Russische Milliardäre in Österreich
Eine neue Generation von Oligarchen hat Österreich als sicheren Hafen für Vermögen und noble Zweitwohnsitze entdeckt. FORMAT zeigt, welche Ost-Milliardäre hierzulande Business machen.
Im Spätherbst erinnert das niederösterreichische Alpenvorland an die bunt gefärbten Wälder und die Hügellandschaften des südlichen Urals. Vielleicht auch ein Grund, warum sich ein höchst prominenter Russe hier so wohl fühlt und kräftig investiert. Das Gut Brunntal im beschaulichen Rohr im Gebirge glänzt mit waidmännischen Superlativen und russischer Prunksucht. Eigens aus dem Himalaja importierte Wildziegen, seltene Davidhirsche und kapitale Rothirschbullen tummeln sich im streng abgeriegelten 214-Hektar-Revier.
Im zugehörigen Jagd-Chalet wird neben heimischen Trophäen gar ein ausgestopftes Nashorn präsentiert. Der Eigentümer kann es sich leisten: Er zählt mit einem geschätzten Vermögen von 3,5 Milliarden Euro zu den Top-Oligarchen Russlands. Rashid Sardarov machte sein Vermögen mit der South Urals Industrial Group und jettet zwischen New York, London und Moskau. Sein Ruhesitz liegt allerdings in Niederösterreich, wo er um 25 Millionen Euro ebendiese Jagdresidenz der Superlative errichtete.
Russen-Boom in Österreich
Sardarov ist nicht der einzige neureiche Russe, der im Gefolge von Oleg Deripaska, Roman Abramowitsch und Viktor Vekselberg seine Liebe zu Österreich entdeckte. Nicht zu vergessen Elena Baturina, die Frau des früheren Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow, die als Fixstern der Kitzbüheler Society gilt Luxuschalet inklusive. In den vergangenen Monaten erfolgte ein wahrer Run von Taiga-Milliardären auf die Alpenrepublik. Die Oligarchen agieren weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und errichten in Österreich zumeist erst Büroniederlassungen und Verwaltungsgesellschaften. Ergänzt werden die Investments durch den Kauf von schmucken Immobilien vorzugsweise in den Wiener Bezirken Wieden, Hietzing, Döbling und Innere Stadt.
Milliarden-Zocker
Der jüngste Zuwachs der nicht selten wodkaseligen Gesellschaft erfolgte mit dem 56-jährigen Valentin Bukhtoyarov. Der rund 1,3 Milliarden Euro schwere Geschäftsmann gilt als russischer Kohlebaron, der an dem Rohstoffkonzern Sibuglemet beteiligt ist. Er übernahm vor einigen Wochen die Wettpunkt-Gruppe von Hannes Bohinc. Bukhtoyarov gilt als fanatischer Pferdefan und soll auch im Magna Racino von Frank Stronach bereits öfters vorbeigeschaut haben. Der Wettpunkt-Kauf ist laut seinem Austro-Geschäftsführer der Einstieg in Westeuropa.
Der finanziell potenteste Österreich-Fan unter den geheimnisvollen Oligarchen ist Suleiman Kerimov. Rund 5,6 Milliarden Euro beträgt laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes sein Vermögen. Das macht ihn zur Nummer 118 unter den reichsten Menschen der Welt. Über Tochtergesellschaften wie die Wiener Polyfer Handels GmbH ist der Rohstoff-Investor sein Machtzentrum liegt im Düngemittelkonzern Uralkali in Wien engagiert. Auch an der VTB Bank, die an der Ringstraße eine Niederlassung betreibt, ist er maßgeblich beteiligt. Bis vor kurzem nutzte er für seine Wien-Trips eine Boeing 737-700 als Privatjet.
Eine zentrale Schaltstelle seines Wirtschaftsimperiums hat auch der auf eine halbe Milliarde Euro geschätzte Vladimir Krupchak hierzulande etabliert. Als Miteigentümer der Titan Group spielt der robuste Selfmademan eine führende Rolle in der Forstindustrie Russlands. Und er gilt als wesentlicher Empfänger von Gewinnanteilen aus der österreichischen Pulp Mill Holding, die in der Papierindustrie tätig ist.
Fluchtpunkt Wien
Österreich hat als sicherer Hafen für Ost-Milliarden lange Tradition. Ein noch immer recht strenges Bankgeheimnis, diskrete Stiftungen und so mancher Staatsbürgerschafts-Deal sorgen für Attraktivität. Hinzu kommen ein hohes Sicherheitsgefühl und gute internationale Schulen für die Oligarchen-Sprösslinge. Auch politisch und wirtschaftlich bestehen seit Jahrzehnten enge Bande. Oder wie der ehemalige russische Botschafter in Wien, Stanislaw Ossadtschij, es ausdrückt: Österreich ist unser zuverlässiger Partner. Österreich wird in Russland immer als Freund und Partner betrachtet.
Daher hat auch der russische Vizepremier Igor Schuwalow einen stattlichen Wohnsitz in Österreich. Er nennt das Waldschlössl am mondänen Südufer des Attersees sein Eigen. Der führende Wirtschaftspolitiker erwarb 24.000 Quadratmeter Seegrund das Schloss selbst war mit sechs Millionen Euro vergleichsweise günstig. Schuwalow war im Management der Reederei Sowkomflot und im Aufsichtsrat des Energie-Imperiums Gazprom. Sein Vermögen liegt bei vergleichsweise bescheidenen 50 bis 70 Millionen Euro, umso größer ist allerdings der politische Einfluss.
Ural Rakhimov, der Sohn des Langzeit-Präsidenten der russischen Teilrepublik Baschkortostan, schätzt das heimische Flair ebenso. Der Bashneft-Konzern, Öl-Deals und Glücksspiel-Beteiligungen machten ihn vermögend dem rauen Klima der innerasiatischen Mini-Republik ist er nach Wien entflohen. Bei der Etablierung des Spiels 6 aus 40 der Österreichischen Lotterien in seiner Heimat zog er im Hintergrund die Fäden. Die Austro-Residenz des unverheirateten, streng muslimisch lebenden 500-Millionen-Mannes liegt im ehemaligen russischen Sektor in Wien-Wieden.
Oligarchen-Banker
Über die klassische Oligarchen-Ausstattung verfügt Andrej Melnitschenko (Bild). Der Mitgründer der MDM-Bank, die auch in Wien eine Holdinggesellschaft betreibt, verfügt über eine 119 Meter lange Super-Yacht. Seine Ehefrau war einst Miss Yugoslavia und wird von der US-Presse als Oligarechette bezeichnet. Mit Österreich verbindet Melnitschenko vor allem die Fliegerei. So wird sein Privatflugzeug von der in Wien domizilierten Global Jet Austria gemanagt und gewartet.
Ein Fixpunkt für die Elite aus dem Osten sind die Ende November in Wien stattfindenden russischen Wirtschaftstage, die am 24. November von der Galanacht der russischen Wirtschaft gekrönt werden. Spätestens dann sind die Nobellokale Fabios, Steirereck und Novelli wieder voll besetzt mit steinreichen Unternehmern und deren zumeist ebenso jungen wie blonden Begleiterinnen. Und in der kommenden Skisaison erwarten die Spitzenhoteliers in Kitzbühel, Sölden und Zell am See erneut einen Rekord an russischen Gästen. Schon im heurigen ersten Halbjahr stellten die Russen mit plus 25,4 Prozent die Gästegruppe mit dem größten Zuwachs. Vorfreude herrscht auch am Kohlmarkt, wo die Flagship-Stores der internationalen Nobelmarken auf kaufkräftige Kundschaft hoffen.
Neustart für Baby-Oligarch
In Österreich startet auch der einst als Baby-Oligarch titulierte Nikolai Smolenski neu durch. Er nennt in der Wiener Braungasse ein veritables Schloss-Anwesen sein Eigen. Auf dem Vorplatz der Luxusimmobilie parken stets überdimensionale Geländewagen und Sportflitzer der Sonderklasse. Kein Wunder, nannte doch Smolenski einst die englische Sportwagenschmiede TVR sein Eigen. Mittlerweile ist die Fabrik allerdings Geschichte. Smolenski sattelte um und betreibt neben einigen Immobiliengeschäften seit Sommer die Gesellschaft Eagle Aero, die Privatjets verchartert und verkauft.
Auch die Geschäftsbeziehungen österreichischer Unternehmen mit Russland und seinen Teilrepubliken florieren. Jüngstes Beispiel: Beim geplanten Großeinstieg des Investors Ronny Pecik bei der Telekom Austria wird hartnäckig gemunkelt, dass die erworbenen Anteile später gewinnbringend an die russische Vimpelcom bzw. die türkische Turkcell verkauft werden sollen. Der Mann hinter diesen beiden Unternehmen heißt Mikhail Fridman. Der siebentreichste Russe pflegt schon seit Jahren engste Geschäftsbeziehungen mit Österreich. Auch mit seiner Alfa Group und der gleichnamigen Bank ist Fridman hierzulande aktiv. So warb zuletzt die Amsterdam Trade Bank, eine Tochter der Alfa Bank Group, in Österreich mit attraktiven Zinsen. Fridmans Austro-Sitz lag lange am Schwarzenbergplatz einem Ort, wo auch die russische Lukoil eine große Repräsentanz unterhält.
Boris Kandow schätzt Wien als Geschäftsmetropole. Das Büro des Agrotec-Firmenkonglomerats hat der schwerreiche Unternehmer höchst prominent direkt am Stephansplatz eingerichtet. Kandow war einer der ersten Russen, die Österreich als Zentrum ihrer europäischen Handelsaktivitäten entdeckt haben. Unmittelbar nach der Wende hat Kondov hier eine Niederlassung errichtet. Ihm folgten seit Beginn der Neunzigerjahre geschätzte 500 bis 1.000 Russen der absoluten Oberschicht, die hierzulande Stiftungen errichteten.
Zumeist fungiert als Eigentümer der Stiftungen eine Gesellschaft aus Liechtenstein oder der Schweiz. Über die Austro-Vehikel ließen und lassen sich leichter Grundstücksdeals abwickeln besonders in begehrten Kitzbüheler Lagen, wo strenge Grundverkehrsvorschriften gelten. In den vergangenen Jahren haben einige Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfer sogar Stiftungen sozusagen auf Vorrat errichtet, die bei Bedarf an die betuchte Taiga-Kundschaft weitergereicht werden.
Reiche Ost-Kollegen
Neben den Russen stößt nun auch eine neue Gruppe nach Österreich vor, nämlich millionenschwere Ukrainer. Die bekanntesten unter ihnen, die Kluyev-Brüder, die einst die Bank Burgenland kaufen wollten, sind bereits in Wien ansässig. Zugleich erfolgen vermehrte Aktivitäten aus dem weiß-russischen Raum. Enge Vertraute von Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko, vor allem aus der Rohstoffbranche, haben den 19. Bezirk in Wien entdeckt, von wo aus sie Geschäfte tätigen. So steht die Belurs Handelsgesellschaft im Miteigentum der Belagrointorg-Gesellschaft aus Minsk. Ebenso aktiv ist die Beloruskali im Bergbaubereich. Hauptmotivation der Weißrussen ist die Abwertung der dortigen Währung.
Was die finanzielle Elite aus den einstigen Bruderstaaten eint, ist die Hingezogenheit zu Österreich. Damit verbunden ist auch ein gewisses Wohlwollen bei nicht ganz astreinen Deals oder einer dubiosen Vergangenheit. Jüngstes Beispiel: Im Juli konnte Ex-KGB-Offizier Mikhail Golovatov, der mutmaßlich für ein Blutbad im Baltikum verantwortlich ist, nach seiner Verhaftung in Österreich begleitet von weltweiter Aufregung blitzartig wieder ausreisen. Schließlich genießen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Wien und Moskau höchste Priorität.
Florian Horcicka