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The Hans: Fish & Chips, Roasts und Gastropubs in London

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Gourmet Hans Mahr hat für den trend London besucht. Obwohl er kein wirklicher Freund der englischen Küche ist, hat er ein paar Gasthäuser entdeckt, die er empfehlen kann.

©Stefanie Hilgarth
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Unser Autor ist an sich kein Freund der englischen Küche. Er empfindet sie grundsätzlich als kulinarische Bedrohung. Aber in LONDON hat er kürzlich ein paar Gasthäuser entdeckt, die durchaus einen Besuch wert sind.

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Nach der Landung am Heathrow Airport führt mich der Weg schnurstracks in das 20 Minuten entfernte Dörfchen Bray, bevor ich nach London weiterfahre. Seit 500 Jahren steht dort ein Backsteinbau mit viel Holz, früher mal Herberge für die Postkutschen. Und heute das originellste und wahrscheinlich beste Wirtshaus von London und Umgebung. "Hinds Head" heißt es und gehört heute dem Pionier der neuen britischen Küche, Heston Blumenthal.

In seinem Hauptrestaurant, dem "Fat Duck", muss man heute rund 400 Euro hinlegen, um die gewagten Kreationen von Ham-&-Eggs-Icecream bis zu Lachs im Lakritzmantel zu genießen. Ehrlich gesagt, das ist mir ein bisschen zu viel, und außerdem fühle ich mich im historischen Wirtshaus mit den Geranien am Eingang ohnehin wohler. Vorne gibt es fünf offene Biere (nicht nur das etwas fade englische ohne Kohlensäure), und dann marschiert man über knarrende Holzböden in den liebevoll ausgestatteten Gastraum. Dort lässt der Drei-Sterne-Koch Höhepunkte der altenglischen Küche servieren: Senf-Ei mit Mayonnaise, Schinkenkroketten, Erbsensuppe mit Speck, Rehcarpaccio mit Krensauce - und als Höhepunkt "Heston's Oxtail und Kidney Pudding".

Nun muss ich zugeben, dass ich der englischen Küche prinzipiell sehr skeptisch gegenüberstehe. Was man in normalen Pubs und Wirtshäusern angeboten bekommt, ist meist zum Fürchten. Die diversen "Pies", meist Faschiertes mit Gemüse und Kartoffelbrei überbacken, oder der nordenglische "Pudding", Blätterteig mit Fleisch und Sauce gefüllt, entsprechen manchmal dem Tatbestand der kulinarischen Bedrohung. Aber der Ochsenschwanz-und-Nieren-Pudding von Heston Blumenthal ist tatsächlich eine Delikatesse. Wie er das schafft, dass die flüssige Fülle und der Blätterteig nicht pampig werden, weiß ich nicht.

"The Hans" Mahr präsentiert: Das Hinds Head, das das originellste und wahrscheinlich beste Wirtshaus von London und Umgebung.

Fine Dining in bester englischer Tradition

Genug der Lobeshymnen, auch in London selbst hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Die sogenannten "Gastropubs" sind nicht nur bei Feinschmeckern dankbar angenommen worden. Vorreiter war das "Anchor & Hope" gleich beim Waterloo-Bahnhof. Auch dort ist es ein bissel duster mit viel Holz rundherum, aber beim Essen kann man nicht meckern: Eine Hühnerterrine mit Entenleber, ein schottischer Kabeljau mit gratinierten Kartoffeln und eine Lammschulter mit Fenchel und Tomaten.

Als Nummer zwei der besten Wirtshäuser gilt das "Harwood Arms" in Fulham. Dieses Gastropub hat von Michelin sogar einen Stern erhalten - für Zwiebelkuchen mit Ziegenkäse, eine Wildterrine mit Senffrüchten und ein Reh in Biersauce mit Pflaumen.

Wer in bester englischer Tradition gerne Wild - möglicherweise vom nach wie vor präsenten Landadel geschossen - verkosten will, der sollte zum "Jugged Hare" pilgern. Dort gibt's nicht nur den namensgebenden Hasen mit Kraut und Speck, sondern auch ein wildes Kaninchen oder zum Einstand ein Rehtartar mit Markknochen. Das alles kommt bei uns zuhause nicht so oft auf den Tisch, daher habe ich's mal ausprobiert - gewöhnungsbedürftig, aber gut.

Noch zwei Tipps, falls die genannten Favoriten ausgebucht sind. Das "Canton Arms" bietet eine Riesenauswahl von britischen Ales plus Ochsenmaulsalat, Rochen von der Ostküste und Lammrippchen aus dem schottischen Hochland. Und im "The Princess Royal" im feudalen Notting Hill wird eines der besten Sunday Roasts von London serviert, eine Art Schlachtplatte mit Rinderhüfte, Schweinebauch und einem halben Hendl. Das Roast wird allerdings nur am Sonntag zu Mittag angeboten. Wer es genossen hat, braucht aber ohnehin kein Abendessen mehr.

Aber weil wir heute beim einfachen Essen sind - was darf bei einem Londonbesuch keinesfalls fehlen? Ja, richtig, eine ordentliche Portion Fish & Chips. Ich erinnere mich noch an meine ersten, damals noch tatsächlich in Zeitungspapier eingewickelt. Das tropfende Öl hat mir die Hose versaut, die Ölflecken sind nie mehr rausgegangen, aber das hat meinen Appetit auf das wahrscheinlich typischste englische Gericht nicht genommen. Heute gibt's kein Zeitungspapier mehr, wenn man eine Portion "auf der Hand" mitnehmen will, bekommt man den Fisch in einer länglichen Paperbox mit Zeitungsdesign draufgedruckt. So ändern sich die Zeiten.

Fish & Chips - das goldene Volksgericht

Wo man die besten Fish & Chips bekommt, darüber scheiden sich natürlich die Geister. Meine Lieblinge sind alle mit der Farbe Gold verbunden, so sollten ja sowohl der Fisch wie auch die Chips aussehen, und manchmal tun sie es auch. Mein erster Tipp ist das "Golden Hind" in Marylebone. Ich kann wählen zwischen Kabeljau, Scholle, Rochen oder Dorsch. Die Chips sind nicht wie bei den meisten anderen in Rinderfett ausgebraten, sondern in Erdnussöl. Ergebnis: Das Ganze ist nicht so schwer und fett, sondern auch für einen ungeübten Magen erträglich.

In Soho wiederum trumpft das "Golden Union" auf. Bitte keinen Luxus erwarten, dort gibt's nur Plastikstühle und Messingbesteck, aber schmecken tut's trotzdem. Und im Süden, in Greenwich, residiert das "Golden Chippy". Dort kann ich den trend-Besuchern nur empfehlen, die große Portion für zwei Personen zu bestellen. Sie ist nur zwei Pfund teurer, aber mit fast doppelt so viel Fisch auf dem Teller. Wenn alle Stricke reißen, wenn die "Goldenen" ausgebucht oder zu weit weg vom Hotel sind, dann gibt's immer noch die "Poppies"-Kette mit insgesamt drei Filialen - fußläufig entweder vom Regent's Park, vom Buckingham Palace oder von der St Paul's Cathedral in ein paar Minuten zu erreichen.

Und wo bleiben die besten der neuen, gehobenen Restaurants? Diesmal, liebe trend-Lesende (hoffentlich ist das richtig gegendert, man kennt sich ja heutzutage kaum noch aus), konzentrieren wir uns nicht auf das "Fine Dining", wie man es heute hochtrabend bezeichnet, nicht auf Gordon Ramsay, den Schreihals, nicht auf Clare Smyth, die große Aufsteigerin, nicht auf das gefeierte "Sketch" oder die New British Cuisine im "St. John", im "Pollen Street Social" und im "Clove Club". Wir konzentrieren uns heute auf die klassische Küche.

ZUM SCHLUSS möchte ich daher noch einmal die Oldies von Londons Kulinarik vor den Vorhang bitten: Für Seafood-Freunde das knallrote "J Sheeky" im West End mit der legendären Platte von Austern, Garnelen, Clams, Herzmuscheln, Meeresschnecken und dann einer ganzen Dover Sole mit Bernaise im Angebot. 100 Jahre hat es jetzt schon offen und ist nach wie vor top - ohne Schnörkel, mit englischem Ledersessel-Charme.

Und last, but ganz sicher not least das älteste Restaurant der Stadt. 200 Jahre hat es auf dem Buckel, hat zwei Weltkriege überstanden, das ehrwürdige "Rules". Dort waren schon alle zu Besuch, von Charlie Chaplin bis Buster Keaton, von Charles Dickens bis Clark Gable - und natürlich Winston Churchill himself. Zuerst einen Cocktail an der Bar im ersten Stock und dann zu ebener Erde am besten "Game", wie die Engländer sagen, also Perlhuhn, Auerhahn, Fasan, Wildtaube und Kaninchen, zumeist aus der eigenen Jagd in den nordenglischen Highlands.

God save the King und die alte - Gott sei Dank verbesserte - englische Küche! Man muss nur wissen, wo man sie genießen kann...

Artikel aus trend. PREMIUM vom 29.9.2023

The Hans

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