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Wo fängt Ihre Lieferkette an?

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Agatha Kalandra ist seit 2016 Partnerin und Leiterin des Management-Consulting-Teams von PwC Österreich und Member of the Management Board. Sie verfügt über einen MBA in Controlling und Finance und mehr als 25 Jahre Berufserfahrung. Ihr Fokus liegt auf Finance-Transformation, HR-Transformation und Sustainability.
Agatha Kalandra ist seit 2016 Partnerin und Leiterin des Management-Consulting-Teams von PwC Österreich und Member of the Management Board. Sie verfügt über einen MBA in Controlling und Finance und mehr als 25 Jahre Berufserfahrung. Ihr Fokus liegt auf Finance-Transformation, HR-Transformation und Sustainability.©beigestellt
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Künftig endet die Verantwortung von Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette. Ein EU-weites Regelwerk ist in Arbeit. In Deutschland gibt es bereits eine entsprechende Vorgabe.

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160 Millionen Kinder auf der Welt sind zu Kinderarbeit verdammt. Entgegen dem klaren globalen Verbot von Kinderarbeit sind mindestens die Hälfte besonders ausbeuterischen und gefährlichen Bedingungen ausgesetzt, so der deutsche Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. 2,3 Millionen Menschen sterben jährlich bei einem Arbeitsunfall oder als Folge ihrer Tätigkeit, so der Bericht der International Labour Organization. Die Liste an Verstößen gegen weltweit anerkannte Menschenrechte ist lang und erstreckt sich von geografisch entlegenen Regionen bis in viele europäische Betriebe.

Es gibt viel zu tun, um als Unternehmen umfassend nachhaltig zu agieren, daher gilt es, nicht nur die umweltspezifischen, sondern auch die sozialen Ziele in diesem Bereich zu kennen. Bis dato haben sich Bemühungen auf europäischer Ebene vor allem auf ökologische Ziele gerichtet. Nun rücken Fragen der sozialen Nachhaltigkeit in den Fokus, damit unter anderem die global vernetzten Lieferketten. Vor allem geht es um die Fragen, wie sozial gerecht diese weltweit aufgestellt sind und wer dafür die unternehmerische und rechtliche Verantwortung trägt.

Die CSDD-Richtlinie.

Im Februar dieses Jahres brachte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf ein, die „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“, kurz CSDD-Richtlinie. Als Basis für den Richtlinienentwurf wurden u. a. die UN Guiding Principles on Business and Human Rights herangezogen. Diese mittlerweile sehr etablierte Handlungsanleitung für menschenrechtsorientierte Unternehmen wird gemäß den Vorgaben der Europäischen Union von einem „Nice-to-have“ zu einem „Must-have“. Das hat ein deutliches Mehr an – auch haftungstechnischer – Verantwortung von Unternehmen für ihre Lieferketten zur Folge. Der Plan ist eine Beschlussfassung im Herbst 2022 und damit ein Inkrafttreten der Regelung vermutlich ab 2025, so die Schätzung von Expert:innen. Änderungen des Vorschlags sind nach wie vor möglich. Eines ist gewiss: Die Umsetzung ist kein leichtes Unterfangen und setzt einen Paradigmenwechsel im global vernetzten Handel sowie in der Produktion voraus.

Künftig endet die Verantwortung von Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette. Ein EU-weites Regelwerk ist in Arbeit. In Deutschland gibt es bereits eine entsprechende Vorgabe.

Agatha KalandraPartnerin und Leiterin des Management-Consulting-Teams von PwC Österreich

Die Lieferkettenregelungen in Deutschland.

Wie wird die Richtlinie aussehen? Dazu ein Blick nach Deutschland. Dort gilt bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ab 2023 sind Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitenden verpflichtet, nachweislich für die Einhaltung der Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette zu sorgen. Ab 2024 wird die Regelung auf Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden ausgeweitet.

„Unternehmen in Deutschland verdienen an dem, was in anderen Teilen der Welt erarbeitet wird. Darum tragen sie auch Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette“, so die Begründung der deutschen Bundesregierung. Was schreibt die deutsche Regelung vor? Das Gesetz konkretisiert, in welcher Form Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht, also ihre „Due Diligence“ zu erfüllen haben. Dazu zählen das Analysieren der menschenrechtlichen Risiken, das Umsetzen von Präventions- und Abhilfemaßnahmen und das Einrichten von Beschwerdemöglichkeiten. Allem voran müssen Unternehmen über ihre Aktivitäten berichten, das soll auch Transparenz schaffen.

Der Due-Diligence-Prozess für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln


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ORIENTIERUNGSHILFE. Die „OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct“ zeigt, worauf es bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten ankommt.

© OECD

Das deutsche Lieferkettengesetz gilt als Vorgeschmack auf die kommende EU-weite Regelung. Expert:innen erwarten, dass die flächendeckende Lösung jedoch noch strenger ausfallen wird: Im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz bezieht sich die CSDD-Richtlinie auch auf den Menschenhandel oder Klimarisiken wie Abholzung oder den Einsatz von Pestiziden.

Was tun?

„Unternehmen müssen sich bewusst werden, was das Gesetz für sie bedeutet. Viele unterschätzen nach wie vor den Aufwand. Wieder andere haben bereits freiwillige Vorarbeit geleistet und werden jetzt konkret. Zur Einordnung: Allein der Punkt zu Kinderarbeit im deutschen Lieferkettengesetz umfasst acht Kriterien“, so Marianne Schulze, Social-Sustainability-Expertin bei PwC Österreich. Aktuell arbeitet die Juristin mit langjähriger Erfahrung im Bereich Menschenrechte an Projekten mit namhaften Kund:innen in Wien. Zuvor war die Austro-Australierin u. a. mit der Erstellung der SDGs – der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – befasst. Soeben wurde sie in den Universitätsrat in Salzburg gewählt. Jetzt berät die Expertin PwC-Kund:innen unter anderem bei der Risikoanalyse ihrer globalen Lieferketten und der damit verbundenen Sorgfaltspflichten.

Was erwartet die CSDD-Richtlinie von Firmen konkret? „Von den Unternehmen wird erwartet, dass sie ihre Leistung in Bezug auf Themen wie Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitnehmer:innen, sichere Arbeitsbedingungen, Verlust der Biodiversität und Umweltverschmutzung überwachen und optimieren. Bei Nichteinhalt drohen Unternehmen Strafen, die sich je nach Größe der Firma auch am Jahresumsatz orientieren können“, so Marianne Schulze.

Next Steps.

Um die vorgeschlagene Richtlinie zu erfüllen, muss ein Unternehmen solide Pläne aufstellen. Dazu gehört eine effektive Roadmap, um die erforderlichen Due-Diligence-Aktivitäten durchzuführen. Ausgangspunkt ist eine grundlegende Bewertung der derzeitigen Sorgfaltspflichten, um mögliche Lücken und verbesserungswürdige Bereiche zu erkennen („Gap-Analyse“). Danach gibt eine detaillierte Risikoanalyse Aufschluss über die Umwelt- und Menschenrechtsthemen, die priorisiert werden sollten. Diese Erkenntnisse münden in einen detaillierten Umsetzungsplan.

Als neue Faustregel für Großunternehmen gilt: Falls sie den Verdacht schöpfen, ihre Lieferkette könnte weit nach Laos reichen, müssen sie künftig genauer hinsehen. Ihre Verantwortung könnte weiter reichen als gedacht. Dem administrativen und unternehmerischen Mehraufwand liegt jedoch ein ausgezeichneter Gedanke zugrunde: die Rechte der Menschen zu schützen, die Waren für die EU produzieren. Die Europäische Union betont, dass als Teil der Nachhaltigkeitsbemühungen die Produktion regionalisiert werden sollte, und sieht dies klar als einen Beitrag in der Prävention wachsender Ungleichheiten.

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k.A

© PWC
PwC

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