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Franz C. Bauer: Die Wirtschaftsfront

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Franz C. Bauer, trend-Redakteur
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Russlands Überfall auf die Ukraine ist längst zum Wirtschaftsweltkrieg geworden. Dessen Ausgang hängt von uns allen ab.

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Vermutlich wird es einige Russinnen ein wenig ärgern, dass die Modekette Zara ihre Filialen in dem kriegführenden Land gesperrt hat. Dass die Kreditkartenorganisationen Visa, Mastercard und American Express ihren Service in Russland eingestellt haben, trifft vermutlich schon mehr Opinion Leader -so etwas schmerzt. Das Leben im flächenmäßig größten Land der Erde wird eintöniger: Die deutschen Automobilkonzerne VW, Mercedes und BMW, die Sportartikelmarken adidas und Nike, Hennes &Mauritz und die französische Nobelmarke Hermès, die Kommunikationskonzerne Apple, Nokia und Ericsson -sie alle kappen ihre Verbindungen zum Aggressor. Weitere Unternehmen werden folgen.

Noch eher fern von der russischen Bevölkerung dürfte die bisher schärfste Antwort der freien Welt sein, nämlich die Abkoppelung von Teilen der russischen Finanzwirtschaft vom internationalen Zahlungssystem SWIFT. Der Zerfall der russischen Währung trifft die Bevölkerung eines Landes, in dem die Binnenwirtschaft dominiert und das seine Energieexporte ohnedies in Fremdwährungen verrechnet, zumindest kurzfristig nur am Rande.

Klar ist dennoch: Die Kombination aus einem Boykott durch westliche Konzerne und staatlich verhängten "offiziellen" Sanktionen - so dürfen österreichische Unternehmen beispielsweise keine Flugzeugteile, Jagdwaffen und übrige "Dual Use"-Güter (die also auch militärischen Zwecken dienen können) nach Russland exportieren -wird dem Land schaden.

Jeder, der schon einmal mit einem Gewehr geschossen hat, weiß: Es gibt so etwas wie einen Rückstoß. Physikalisch betrachtet, ist dieser exakt so groß wie jene Kraft, die das Geschoß aus dem Lauf befördert und in die Lage versetzt, Gegenstände zu zerstören oder Schlimmeres anzurichten. Dass die nach hinten gerichtete Kraft beim Schützen, sofern dieser die Waffe halbwegs sachgemäß verwendet, keinen ernsteren Schaden verursacht, liegt im Wesentlichen daran, dass sie sich auf eine größere Fläche verteilt.

Dieses Prinzip gilt gleichermaßen für Sanktionen aller Art. Selbstverständlich gibt es auch hier eine rückwärts gerichtete Wirkung, und wir spüren diese ja bereits: in Form teurerer Energie und einer höheren Inflation. Ist es das wert? Lässt sich Russland so in die Knie zwingen? Kommt Putin dadurch zur Vernunft? Treffen die Sanktionen nicht die Falschen, nämlich die Bevölkerung?

Brutal niedergeschlagene Antikriegsdemonstrationen in russischen Großstädten können nicht darüber hinwegtäuschen: Putin genießt immer noch die Zustimmung weiter Bevölkerungskreise. Sicher, diese sind durch staatlich gelenkte Medien manipuliert. Aber Putin kam durch eine Wahl an die Macht. Ein Ziel der Boykottmaßnahmen ist, den Druck auf Putin durch die Bevölkerung so zu erhöhen, dass das Regime stürzt.

Hat so etwas eine Chance?

Ein Blick in die Vergangenheit legt den Schluss nahe: Ja, diese Chance gibt es. Es wäre nicht die erste russische Diktatur, die nicht militärisch, sondern ökonomisch untergeht. Das von Ronald Reagan inszenierte Wettrüsten hat dazu geführt, dass das Land wirtschaftlich ausblutete und die kommunistische Partei dem wachsenden Druck der Bevölkerung schließlich nicht mehr standhalten konnte. Das kommunistische Regime musste 1991 kapitulieren. Denn Russland ist zwar flächenmäßig groß, wirtschaftlich aber bestenfalls untere Mittelklasse: Das russische BIP ist bloß 3,8-mal höher als jenes Österreichs1. Auch der (zögerlich umgesetzte) Ausschluss russischer Sportler von allen internationalen Veranstaltungen macht Sinn. Vor allem Diktaturen nutzen erfolgreiche Sportler gern zur Propaganda und sportliche Großveranstaltungen als Plattform der Selbstdarstellung.

Wenn es keine russischen Sporterfolge mehr gibt, wenn westliche Marken aus den Schaufenstern russischer Geschäfte verschwinden, wenn Auslandsreisen komplizierter oder gar unmöglich werden, wenn Nord Stream 2 zur Industrieruine à la Zwentendorf wird - es hängt von der Einigkeit des "Westens" ab, wie erfolgreich die Sanktionen letztlich sein werden.

Das weiß Wladimir Putin natürlich, und dementsprechend klar fiel seine Reaktion aus. Er verglich die Sanktionen vor Mitarbeitern der Aeroflot wörtlich mit einer "Kriegserklärung"."Der Krieg", so formulierte es der deutsche Feldherr Carl von Clausewitz in seinem von Lenin und Managern gleichermaßen geschätzten Werk "Vom Kriege", sei "eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln".

Und die Wirtschaft, so erleben wir es jetzt, ist eine bloße Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Dieser Krieg ist noch lange nicht entschieden, egal, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht. Und an dieser Front stehen längst wir alle.

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