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Wiener Manufakturen: Luxus mit Tradition

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Markus Scheer erweitert sein Portfolio, vom Maßschuh ausgehend zu einem beeindruckenden Lederuniversum.

©trend/Lukas Ilgner
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Wer sich für geschichtsträchtige Manufakturen begeistert, ist in Wien genau richtig – vom k. u. k. Hofschuhmacher bis zu einer der ältesten Silberschmieden der Welt. Ein Blick in das neue trend.LUXURY.

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In der Bundeshauptstadt lassen sich etliche familiengeführte Handwerksbetriebe entdecken, in denen bereits die sechste, siebente oder gar achte Generation zu Werke geht. Unabhängig von der Zunft gilt es, die kostbaren Traditionen in das dritte Jahrtausend zu übertragen und dabei das unbezahlbare handwerkliche Know-how mit modernen technischen Lösungen zu verbinden sowie Altbewährtes behutsam zu adaptieren, ohne dabei an Identität zu verlieren. Während die einen auch Zeiten überstanden, in denen die Wertschätzung für Handgefertigtes geringer war, mussten andere für immer schließen. Es gibt kein Allgemeinrezept für den Balance-Akt zwischen Tradition und Zeitgeist. Umso spannender ist es, zu ergründen, wie bestehende Manufakturen diesen Herausforderungen begegnen.

Luxus im Wandel der Zeit

Neue Gegebenheiten schaffen neue Herausforderungen, und diese erweitern immer wieder den Horizont des Handwerkers. In einem Familienbetrieb implementiert meist die jeweils jüngste Generation notwendige Neuerungen – ob Produktdiversifikation oder technische Errungenschaften. Die Konstanten bleiben unangetastet: die wohlgehüteten Familiengeheimnisse, die fachliche Expertise und die Grundwerte des Unternehmens, welche zumeist auf kompromisslosen Qualitätsansprüchen beruhen.

Markus Scheer, seines Zeichens Meisterschuhmacher in siebenter Generation – die Historie reicht in das Jahr 1816 zurück –, ist ein wahrer Philosoph, dem es vorzüglich gelingt, seine Wertewelten zu erklären und weiterzugeben. Ihm geht es um die Pionierhaftigkeit des Handwerks, die durch die Komplexität des menschlichen Gehirns im Zusammenspiel mit manueller Kunstfertigkeit unübertrefflich ist: „Es wird nie etwas Besseres geben. Dem müssen wir treu bleiben und erklären, wie wichtig Handwerk ist – als fixer Bestandteil unserer Gesellschaft.“ Für den Erben des einstigen k. u. k. Hoflieferanten Rudolf Scheer & Söhne bedeutet das unter anderem, dem Material Leder zu hundert Prozent treu zu bleiben. Leder sei in der Summe seiner Attribute unübertrefflich: Natürlichkeit, Verträglichkeit, Reparierbarkeit – Nachhaltigkeit pur. Dazu kommt die Interaktion mit dem Kunden: Der Mensch, der für einen anderen Menschen etwas fertigt. Individueller geht’s nicht.

Welches von Scheers fünf Kindern eines Tages in welcher Form für den Fortbestand des Familienunternehmens sorgen wird, steht noch nicht fest. Die älteste Tochter studiert Medizin – es geht in Richtung Fußchirurgie. Sie könnte durch ihre Profession neue Aspekte einbringen. Den Social-Media-Bereich hat die zweite Tochter (17) bereits übernommen.

Wie seine Vorfahren bildet Markus Scheer laufend Schuhmacher im Haus aus, um die Existenz dieses komplexen Handwerks generell und die Zukunft des Unternehmens im Speziellen zu sichern. Wie schon immer bei Scheer ist man offen für Neues. Zuletzt hat man das maßgefertigte Uhrband in das Portfolio aufgenommen, zum einen, weil die Standardbänder auch bei sehr teuren Uhren qualitativ weder dem Zeitmesser noch dem Träger gerecht werden, zum anderen, weil limitierte Uhren oder gar Einzelstücke dadurch zusätzlich veredelt und individualisiert werden können. Die Möglichkeiten sind grenzenlos – vom Schuh über den Gürtel und das Uhrband bis hin zur Kofferserie oder Interieur-Elementen. Das über Jahrhunderte gesammelte Know-how von Scheer lässt sich überall einsetzen, wo Leder verarbeitet werden kann.

Alles Silber, was glänzt

Aus der Zeit gefallen … so ungefähr fühlt es sich an, wenn man die älteste und gleichzeitig letzte Silbermanufaktur Wiens betritt. Der in sechster Generation von Jean-Paul Vaugoin geführte Betrieb im siebenten Bezirk ist ein Geheimtipp für Menschen, die gerne Produkte „für die Ewigkeit“ erwerben, um sich täglich an ihnen zu erfreuen und sie eines Tages der nächsten Generation zu vererben. Neben großen dekorativen Schalen, Spiegeln und Champagnerkühlern finden sich Kleinigkeiten wie Pillendöschen, Schlüsselanhänger und Nippes aller Art von der einfachen Vase bis zum krebsförmigen Salzspender. Man könnte viele Stunden verweilen und hätte noch lange nicht alles gesehen.

Besonders stolz ist man bei Jarosinski & Vaugoin auf die rund 200 verschiedenen Besteck-Dekors, von denen ein Großteil in maßgeschneiderten Schubladen bewundert werden kann. Königshäuser und Dynastien in aller Welt zählen zur Klientel des Hauses. Die Details hütet Jean-Pauls Vaugoin, seines Zeichens Repräsentant der sechsten Generation – das Unternehmen besteht seit 1847.

Ein Standard-Besteckset besteht hierzulande aus sieben verschiedenen Teilen: Messer, Gabel und Löffel für Vor- und Hauptspeise plus Dessertbesteck. Warum hierzulande? In der Tat gibt es regionalkulturelle Unterschiede. In angelsächsischen Ländern ist das Standardset fünfteilig (ohne Kuchengabel und Kaffeelöffel), die Amerikaner wiederum benötigen unbedingt ausgewiesene Salatgabeln im Sortiment, anderen ist die Unterscheidung von zweierlei Suppenlöffeln wichtig – es gibt nämlich Löffel für Suppenschalen und solche für Suppenteller. „Ist die Basis-Ausstattung einmal definiert“, erklärt Jean-Paul Vaugoin, „gibt es noch ein umfangreiches Portfolio an Extras wie Vorlegebesteck, Eislöffel, Fischbesteck, Hummerpicker, Hummerzangen“ – und Teile, von denen der Durchschnittsbestecknutzer noch nie gehört hat, wie Sandwichgabel, Spargelvorleger, Grapefruitlöffel oder Schneckengabel, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Der wahre Schatz hinter den Kulissen sind die Stahlstanzen, in denen das Silber geschmiedet wird. Diese müssen für jedes Besteckteil extra aus gehärtetem Werkzeugstahl angefertigt werden. Kostenpunkt: durchschnittlich 3.000 Euro pro Stanze. Das Lager umfasst über 5.000 Stanzen, von denen der Großteil in einem umfangreichen Buch von antiquarischem Wert erfasst ist. Eine kurze Epoche lang gab es Karteikarten, seit 20 Jahren ist alles digitalisiert. Das zählt zu den wenigen Veränderungen der letzten Jahrzehnte wie auch die Tatsache, dass es keine Werkzeugmacher mehr im Hause gibt: Neu benötigte Stanzen werden mittlerweile von Spezialunternehmen zugeliefert.

Die Sterne der Kaiserin

A. E. Köchert befindet sich seit 1873 am Neuen Markt in Wien. Seit 2005 gibt es am Alten Markt in Salzburg ein weiteres Geschäft. Die Führung des Familienunternehmens liegt in der Hand der sechsten Generation: Christoph Köchert und sein Cousin Wolfgang Köchert in Wien sowie Florian Köchert in Salzburg.

„Es braucht viel Zeit, manchmal auch Generationen, bis sich eine nachhaltige Grundhaltung, ein zeitloser Stil, eine profunde Erfahrung und eine kultivierte, mitfühlende und damit sympathische Persönlichkeit herausbilden kann.“ Dieses Familiencredo der Köcherts unterstreicht, dass ein Unternehmen nur durch charakterstarke Persönlichkeiten erfolgreich zwei Jahrhunderte überdauern kann.

Dabei markieren die ikonischen Sterne für Kaiserin Sisi nicht den einzigen, aber den wohl schillerndsten Meilenstein in der bis 1814 zurückreichenden Geschichte des Unternehmens. Sisis glitzernde Sterne aus dem Hause Köchert waren damals die berühmtesten Schmuckstücke österreichischer Herkunft und sind es wahrscheinlich heute noch. Die Kaiserin besaß 27 dieser Diamantsterne, die sie als Collier, Diadem, Anhänger, Broschen und Haarschmuck tragen konnte. Der k. u. k. Hof- und Kammer­juwelier Alexander Emanuel Köchert hatte sie 1858 im Auftrag des Kaisers für Elisabeth entworfen und hergestellt.

Noch heute werden Sisis Sterne nach den Originalentwürfen gefertigt – als Hommage an eine bemerkenswerte Frau und als ikonisches Schmuckdesign. Wie ihre historischen Vorbilder können sie als Broschen, Anhänger und Haarnadeln getragen werden. An das ursprüngliche Design angelehnt ergänzte Köchert eine modern interpretierte Serie mit Ringen, Ohrsteckern, Anhängern, Armreifen und Armbändern. Bietet auch diese Auswahl nicht genug, lässt man bei Köchert einfach ein individuell gestaltetes Schmuckstück „nach Maß“ fertigen.

Duftkultur seit 1809

Es ist hinlänglich bekannt, wie sehr Kaiserin Sisi Veilchen liebte. Sie ließ im Schloss sogar lila Tapeten anbringen. Auch das extra für sie gefertigte Veilcheneis, damals als „Gefrorenes“ bekannt, hatte es ihr angetan. Diese Passion sollte auch J. B. Filz zugutekommen, denn die älteste Nobelparfümerie Wiens – gegründet 1809 und seit 1872 k. u. k. Hof-Parfumeur – stellte unter anderem ein unwiderstehliches Veilchenwasser her, das Sisis Hofdamen regelmäßig bei ihm abholten. Die Produktion war aufwendig, anstrengend und teuer. Mehrtägige Reisen mussten unternommen werden, um an hochwertige Ingredienzien zu kommen. Um einen Liter Parfumöl herzustellen, benötigte Filz 10.000 Blüten.

Auch wenn der kleine Verkaufsladen voll duftender Kostbarkeiten und liebevoller Beratung am Graben 13 nicht mehr existiert, blieb die Leidenschaft erhalten. Das Wissen um feine Düfte wurde von Generation zu Generation weitergegeben und jedes noch so kleine Geheimnis in einem Rezeptbuch niedergeschrieben. Die Erben verwenden heute wie damals fast ausschließlich natürliche Duftstoffe aus Grasse (Frankreich). Mittlerweile werden neben dem „Imperialen Veilchen“ auch „Eau de Lavande“ und der „Wiener Lieblingsduft“ hergestellt, weitestgehend originalgetreu, wobei gerade das eine große Herausforderung darstellt.

Die Regulative für Parfumeure ändern sich allerdings laufend. Der eine oder andere ursprüngliche Inhaltsstoff darf gar nicht mehr verwendet werden – manche sind allergen, andere als giftig eingestuft. Die achte Generation, bestehend aus drei Geschwistern, ist also damit beschäftigt (allesamt nebenberuflich), Details so zu adaptieren, dass die Düfte den aktuellen Richtlinien entsprechen, ohne ihren ursprünglichen Charakter zu verlieren. Des Weiteren ist es gelungen, eine kleine, aber feine Distribution aufzubauen, und es gibt – wie das heutzutage eben so Standard ist – eine charmante Website samt Webshop, was nicht nur Fans von Kaiserin Sisi in aller Welt sehr zu schätzen wissen.

Der Artikel ist in der allerersten Ausgabe des trend.LUXURY – eines Magazins, das eine Bühne für das Außergewöhnliche bietet - erschienen.

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