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„Die Stunde der Wahrheit steht erst bevor“

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„Die Stunde der Wahrheit steht erst bevor“
k.A©Michael Rausch-Schott
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Wirtschaftsanwalt Markus Fellner über Risiken nach Auslaufen der Corona-Hilfen, die Folgen des Ukraine-Kriegs für Unternehmen und mangelnde Risikokapitalfinanzierung.

TREND: Sie zählen viele Banken zu den Kunden Ihrer Anwaltskanzlei und haben darum auch häufig mit der Restrukturierung von Unternehmen zu tun. Die Corona-Insolvenzwelle ist ausgeblieben. Manche Betriebe haben sogar mehr liquide Mittel als vorher. Hat der Staat übertrieben gefördert?
Markus Fellner: Es lässt sich feststellen, dass Überbrückungshilfen zweifellos ihren Zweck erfüllt haben. Aber das waren ja keine Überbrückungszuschüsse, auch wenn manche Unternehmer das vielleicht vergessen haben, sondern Haftungen, Stundungen, Kredite usw., die großteils zurückgezahlt werden müssen. Wenn das jetzt beginnt, wird sich weisen, ob die Hilfen überschießend waren. Ich glaube nicht, dass alle so super dastehen. Die Stunde der Wahrheit steht erst bevor.

Die Kritik, der Staat wäre zu großzügig gewesen, teilen Sie nicht?
Manche Unkenrufe sind berechtigt. Statt Gewinnentgang einen Umsatzersatz zu bezahlen, ist schwer nachvollziehbar. Aber in Summe waren die Programme angemessen. Ich sehe eher das Problem bei jenen Hilfen, wo nicht in Raten, sondern alles auf einmal zurückgezahlt werden muss. Das wird etliche Unternehmen überfordern.

Wenn Sie meinen, dass es erst nach Auslaufen der Corona-Hilfen ernst wird: Erwarten Sie jetzt mehr Sanierungsfälle und Konkurse?
Bestimmt wird es mehr Ausfälle geben. Unternehmen in der Grauzone, die nicht mehr ganz gesund sind, wird es schwerer treffen. Ich gehe aber davon aus, dass die Regierung ihre implizite Ankündigung umsetzt, momentan uneinbringliche Forderungen in Eigenkapital, sprich eine öffentliche Beteiligung, zu wandeln. Deutschland hat das im großen Stil bei der Lufthansa vorgemacht. Es kann aus meiner Sicht aber auch bei kleineren Betrieben funktionieren. Strukturen dafür wären schon vorhanden: die Cofag für die großen, das aws (Austria Wirtschaftsservice, Anm.) für die kleineren Fälle.

Manch kleinere und mittelgroße Bank ist sich aus meiner Sicht der Tragweite dieser Krise noch nicht ganz bewusst.

Birgt das nicht auch die Gefahr, dass der Staat mit einem Bauchladen an Zombie-Unternehmen dasteht, an denen er beteiligt ist?
Natürlich ist dies nur dort sinnvoll, wo nicht ein Unternehmen trotz Eigenkapitalstärkung immer noch marode ist, sondern mittelfristig eine Sanierungschance besteht. Leider ist es in Österreich unüblich, Fremd- in Eigenkapital zu wandeln. Banken machen das nicht gerne, und die Risikokapitalfinanzierung ist sehr unterentwickelt. Für den Staat sehe ich schon die Option, da einzuspringen. Die Rechnung ist simpel: Was kostet mehr? Sozialkosten, Verlust von Know-how etc. bei einer Insolvenz oder das mittelfristige Investment mit ­einer möglichen Rendite beim Ausstieg? Für Bewertung und Beurteilung der Fälle wäre allerdings die Zusammenarbeit mit externen Experten dringend anzuraten.

Der Krieg gegen die Ukraine erhöht das Risiko für Unternehmen. Diese Krise ist wirtschaftlich brisanter als die Pandemie, oder?
Sehe ich auch so. Einerseits sind Unternehmen direkt durch die Unterbrechung von Lieferketten betroffen, was sehr gefährlich werden kann. Andererseits besteht indirekte Betroffenheit durch den Einbruch der Wirtschaft. Die hohen Energiepreise führen dazu, dass sich manche Geschäftsmodelle nicht mehr so wie bisher rechnen. Dazu kommt, dass andere Weltregionen gegenüber der EU Wettbewerbsvorteile durch die enorme ­Differenz bei Treibstoff- oder Gaspreisen haben, die durch die Kostenunterschiede alleine nicht ­erklärbar sind.

Was kann der Jurist raten, wie sich Unternehmen am besten wappnen können?
Der wichtigste Punkt ist, für eine ausreichende finanzielle Deckung zu sorgen und am besten mit den Finanzierungspartnern schon über die Ausweitung von Kreditlinien zu verhandeln, bevor der Bedarfsfall eintritt. Außerdem sollte man das Eigenkapital stärken: Jetzt ist eher nicht die Zeit für Gewinnausschüttungen an die Eigentümer – und wenn, dann unter dem Vorbehalt der Rückzahlung, falls es nötig wird. Und wo irgendwie möglich, sollten Unternehmer vermeiden, von einem Lieferanten oder Kunden zu mehr als zehn bis 15 Prozent abhängig zu sein. Der Fokus ist dabei auf den Einbau von Anpassungsklauseln bei längerfristigen Verträgen zu legen, um etwa Preissprünge bei Vorprodukten – ob das Stahl oder Olivenöl ist – auch weitergeben zu können, damit in einer Lieferkette nicht immer nur einer die höheren Preise schlucken muss.

Bereiten sich Banken aus Ihrer Sicht schon darauf vor, dass etliche ihrer Firmenkunden in Folge der Ukraine-Krise ins Wanken geraten könnten?
Ich glaube, es gibt unter den kleineren und mittelgroßen Banken ein paar, die sich der möglichen Tragweite dieser Krise noch nicht ganz bewusst sind. Anders kann ich mir nicht erklären, dass man sich bei der Präsentation von 2021er-Ergebnissen für die historisch niedrigen Risikokosten feiern lässt. Alle müssten ja ihre Vorsorgen für 2022 spürbar angehoben haben. Denn die Entwicklung ist ja nicht erst durch den russischen Angriff am 24. Februar so brisant. Es gab schon ­Wochen davor Warnungen bei einem G7-Gipfel. Soweit ich es beurteilen kann, sind die großen Bankengruppen in Österreich aber gut gewappnet.

Wird es für Unternehmen schwerer, Finanzierungen zu bekommen, um über gröbere Turbulenzen zu kommen?
Banken sind gesetzlich dazu verpflichtet, risikoadäquat zu finanzieren. Aber sie sind ja nicht die einzige Finanzierungsquelle für Unternehmen – das müsste mehr ins Bewusstsein rücken. Es gibt Investoren wie Fonds oder Family Offices, die Risikokapital zur Verfügung stellen, was hierzulande leider viel zu selten in Anspruch genommen wird. Aber vielleicht ist die Krise ein Einfallstor für mehr privates Eigenkapital. Gerade bei Restrukturierungen ist das häufig viel effizienter – auch wenn diese Investoren eine höhere Marge erwarten als eine Bank.

Voriges Jahr trat eine neue Restrukturierungsordnung in Kraft, die Sanierungen ohne Insolvenz erleichtern soll. Wie fallen die ersten Erfahrungen aus?
Leider wurde die Materie nun minimalistisch umgesetzt. Es gibt kein eigenes Verfahren außerhalb des Gerichts, sondern ein immer noch eng an die Insolvenzordnung angelehntes, was wenig Gestaltungsspielraum bietet. So wird zum Beispiel die Schließung toxischer Tochtergesellschaften verhindert, weil die Reduktion von Mitarbeitern ausgeklammert ist. Außerdem besteht die für ein Unternehmen meist schädliche Publizität nach wie vor. Dementsprechend ist der Effekt gering. Die neue Rechtslage ist wie frühere Anläufe eher ein Misserfolg.

Welche Nachbesserungen würden Sie sich wünschen?
Ich hätte mir ein echtes präventives Restrukturierungsverfahren abseits des Gerichts gewünscht, das es allen Stakeholdern leichter macht, sich zu bewegen. Dem hat der österreichische Gesetzgeber eine Absage erteilt. Die Folge werden vermehrt rein außergerichtliche Verfahren sein, in denen Unternehmen gemeinsam mit den Gläubigern und mit spezialisierten Anwälten – ohne Einbindung der Behörden – an Lösungen arbeiten. Manchmal steht da auch noch das Investitionskontrollgesetz im Weg. Denn wenn ausländische Investoren mit im Spiel sind, dauert die von diesem Gesetz geforderte Prüfung recht lange – und eine gute Lösung kommt dann vielleicht schon zu spät.

Zur Person:
Markus Fellner, geb. 1967, ist studierter Jurist und Betriebswirt. 1999 gründete er mit Kurt Wratzfeld die Wirtschaftskanzlei Fellner Wratzfeld & Partner. Der Wirtschaftsanwalt berät international tätige Banken und Unternehmen des Finanzmarktsektors und ist spezialisiert auf Corporate/M&A sowie die Restrukturierung von Unternehmen.

© Michael Rausch-Schott© FWP
InterviewFellner Wratzfeld & Partner
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