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Trend-Forscher Kühmayer: "Mitarbeiter brauchen Freiräume"

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Trend-Forscher Kühmayer: "Mitarbeiter brauchen Freiräume"
KSV-CEO Ricardo-José Vybiral (li.) und Zukunftsforscher Franz Kühmayer.©KSV1870
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Zukunftsforscher Franz Kühmayer und KSV1870 CEO Ricardo-José Vybiral über Lehren aus der Covid-Krise, den Wert von Pandemieplänen und warum sich Unternehmen künftig Resilienz verordnen sollen.

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„Vorne ist da, wo sich keiner auskennt. Und das ist gut so“ – so lautet das Credo des Zukunftsforscher Franz Kühmayer. „Der Blick nach vorne verbindet uns alle miteinander, es ist ja nicht so, dass nicht nur ich Trendforscher bin, das sind wir ja alle, in dem Sinne forschen und blicken wir immer nach vorne. Jeden Tag, wenn wir aufstehen.“

Wüssten wir, was die Zukunft bringt, würde ein deterministisches Weltbild voraussetzen. „Das ist aber nicht der Fall“, so Kühmayer. Und die Rolle des Trendforschers sieht er als „Schmiede der Zukunft, wir bauen sie.“

Zum Handwerkszeug des Trendforschers gehört Entwicklungen und Dynamiken, die erkennbar sind zu benennen, Zahlen, Daten und Fakten zusammen zu stellen und zu analysieren. Und daraus Schlüsse zu ziehen, um Entscheidungen fällen zu können. „Der Welt mangelt es ja nicht an Antworten, sondern daran, schlaue Fragen zu stellen“, sagt Trendforscher Kühmayer.

Für Unternehmen sind Trendforschungen freilich von großer Bedeutung. Trends sind gekennzeichnet durch langwellige, epochale globale Entwicklungen, beobachtet über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Dazu zählen etwa die Veränderung der Arbeitswelt, die Alterung der Gesellschaft und demografischen Konsequenzen. Letzteres sei einfacher zu analysieren, weil die Zeiträume überschaubar sind und somit Trends gut vorhersehbar sind.

Die Signale des Wandels

Im Zuge der bereits ein Jahr andauernden Corona-Krise gibt es mehrere Lehren, die Unternehmen daraus ziehen können. Für Unternehmer gelte es nun noch mehr „die Signale des Wandel“ zu hinterfragen, so Kühmayer.

Die Rolle der Führungskraft liegt darin, diese Trends zu erkennen. Neben Einhaltung der Strategie, von Budgetplänen und der Überwachung der Ausführung gilt es das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Und vor allem zu erkennen, welche Einflüsse auf das Unternehmen wirken die die Planung des Unternehmens zerstören könnte.

„Eigentlich war es schon absehbar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass eine Pandemie hereinbrechen würde“, meint KSV-Chef Vybiral. „Hätten wir uns nicht schon weit besser vorbereiten können?“ Kühmayer dazu: „Was das letzte Jahr gezeigt hat ist, dass unsere Planung, unsere Planbarkeit, die Vorhersehbarkeit regelmäßig auf die Probe gestellt wird – durch Disruptionen. Dies hat bis Mitte Februar gut funktioniert, dann wurden wir alle ins Home Office gebeamt.“

Die Beherrschung vieler Krisen

Nun zu glauben, für alle möglichen Krisen einen Plan zu erstellen, sei der falsche Weg, vor allem aber „vollkommen unökonomisch“. Es sei einfach nicht möglich, einen „Bene-Ordner mit Pandemie, einen mit Krisenvorsorge, einen für Digitalisierung oder Klimawandel und so weiter anzulegen."Die Lösung laute sich nicht auf eine, sondern auf "Krisen überhaupt vorzubereiten. Was sind Querschnittskomponenten, um mich auf Krisen ins Summe vorzubereiten. Und das nennt man dann Resilienz.“

Businesspläne, Budgetpläne, und Vertriebspläne – damit wolle man so gut wie möglich sich gegen unangenehme Überraschungen schützen, so der Trendforscher. Auch wenn man im Geschäftsleben im Gegensatz zum Privaten "das Fehlerlose über das Wahre stellen will." Klarerweise wünsche man sich als Unternehmer und Manager Sicherheit, um keine Überraschungen zu erleben.

Für die Zukunft sei es viel wichtiger, die Erfolgsrezepte der Vergangenheit nicht 1:1 weiter abzubilden, sondern "hungrig zu bleiben, trotz Erfolg und sich immer wieder in Frage stellen".

Die kreativen Löcher im Kalender

Für Führungskräfte seien laut Kühmayer da zwei Dinge notwendig: "Das eine ist, das ist fast ketzerisch: Leistung verhindert Erkenntnis. Wir brauchen Räume, Freiräume, Zeiträume, Energieräume, um uns mit substantielleren Fragen auseinanderzusetzen. Wenn du mit Führungskräften sprichst, die sagen, eine zweite Covid-Krise können wir uns nicht leisten, weil mein Kalender ist schon voll ist, dann weißt du, dieses Unternehmen ist gefährdet.

Trendforscher Kühmayer fordert daher von Führungskräften, ausreichend Freiräume zu schaffen, in Kalendern, in Energiehaushalten oder auch in der Methodik, um sich auf Krisen vorzubereiten. Konkret bedeutet das: mit Menschen sprechen, Inputs sammeln und vor allem auch Zeit zu haben um sie zu verarbeiten - auch mit Dingen, die nicht geplant sind.

Das zweite sei diese "Transformationsarbeit". Führungskräfte müssten sie auch ins Unternehmen hineinbringen. Kühmayer: "So ähnlich wie eine Impfung funktioniert. Ich glaube, dass Führungskräfte ganz starke die Impfmeister sein müssten, indem sie sagen, da gibt es etwas Gefährliches draußen und ich versuche das nicht fernzuhalten, sondern hole eine verdaubare Menge davon ich ins Unternehmen herein, und dann probieren wir mal".

Konkret heißt das, einen Pandemieplan zu erstellen wäre "nicht schlau" gewesen, meint Zukunftsforscher Kühmayer, der vor seiner Karriere als Trendforscher selbst lange Jahre bei Microsoft in führenden Positionen gearbeitet hatte und aus der Praxis plaudern kann. Vielmehr sei es wichtiger, sich als Führungskraft selbst einen Blick in die Zukunft zu verordnen. Sich mit den Fragen auseinanderzusetzen. Etwa: Wenn wir nicht mehr ins Büro gehen, sondern von zu Hause arbeiten - wie funktioniert Digitalisierung, wie funktioniert digitale Kommunikation?

"All das war nicht nur und erst auf die Covid-Pandemie bezogen, das haben wir schon vorher gewusst, seit Jahren sehen wir schon die Entwicklung, dass sich die Arbeitswelt ändert", meint Kühmayer. "Das auszuprobieren und zu testen habe sicher dazu geführt, dass all die Unternehmen, die das schon getan haben, bisher besser durch die Krise gekommen sind, als diejenigen, die mit Ingrimm sich geweigert haben und sagten, 'bei uns geht das nicht'."

Der große Blick

Daher gelte es aber auch zu erkennen, was etwa Homeoffice nicht nur für das eigenen Unternehmen bedeute. "Man muss sich die Arbeitswelt im Größeren anschauen, wenn sich Arbeit ändert." Das bedeutet ja auch für ein Unternehmen und seine Strategie bedeutende Änderungen. Beispielhaft nennt Kühmayer etwa den Wohnungsmarkt, den Möbelmarkt, die Verkehrswege und auch die Mobilität der Menschen und vor allem - infolge der Pandemie ganz aktuell - ein größeres Gesundheitsbewusstsein der Menschen, was die körperliche Fitness und die mentale Gesundheit des Menschen anbetrifft.

Große Bedeutung misst der Trendforscher daher auch den Kooperationen mit Lieferanten und Partnern zu. Die plakative Überschrift "Weg vom Ego-System zum Ecosystem" bekommt gerade in der Pandemiekrise eine neue Bedeutung. Daher sei es auch das "Wohlergehen anderer wichtig sei, um selbst erfolgreich zu sein. "Wir haben wie kaum zuvor festgestellt, wenn es den Geschäftspartnern nicht gut geht, geht es uns vielleicht auch nicht gut." Dahinter stecke aber keine "sozialromantische Idee", sondern eine knallharte Businesslogik, betont Kühmayer. Oder anders gesagt: "Wenn die Flut steigt, dann steigen auch die Schiffe."

Die Rolle der Führungskraft liege darin, diese Trends zu erkennen - neben der Überwachung der Businesspläne, der Einhaltung von Strategie- sowie Vertriebsplänen. Aber auch ein Ecosystem im Unternehmen zu schaffen, eine Art "Intrapreneurship", in dem Mitarbeiter auch befähigt werden, mehr selbst zu entscheiden - und laut Kühmayer "nicht nur alles nach oben zu delegieren. Und dabei müsse jedes Unternehmen seinen eigenen, individuellen Weg finden.

Denn von Patentrezepten oder Erfolgstorys nach dem Vorbild von großen Unternehmen, die sich auf die Zukunft bereits ausgerichtet haben, können für Unternehmen nur bedingt gelten. Neben universellen Fragen habe jedes Unternehmen aber auch individuelle Antworten zu geben, auch aufgrund seiner kulturellen Identität. Und Kühmayer weiter: "Jedes Unternehmen schreibt seine eigene Zukunft."

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