aktuelles Werk ist stark von Literatur geprägt. Insbesondere von der lyrischen Kraft des griechischen Dichters Jannis Ritsos. Die bewegte Biografie Ritsos’, gekennzeichnet durch politische Verfolgung und persönliche Tragödien, findet in Kirchmayrs Werken einen zeitgenössischen Nachhall.

"Mich begeistert die verdichtete Sprache der Lyrik, die oft viel mit ganz wenigen Worten auszudrücken vermag. Neben Jannis Ritsos begleiten mich Schriftsteller wie Tomas Tranströmer, Giuseppe Ungaretti, oder auch die polnische Lyrikerin Wisława Szymborska bereits seit vielen Jahren. Aber wohl auch durch meine eigene Geschichte, den langen Aufenthalten in Griechenland, fühle ich mich Ritsos Lyrik stark verbunden."

Manchmal fließen direkte emotionale Reaktionen, hervorgerufen durch die Texte des Dichters, in Form von Gefühlen, oder auch Zitaten in Kirchmayrs Werke mit ein und werden in Farbe und Textur umgewandelt.

Damit sind Jakob Kirchmayrs Bilder nicht nur visuelle Kunstwerke, sondern auch Träger literarischer Botschaften, die in den Betrachter eindringen und ihn zum Nachdenken anregen.

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Kirchmayrs Bilder sind auch Träger literarischer Botschaften

© Elke Mayr

"Ich mag die sprachliche Komponente der Arbeiten. Im Laufe des Arbeitsprozesses, manchmal im Zusammenspiel zwischen Malerei und Sprache entsteht eine neue Aussage und es werden Emotionen auf eine spannende Weise transportiert." Das sei, so der Maler, bei abstrakten Arbeiten eine der größten Herausforderungen – „Gefühle und Inhalte zu transportieren.“

"Viele Menschen haben mir erzählt, dass ihnen beim Anblick meines Fastentuchs in der Michaelerkirche die Tränen in die Augen stiegen - ein schöneres Kompliment kann es wohl kaum geben."

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Lyrik des griechischen Dichters Ritsos beeinflussen Kirchmayrs Arbeit und Denken

© Elke Mayr

Für mich beginnt der Prozess mit einem langsamen Annähern, das sich aus der Stille heraus entwickelt

Jakob KirchmayrKünstler

Der Schaffensprozess

Der Schaffensprozess beginnt meistens mit einem spontanen Impuls, der übergeht in ausgedehnte, nahezu meditative Arbeitsphasen und sich dann zu vollendeten Kompositionen verdichtet.

Die Stille spielt für den Künstler in seinem Wiener Atelier dabei eine wesentliche Rolle. „Stille finde ich ganz grundsätzlich wichtig. Um hinzufühlen, zu fokussieren und vielleicht auch, um sich ein bisschen zu verlieren; ein bisschen freier zu werden.“

Das Verweilen und das Einwirken lassen sei ein wesentlicher Teil seiner Arbeit. „Für mich beginnt der Prozess mit einem langsamen Annähern, das sich aus der Stille heraus entwickelt.“

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Die großformatigen Bilder werden für rund 18.000 Euro verkauft - auf Lokta Papier (ca 150 x 280 cm) 

© Elke Mayr

Ein "archaischer Prozess"

Jakob Kirchmayrs Materialwahl – von handgeschöpftem Papier aus Nepal bis zu eigens gebundenen Pigmenten – unterstreicht seine tiefe Verbindung zur physischen Welt. Jedes Material bringt seine eigene Geschichte und Textur in das Kunstwerk ein, was den Bildern zusätzlich eine bemerkenswerte Tiefe und Präsenz verleiht.

"Die Entstehung meiner Arbeiten ist zum Teil mit archaischen Prozessen  verbunden, wie etwa die Arbeit mit Feuer, dem Regen, Erde und Rauch am Fastentuch für die Michaelerkirche in Wien - gleichzeitig kann der Schaffensprozess aber auch leidenschaftlich und lustvoll sein, etwa durch die Sinnlichkeit der Materialien, oder den Einsatz des ganzen Körpers bei großen Formaten. Oft ist die Arbeit an einem Bild aber auch ein richtiger Kampf, geprägt von einer stetigen Suche, vom Hinfühlen, Reflektieren, dem Scheitern, sowie dem Neubeginn. Ein Prozess der sich über Wochen, manchmal auch Monate ausdehnen kann."

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Einblicke in Jakob Kirchmayrs Atelier in Wien

© Elke Mayr

Kirchmayrs Werke sind eine Reflexion seiner persönlichen Geschichte, der Kulturen, die ihn geformt haben, und der globalen Themen, die ihn beschäftigen. Sie sind gleichzeitig intim und universell, persönlich und politisch. Durch die Darstellung abstrakter Landschaften, die sowohl real als auch metaphorisch sind, spricht er Themen wie Umweltzerstörung, politische Unterdrückung und die Unvermeidlichkeit menschlichen Leidens an.

"Künstler können, wenn sie wollen, politisch sein. Ich bin in meiner Arbeit zeit- und gesellschaftskritisch, das ist beim Anblick des Weltgeschehens, der Wut und Ohnmacht die ich dabei empfinde auch gar nicht anders möglich, jedoch habe nicht immer die Kraft dazu. Die Bilder sind sozusagen meine Stimme.“

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