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myrobin: Lieferung per Anhalter

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Gründer Hannes Jagerhofer: "Der Markt für myrobin ist nahezu unendlich."

©News Ernst Kainerstorfer
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Zweiter Anlauf von Event-Guru Hannes Jagerhofer, der mit seinem vor zehn Jahren gegründeten Start-up myrobin die Logistikbranche umkrempeln will.

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Niki Lauda, Attila Dogudan, Dietrich Mateschitz, René Benko, Herbert Koch – die Namen der Investoren, die vor mehr als zehn Jahren hinter der Idee von Hannes Jagerhofer standen, lesen sich wie das Who 's who der heimischen Wirtschaft. Der Event- und Marketing-Manager, der seit bald drei Jahrzehnten die internationale Beachvolleyballszene nach Österreich bringt, stellte im Jahr 2012 an einer Tankstelle fest, dass in nahezu jedem Fahrzeug nur ein Fahrer sitzt und vermutlich auch der Kofferraum leer ist. Das war der Startschuss zu myrobin, einer Crowdlogistik-Plattform, die jene, die etwas zu verschicken haben, mit jenen, die etwas transportieren können, vernetzen.

Die Amateur-Logistiker waren dabei immer "Menschen, die ohnedies aus beruflichen oder privaten Gründen unterwegs sind – und das mit Bruttoregistertonnen von leerem Fassungsvermögen." 20.000 Fahrer und 60.000 zugestellte Pakete innerhalb von sechs Monaten bestätigten das Potenzial der Idee – und riefen all jene auf den Plan, die dadurch ihr Logistik-Business bedroht sahen. Jagerhofer: "Wir haben nicht damit gerechnet, was für ,Freude' wir damit bei gewissen institutionellen Organisationen ausgelöst haben." Eine Anzeige ließ schließlich das Fass überlaufen: Jagerhofer war gezwungen, die Plattform nach einem knappen Jahr vom Netz zu nehmen.

Gute sechs Jahre später – Jagerhofer gründete inzwischen auch checkrobin, eine B2B-Versandplattform für kleinere E-Commerce-Unternehmen – stellte die WKStA ihre Erhebungen ein. Der Weg dafür, myrobin wiederzubeleben, war frei.

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Hannes Jagerhofer will es noch einmal wissen - mit der Neuauflage von myrobin.

© Bernhard Horst

Jagerhofer tat dies, indem er nach den Pandemiezeiten die ursprüngliche Plattform einfach wieder online stellte. Und war erstaunt über mehrere Dutzend Registrierungen pro Monat – heute sind es bereits 4.600 Fahrer:innen in Deutschland und Österreich, die für individuell zu vereinbarende Beträge Transportfahrten unternehmen. "Das Wachstum des alten Testballons, ohne auch nur einen Cent ins Marketing investiert zu haben, sind gute Voraussetzungen", so Jagerhofer, der vor allem auch von der absoluten Verlässlichkeit der Privatfahrer begeistert ist: "Die Eigenverantwortung der Menschen, die für myrobin unterwegs sind, ist enorm."

Einen anderen Beleg dafür, dass "die Zeit für myrobin wiedergekehrt ist", hat Jagerhofer in den USA erlebt. Schon 2015 wurde er von einem US-Amerikaner namens Marc Gorlin kontaktiert, der ebenfalls an einer Crowd-Logistik-Lösung interessiert war. Jagerhofer versorgte ihn vor Ort mit seinen gesammelten Erfahrungen, woraus "Roadie" wurde – ein überaus erfolgreiches Start-up, dem 2021 ein Exit an UPS um 570 Millionen US-Dollar gelang.

Für Jagerhofer durchaus ein Ansporn, myrobin für die heutige Zeit aufzupolieren. Wobei bis auf die Grundidee alles neu und unter Einsatz sämtlicher technischer Möglichkeiten programmiert werden soll.

"Ich bin seit zwei Jahren unterwegs, um die Bedürfnisse im Bereich der Logistik zu erheben. Wir schauen uns Case für Case an, wo wir mit unserer Crowdlogistik hilfreich sein können." In einem Monat soll mit den konkreten Arbeiten begonnen werden. Derzeit werden intensiv qualifizierte Mitarbeiter:innen gesucht, acht Leute sollen das Kernteam bilden, zehn Programmierer werden benötigt, vor dem Start im Mai 2024 kommt noch das Sales-Team dazu.

Hornbach, ÖBB & Co

Denn myrobin soll nicht nur als klassischer Marktplatz für individuelle Transporte fungieren, sondern auch ein Angebot an Handelsketten darstellen, den Transport von online erstandenen Waren an die Kunden via myrobin-Fahrergemeinschaft zu transportieren. "Wir werden für die letzte Meile extrem gut aufgestellt sein und eine Dienstleistung anbieten, die klassische Zustelldienste ergänzen wird, vor allem auch hinsichtlich der stark steigenden Zahl an Paketboxen. Dabei sparen wir Verpackung und produzieren kaum zusätzliches CO2."

Jagerhofer ist dazu bereits in vielen Gesprächen, etwa mit Hornbach oder Ikea, Willhaben, Hinterlegungsboxen-Anbietern, Flughafen Wien für das Lost-&-Found-Management und auch mit den ÖBB: "Wir fangen bis Ende Oktober mit einem Testlauf zwischen Wien und Graz an, um herauszufinden, wie viele Fahrgäste bereit sind, Pakete von einem zum anderen Bahnhof zu transportieren. Wir glauben, dass das sehr gut funktionieren kann." Nachsatz zum bereits eruierten Potenzial für myrobin: "Der Markt für unser Produkt ist nahezu unendlich", nicht zuletzt aufgrund der geplanten EU-weiten Skalierung.

Doch bis dahin muss Jagerhofer noch kräftig investieren. Fünf Millionen Euro schätzt er den Bedarf, um binnen eines halben Jahres nach Start wettbewerbsfähig zu sein und wie geplant nach 2,5 Jahren den operativen Break-even erreichen zu können. Nach einer internen Kapitalerhöhung – einige der ursprünglichen Investoren sind nach wie vor an Bord – und einigen neuen Partnern soll nun eine Crowdfinanzierung via Conda dabei helfen, das nötige Kapital aufzustellen. Doch da ist Jagerhofer – wie immer – zuversichtlich: "Das Coole ist, dass man im Leben nicht mehr oft die Chancen hat, eine so große Branche mit einer disruptiven Idee anzugreifen. Dabei ist es nicht so schwer: Wir gehen einfach auf die Bedürfnisse des Markts ein."

myrobin Crowdinvesting Kampagne

Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 25.8.2023 entnommen

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