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KSV-Insolvenzstatistik: Angespannte Lage und SIGNA, eine Blackbox als Spitze eines Eisbergs

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Insolvenzstatistik 2023: Die Pleite der SIGNA Holding ist die größte Insolvenz der österreichischen Wirtschaftsgeschichte.

©Elke Mayr
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Die Gläubigerschutzverband KSV1870 hat seine Wirtschafts- und Insolvenzanalyse für das Jahr 2023 vorgelegt. Zur grundsätzlich schwierigen Geschäftslage kommt die Insolvenz der SIGNA Holding als größte Pleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, die noch weitreichende Folgen haben könnte.

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Jährlich Mitte Dezember zieht der Gläubigerschutzverband KSV1870 Bilanz über das Wirtschaftsjahr, holt die Stimmung der heimischen Unternehmer quer über alle Branchen ein und zeigt mit der Insolvenzstatistik die Lage der heimischen Wirtschaft auf.

Im Jahr 2023 war dabei das Thema Nummer Eins die Insolvenz der SIGNA Holding GmbH, die aktuell mit 5,27 Milliarden Euro taxierte größte Pleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Der am 29. November am Wiener Handelsgericht eingebrachte Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung hat nicht nur die Passiva der gesamten Unternehmensinsolvenzen des Jahres 2023 in schwindelerregende Höhen getrieben – ein kumulierter Fehlbetrag von 8,53 Milliarden Euro bedeutet ein Plus von 286 % gegenüber dem Vorjahr – die Insolvenz des von René Benko geschaffenen Immobilien- und Handelskonzerns ist für den KSV1870 auch eine schwer einschätzbare Blackbox.

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Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist 2023 gegenüber dem Vorjahr um 13 % auf 5.401 gestiegen. Aufgrund der Pleite der SIGNA Holding sind die kumulierten Schulden auf 8,53 Mrd. € (+ 286 %) gestiegen.

© KSV1870

SIGNA: Insolvenz mit vielen Fragezeichen

„Wir haben zu SIGNA viel zu wenig Informationen. Es gibt viel zu wenig Transparenz“, gesteht Karl-Heinz-Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz ein, „zu SIGNA gehören allein in Österreich rund 400 Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsführern, Investoren und Beteiligungen. Es ist schwierig, einen Überblick zu bekommen.“

Unklar ist zudem, welche Wellen die Insolvenz der SIGNA Holding noch schlagen wird und welche Folgeinsolvenzen die Pleite noch nach sich ziehen wird. Die erste Folgeinsolvenz ist für Götze jedenfalls ein schrilles Alarmsignal. Am 12. Dezember hat die SIGNA Informationstechnologie GmbH den Antrag auf Insolvenz ohne Eigenverwaltung eingebracht. Ein Fortbestand der Holding ohne ihre zentrale IT-Gesellschaft ist für den Insolvenzexperten des KSV1870 jedenfalls nur schwer vorstellbar. „Eine SIGNA Holding ohne IT wird nicht funktionieren“, sagt Götze, „es ist schwierig einzuschätzen, ob das Kartenhaus einstürzen wird oder nicht. In jeder Einzelgesellschaft gibt es eine andere Situation.“

Sollte es bei der SIGNA-Gruppe bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung bleiben, dann dränge jedenfalls die Zeit, warnt Götze. Die Unternehmensgruppe müsse in dem Fall zudem den Gläubigern zumindest eine Quote von 30 % anbieten – bei dem aktuellen Fehlbetrag von 5,27 Mrd. € also zumindest 1,76 Mrd. €. Erhard Grossnigg, der nun die Sanierung der SIGNA stemmen soll, habe nur eine Option, und die wäre „reduzieren und stabilisieren“, also das SIGNA-Konstrukt auf seinen überlebensnotwendigen Kern herunterzubrechen. „Trotzdem wird es (in der SIGNA, Anm.) weitere Insolvenzen geben“, ist sich Götze sicher.

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Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz: "Die Entwicklung bei SIGNA ist schwierig einzuschätzen.

© Elke Mayr

Sorgenkind Bauwirtschaft

Hintergrund ist auch, dass für den gesamten Bau- und Immobiliensektor, den Kerngeschäftsbereich der SIGNA-Gruppe, bereits das ganze Jahr 2023 besonders schwierig war. Ausgelöst durch enorme Kostensteigerungen, Personalknappheit und gleichzeitig steigenden Zinsen und verschärften Bestimmungen zur Finanzierung von Immobilien und der Aufnahme von Hypothekarkrediten ist die Nachfrage nach Immobilien deutlich zurückgegangen. „Bei den Hypothekarkrediten gab es ein Minus von 51 Prozent. 58 % der Jungen unter 38 Jahre sind nicht mehr in der Lage einen Hypothekarkredit aufzunehmen“, weiß Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding.

Mit gravierenden Folgen für die Gesamtwirtschaft. „Die Wirtschaft stottert dahin, Gewinne sind tendenziell rückläufig. Es besteht zwar noch eine Nachfrage, aber es wird wegen der Kosten immer schwieriger, Aufträge anzunehmen“, analysiert Vybiral, der die Bauindustrie als größtes Sorgenkind der heimischen Wirtschaft bezeichnet.

In der Bauwirtschaft gab es 2023 auch 936 Insolvenzen, um 21 % mehr als im Vorjahr. Als alarmierend wertet der KSV1870 besonders die Entwicklung im Bereich Hochbau, wo die Insolvenzen um 36 % auf 286 gestiegen sind. „Die schon seit rund zwei Jahren sinkende Auftragslage hat sich weiter verschärft. Die Zahl der Baugenehmigungen lag 2023 um rund 50 Prozent unter dem Jahr 2019“, weiß Insolvenzexperte Götze. Höhere Baukosten und eine geringere Nachfrage hätten Bauvorhaben weniger rentabel bis unrentabel gemacht. Das treffe nun auch vermehrt die Bauträger, unter denen die Insolvenzen im Jahr 2023 um 62 % auf insgesamt 81 gestiegen sind.

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Ricardo-José Vybiral, CEO KSV1870 Holding AG: "2024 müssen wir aus dem Stottermodus wieder herauskommen."

© Elke Mayr

Strukturprobleme und Kosten belasten den Handel

Ein weiteres Problemkind der heimischen Wirtschaft ist der Handel, dem der KSV1870 ein bereits seit längerer Zeit bestehendes Strukturproblem bescheinigt. Hinzu komme, dass sich die Erwartungen auf einen vermehrten Konsum nach dem Ende der COVID-19-Pandemie nicht eingestellt haben, stattdessen der inflationsbedingte Kaufkraftrückgang der Privathaushalte schlagend geworden sei und der Handel zudem mit steigenden Energiekosten und höheren Mietpreisen konfrontiert sei.

Diese toxische Mischung hat die Zahl der Insolvenzen im Sektor Handel im Jahr 2023 erstmals auf über 1.000 steigen lassen, ein Plus von 17 % gegenüber dem Vorjahr. Zu diesen Pleiten zählt auch die der zuvor ebenfalls zu René Benkos SIGNA-Reich gehörenden Möbelhandelskette Kika/Leiner, mit einem Fehlbetrag von 132 Millionen Euro die drittgrößte des Jahres.

„Der Handel und die Gastronomie sind Energiekosten-Opfer“, sagt KSV1870 CEO Vybiral, der in diesen Segmenten angesichts der ohnehin herrschenden Konsumzurückhaltung auch die Weitergabe von Preiserhöhungen als besonders schwierig sieht.

Gedämpfte Stimmung in der Wirtschaft

Für Vybiral ist die Geschäftslage in Österreich daher auch „am Scheideweg“. Das belegen auch die KSV-eigenen Umfragen und Business-Search-Analysen. Aktuell beschreibt nur noch knapp die Hälfte aller heimischen Unternehmer (49 %) die Wirtschaftslage als günstig. Wobei es auch Branchen gibt – etwa die der Energieversorger –, die von der Entwicklung profitieren.

Mehrheitlich sind die österreichischen Unternehmer allerdings skeptisch. Die gestiegenen Kosten – Preiserhöhungen, Inflation und Lohnkosten – beschäftigen die Unternehmer aktuell am meisten, mehr noch als der Fachkräftemangel, der im vergangenen Jahr noch die die größte Sorge der heimischen Unternehmen war. Politische Instabilität, neue EU-Richtlinien, die rückläufige Auftragslage und steigende Finanzierungskosten aufgrund höherer Kreditkosten belasten die heimische Wirtschaft zusätzlich. Vybirals Conclusio und Forderung in Richtung der Politik ist daher: „Wir müssen aus dem Stottermodus wieder herauskommen. 2024 werden daher auch Impulse Richtung Export nötig sein.“

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