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Greiner: Was die neue CEO Saori Dubourg vorhat

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Greiner-CEO Saori Dubourg.

©Greiner AG/Silvia Wittmann
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Seit einem Jahr steht die ehemalige BASF-Vorständin Saori Dubourg an der Spitze des oberösterreichischen Kunst- und Schaumstoffkonzerns Greiner. Für die international erfahrene Managerin liegt die Zukunft der Gruppe in Nordamerika und beim gezielten Ausbau innovativer Geschäftsbereiche.

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Ihre ersten Reisen als CEO von Greiner haben Saori Dubourg zu den wichtigen Standorten in Nordamerika geführt. In Texas besuchte sie das Aviation-Werk und schaute sich an, wie dort innovative Sitzkissen aus Schaumstofffür die großen Flugzeughersteller gefertigt werden. Eine weitere Reise ging nach North Carolina, wo die Medizintechnik-Tochter Bio-One seit Ende der 1990er-Jahre stetig expandiert. Und bedeutsam für das wachsende US-Geschäft ist auch die Tochter Greiner Assistec, die von Mexiko aus technische Kunststoffteile an Kunden in Nordamerika liefert. Dank eines spe­ziellen Abkommens zwischen beiden ­Ländern ist das Unternehmen hier nicht von Zollabgaben betroffen. „Wir sehen Nordamerika als wichtigen Wachstumsmarkt und wollen hier gezielt investieren“, sagt Dubourg.

Dabei befinde man sich in einer komfortabelen Situation. Während Teile der US-Wirtschaft bereits die rezessiven Tendenzen infolge der Zollpolitik von Präsident Donald Trump spüren, zeigen sich die US-Geschäfte von Greiner weiterhin stabil. „Der Flugverkehr kommt nicht zum Erliegen, nur weil plötzlich Zölle verhängt werden. Und auch Joghurt wird weiterhin gegessen.“ Mit Letzterem spielt sie auf die Packaging-Tochter an, die auf Becher und andere Kunststoffverpackungen ­spezialisiert ist.

Die Mischung macht's

Spannend sind die US-Reisen der neuen CEO aber auch noch in anderer Hinsicht. Sie zeigen eindrücklich, wie breit die von ihr geführte Greiner-Gruppe aufgestellt ist: Medizintechnik, Verpackungen, Schaumstoffe. „Ein genauer Blick auf die Produktpalette offenbart aber auch: Plastik ist die Klammer über fast allem“, sagt Christoph Kopp, Industrieexperte bei Horváth & Partners.

Die Aussage mag pointiert klingen, trifft jedoch den Kern: Rund drei Viertel des Umsatzes entfallen auf Medizintechnik (Greiner Bio-One), wo innovative Produkte aus Kunststoff hergestellt werden, sowie auf Kunststoffverpackungen für die Lebensmittelindustrie und andere Branchen (Greiner Packaging). Die restlichen Erlöse liefern Schaumstofflösungen – etwa für die Luftfahrt oder den Möbelbau inklusive Matratzenproduktion. Greiner ist somit ein klassischer Mischkonzern, Teil der Old Economy. Bis 2030 soll es gelingen, zu einem zirkulären Unternehmen zu werden.

Dubourg sieht die breite Aufstellung als Vorteil. „Unsere Diversifikation und aktives Portfoliomanagement sichern Stabilität – auch in Krisenzeiten“, erklärt sie bei der Vorlage der Geschäftszahlen 2024. Der Umsatz hielt sich bei knapp zwei Milliarden Euro auf Vorjahresniveau, bei ­einer nicht näher bezifferten „deutlichen Ertragssteigerung“. Die Ebit-Marge 2023, die im niedrigen einstelligen Bereich lag, bildet dabei die Messlatte nach unten.

Wachstum und Wandel – so könnte man Dubourgs Mission als neue CEO von Greiner zusammenfassen. Immer deutlicher wird ihre Handschrift: In Nordamerika sieht sie einen wichtigen Wachstumsmarkt, zukunftsträchtige Geschäftsbereiche will sie durch gezielte Investitionen und Zukäufe skalieren.

„Saori Dubourg hat im ersten Jahr als Vorstandsvorsitzende wichtige Impulse gesetzt. Besonders beeindruckend ist ihre Fähigkeit, strategischen Weitblick und operative Klarheit zu verbinden“, sagt Aufsichtsratschef Dominik Greiner. Sie habe einen strukturierten Transformationsprozess initiiert, der auf wirtschaftliche Effizienz und ebenso auf Nachhaltigkeit und Innovationskraft abziele. „Das passt hervorragend zu den langfristigen Zielen als Familienunternehmen“, ergänzt der Eigentümervertreter.

Neue Perspektive

Der Wechsel zu Greiner bedeutet für Dubourg auch eine Transformation auf persönlicher Ebene. Ihre gesamte Karriere, in Summe 26 Jahre, verbrachte sie beim weltgrößten Chemiekonzern BASF, wo sie mit Mitte 40 in den Vorstand aufstieg. Deutsche Medien sahen sie gar als potenzielle Nachfolgerin des langjährigen CEO Martin Brudermüller.

Doch ihr Weg verlief anders, Dubourg schied Anfang 2023 bei BASF aus und wurde ein Jahr später zur neuen CEO beim Familienunternehmen Greiner mit Sitz in Kremsmünster bestellt. Hier ist sie die erste Frau an der Spitze.

Der Job führt sie in eine neue Welt: Während BASF an der Börse notiert, befindet sich Greiner in Familienbesitz. Wer zum Hauptsitz will, muss in die Provinz reisen. Bedeutendster Markt ist Europa, während BASF gerade für viele Milliarden sein China-Geschäft ­ausbaut, als dessen Kritikerin Dubourg galt. Sie sagt: „Der Perspektivenwechsel hat mich gereizt – besonders der Einblick in ein Familienunter­nehmen, die größere Nähe zu Endkunden und das Verständnis von Wertgenerierung für die nächste Generation.“

Für den CEO-Job zog die in Augsburg geborene, international sehr erfahrene Managerin (Europa, Asien, USA) mit ihrem Mann nach Wien. Rund die Hälfte der Zeit arbeitet sie vom Greiner-Office am Hauptbahnhof aus, die andere Hälfte ist sie vor Ort in Kremsmünster. „Als ich bei BASF die Region Europa verantwortet habe, war ich auch mehrfach in Österreich. Das Land war somit nicht komplett neu für mich“, sagt die Greiner-Chefin.

360 Grad

In den ersten Wochen in ihrer neuen Rolle hat sie vor allem eines getan: den Dialog gesucht. Mit dem Aufsichtsrat, mit Standortleitern, mit Kunden, Banken, Investoren. Ihr sei es darum gegangen, erzählt sie, ein vollständiges Bild zu gewinnen, das zeige, wo Greiner steht. Aus diesen Gesprächen sei dann ein konkreter Plan entstanden: Wo liegen strategische Chancen? Und wo braucht es Vorbereitung auf raue Zeiten – etwa bei Neveon?

Die Schaumstofftochter leidet unter Überkapazitäten. Dubourg entschied, drei Werke in Deutschland zu schließen, mehr als 200 Arbeitsplätze sind betroffen. Ein schwerer, aber aus ihrer Sicht notwendiger Schritt. „Kosten zu senken, tut immer weh. Deshalb ist es umso wichtiger, offen zu sprechen, Entscheidungen zu erklären, nicht auszuweichen“, sagt sie.

Ihr Führungsstil bei Greiner erinnert an das, was ihr bereits bei BASF attestiert wurde: analytische Klarheit gepaart mit sozialer Kompetenz. Dort empfahl sie sich mit einer erfolgreichen Restrukturierung für den Vorstand. Im Jahr ihrer Bestellung, 2017, kürte sie das „Manager Magazin“ zur „Prima inter Pares“ der 100 einflussreichsten Businessfrauen Deutschlands.

M&A

Ein Jahr nach Jobantritt bei Greiner benennt sie nun erstmals die Felder, die sie skalieren will: Greiner Assistec (technische Kunststoffteile), Bio­Science (Spezialprodukte für Zell- und Gewebekulturen) und Mediscan (Sterilisation). „Es wird eine Kombination sein aus Investitionen, die Skalierung ermöglichen, und – in Einzelfällen – gezielten Akquisitionen“, kündigt die CEO an.

Am weitesten fortgeschritten ist der Wandel bei Mediscan. Hier hat Greiner in Kremsmünster bereits stark investiert, um das Unternehmen zum größten Sterilisationszentrum für Medizinprodukte Europas auszubauen.

Das gesamte Investitionsbudget für heuer liegt bei rund 120 Millionen Euro. Etwa ein Drittel verbleibt typischerweise in Österreich – ein Bekenntnis zum Standort, aber auch zur Balance zwischen globaler Expansion und regionaler ­Verwurzelung.

Prioritäten

Für die Gruppe im Transformationsprozess hat Dubourg klare Prioritäten formuliert, anhand derer sie aufkommende Themen beurteilt. Etwa, dass einige Mitbewerber stark in Recyclingkapazitäten investieren. Das sei für sie aber derzeit kein Thema. Das vor einigen Jahren in Serbien gekaufte Werk diene vor allem dem Know-how-Aufbau.

Zurückhaltend äußert sie sich auch zu einem möglichen Engagement in der Rüstungsindustrie. „Wir verfolgen keine aktive Strategie, uns hier zu engagieren“, stellt sie klar. Die Rüstungsindustrie sei sehr weit entfernt vom heutigen Portfolio, sagt Dubourg, die über ein Aufsichtsratsmandat bei Rheinmetall tiefere Einblicke in die Branche hat. In Sachen Expansionspläne sei man hingegen generell offen. „Aber in Asien haben wir unsere Hauptproduktion in Thailand, von der aus wir ganz Asien beliefern, insofern haben wir noch keine Produktion in China.“

Falls sich das mal ändern soll, kennt sie aus BASF-Zeiten eine Asien-Expertin, die mittlerweile auch in Österreich ist: voestalpine-Vorständin Carola Richter. „Wir haben uns einmal zum Mittagessen getroffen“, sagt Dubourg, die unter anderem im Vorstand der IV auf Bundes- und Landesebene vertreten ist und im EU-Advanced Materials Council.

In puncto Networking sei sie gut ausgelastet. „Wer sich ausschließlich nach außen orien­tiert, verliert leicht den Fokus auf die eigentlichen Ziele“, sagt sie. Und die liegen für sie bei Greiner.

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 23. Mai 2025 erschienen.

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