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Zeitenwende: Unternehmen müssen den Reset-Knopf drücken

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Zeitenwende: Unternehmen müssen den Reset-Knopf drücken
k.A©Getty Images/iStockphoto
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Ukraine-Krieg, Corona, Klimawandel, Lieferkettenprobleme markieren eine Zeitenwende. Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle radikal überdenken. Alte Wahrheiten gelten nicht mehr. Es bedarf eines „Reset“ bzw. Neustarts auf allen Ebenen.

In den zurückliegenden zwei Jahren mussten viele Unternehmen eine Krise nach der anderen meistern – Krisen, die den Wandel der Wirtschaft massiv beschleunigten:

  • Ende März 2020. Der erste corona-bedingte Lockdown. Plötzlich wird Digitalisierung für Unternehmen überlebenswichtig. Seitdem nutzen Beschäftigte, Lieferanten, Kunden und Partner neue Tools im Alltag, haben neue Arbeitsweisen erlernt und neue digitale Kenntnisse erworben. McKinsey schätzt, dass durch Corona die digitale Transformation um fünf bis sieben Jahre beschleunigt wurde.
  • Herbst 2021. In vielen Unternehmen funktioniert der Nachschub nicht mehr, denn die internationalen Lieferketten sind zum Teil bis heute unterbrochen. Tausende von Schiffen voller Waren dümpeln vor den Häfen herum, da diese bereits mit Containern vollgestellt sind, die niemand mehr abtransportiert. Zudem werden die Auswirkungen des Fachkräftemangels deutlicher spürbar als je zuvor.
  • Februar 2022. Russland greift die Ukraine an. Plötzlich haben der Bau von Windrädern und die Energiewende auch eine sicherheitspolitische Relevanz. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern gilt es nicht mehr rein aus klima-, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Gründen radikal zu verringern.

Diese Schlaglichter beschreiben die Situation im Jahr 2022. Die Digitalisierung, der Fachkräftemangel und der forcierte Umstieg auf eine klimaneutrale Produktion sind drei Trends, die sich wechselseitig verstärken. Hieraus resultiert ein Turbowandel, der fast alle Branchen erfasst.

Alles muss auf den Prüfstand - von der Arbeitsplatzgestaltung bis zu den Zukunftsstrategien.

Bis 2030 – so die Prognose – entsteht zumindest in den Industrienationen eine völlig neue Wirtschaft: digital, weniger abhängig von Fachkräften und klimaneutral. Denn mit einer Optimierung des Bestehenden allein können die Unternehmen in dem radikalen Wandel nicht bestehen.

Alles muss auf den Prüfstand: Von A wie der Arbeitsplatzgestaltung bis hin zu Z wie den Zukunftsstrategien, von denen die Unternehmen ihr Handeln leiten lassen.

Unternehmen müssen sich neu erfinden

Bei vielen, insbesondere mittelständischen Unternehmen in der DACH-Region beruhte ihr Erfolg bisher darauf, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten das Bestehende immer weiter optimierten. Die Folge: eine weltweite Spitzenqualität. Doch wie das Beispiel solcher allgemein bekannter Unternehmen wie Siemens zeigt, genügt das für die Märkte der Zukunft nicht mehr.

Über Jahrzehnte baute Siemens zum Beispiel das nötige Know-how auf, um weltweit die besten Gasturbinen zu entwickeln und zu produzieren. Doch wie zukunftsfähig sind diese Anlagen noch? Längst wird in dieser Sparte Personal abgebaut. Zugleich befindet sich der Konzern in einer radikalen Transformation – weg vom Ausrüster, hin zum Softwareunternehmen.

Die Wirtschaft im Jahr 2030 wird weitgehend digital, grün bzw. umwelt- und klimaschonend und automatisiert sein.

Ein weiteres Beispiel: Der Erfolg von Microsoft beruht darauf, dass sich das Unternehmen – anders als IBM – in den vergangenen Jahren immer wieder neu, erfolgreich erfand. Vergessen sind solche Flops wie

  • der Versuch, den mobilen Markt mit einem eigenen Betriebssystem zu erobern,
  • das Betriebssystem Windows Vista, das bis heute als eine der größten Pleiten der Firmengeschichte gilt
  • und die großteils unerfüllten Erwartungen der Suchmaschine Bing.

Microsoft hat es stattdessen geschafft, Fehlschläge zu verkraften, die richtigen Lehren daraus zu ziehen und die eigene Rolle immer wieder neu definieren. Mit dem Clouddienst Azure und Microsoft Teams gehört das Unternehmen jetzt zu den Vorreitern der digitalen Ökonomie.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele von Unternehmen, die eine solche Transformation bzw. Metamorphose durchliefen oder sich gerade in dem Prozess befinden, sich neu auf die Märkte von morgen aufzurichten. Auch der DVD-Verleiher Netflix entwickelte sich etwa zum Streamingdienst.

Eine solche Transformation ist, sofern die Bereitschaft dazu besteht, möglich. Denn trotz aller Unsicherheiten haben die zentralen bzw. fundamentalen Veränderungen eine klare Richtung: Die Wirtschaft im Jahr 2030, die wir heute schon am Horizont sehen, wird weitgehend digital, grün bzw. umwelt- und klimaschonend und automatisiert sein.

Erforderlich: Ein Reset auf vier Ebenen

Um in diesem Umfeld noch ein relevanter und somit erfolgreicher Player zu sein, benötigen die Unternehmen einen „Reset“ auf vier Ebenen:

  • einen Reset der Unternehmensstrategie,
  • einen Reset der Organisation,
  • einen Reset des Führungsverständnisses und
  • einen Reset im Mindset der Beschäftigten.

Diese vier Ebenen sind untrennbar miteinander verknüpft, denn: Was hilft die visionärste Strategie, wenn die Unternehmensstrukturen im Alten verharren, die Führungskräfte nicht mitziehen und die Beschäftigten sich nicht weiterentwickeln?

Doch was bedeutet es eigentlich, einen Reset zu vollziehen, eigentlich? Das Unternehmen muss alles, was es bisher dachte und tat, hinterfragen, in kleine Puzzleteile zu zerlegen und sich zu fragen: Wie lassen sich diese zu einem neuen, erfolgversprechenden Gesamtbild zusammenfügen? Den „Reset-Knopf“ drücken, heißt also, gedanklich alles auf null zu stellen und sich beispielsweise zu fragen:

  • Welche unserer (Kern-)Kompetenzen sind künftig noch relevant bzw. welche neuen könnten wir entwickeln?
  • Welche Produkte werden mittel- und langfristig (noch) nachgefragt? Wie könnte unser neues Produktportfolio aussehen?
  • Wie müssen wir künftig – auch mit externen Dienstleistern wie Lieferanten – zusammenarbeiten? Welche neuen brauchen wir?
  • Wie können wir als Organisation optimal auf die radikal veränderten Kundenbedürfnisse, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren?
  • Wie können wir die aus dem Wandel resultierenden Chancen bestmöglich nutzen?

Gerade mit der letzten Frage gilt es, sich intensiv zu befassen, denn: Aus jeder Veränderung erwachen auch neue Bedürfnisse und somit Märkte.

Durch den Wandel entstehen Billionen-Märkte

Deshalb ist die These nicht gewagt, dass weltweit gerade Billionen-Märkte entstehen – zum Beispiel für Unternehmen, die innovative Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Nachhaltigkeit entwickeln. Das eröffnet Unternehmen, die sich neu erfinden, die Chance, künftig viel stärker zu wachsen als solche, die nur über die aktuellen Probleme bzw. Herausforderungen klagen. Niemand brachte das in diesem Jahr so gut auf den Punkt wie Larry Fink, der CEO des weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock. In seinem jährlichen Brief an die Unternehmenschefs der Welt schrieb er: „Wir setzen auf Nachhaltigkeit. Nicht weil wir Umweltschützer sind, sondern weil wir Kapitalisten sind.“

Diese Aufbruchsstimmung in neue Märkte, Begeisterung für den Wandel und Betrachtung der angestrebten Nachhaltigkeit als wirtschaftliche Chance, müssen die Entscheider in den Führungsetagen der Wirtschaft, aber auch Politik entwickeln und zeigen. Dann können sie den Wandel hin zu einer digitalisierten, weitgehend automatisierten und nachhaltigen Wirtschaft aktiv gestalten und dafür sorgen, dass ihr Unternehmen zu den Gewinnern dieses Transformations-Prozesses zählt.

Zum Autor

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Jens-Uwe Meyer © beigestellt

Jens-Uwe Meyer ist Autor des Buchs „Reset – Wie sich Unternehmen und Organisationen neu erfinden“, das im März 2022 im Verlag BusinessVillage erschienen ist. Der Erfolgsautor von vierzehn Büchern gilt als einer der wichtigsten Vordenker für Innovation und Zukunftsstrategien. Er ist CEO des Softwareunternehmens Innolytics AG, Leipzig, und ein gefragter Keynote Speaker.

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