trend: Auch wenn sich die Pandemie gegenwärtig abschwächt, bleibt das wirtschaftliche Umfeld herausfordernd. Welche strategischen Faktoren verhelfen Familienunternehmen in Österreich zum Erfolg?
Alexander Kainer: : Die Pandemie hat den Wandel bei den Rahmenbedingungen lediglich beschleunigt: Die drei großen Paradigmenwechsel – die Mobilitätswende, die industrielle Wende hin zu Industrie 4.0 und die Energiewende – beschäftigen alle Unternehmen in Österreich bereits seit vielen Jahren. Gerade der Mittelstand überlegt eifrig, wie er die „gläserne Decke“ durchbrechen und Themen wie Wachstum und Internationalisierung am besten vorantreiben kann. Denn es braucht eine Vorlaufzeit von einigen Jahren, bis die beschlossenen Veränderungen wirklich greifen und Projekte abgeschlossen werden. Strategie hat nichts mit kurzfristigen Maßnahmen zu tun – das haben speziell Familienunternehmen gelernt, denn sie denken in Generationen.
Welche Szenarien im Bereich der Strategie und der Unternehmensentwicklung muss der Mittelstand in seine Zukunftsplanung aktuell besonders miteinbeziehen?
Kainer: Man muss sich erlauben in Extremen zu denken sowie auch negative Szenarien und ihre Auswirkungen durchspielen. Denn die Erfahrung zeigt: Über Extremsituationen nachzudenken ist für Führungskräfte in der Regel schwierig, aber wichtig. Viele wollten vor 2020 lieber gar keine Szenarien für den Fall entwickeln, dass der Umsatz um 20 Prozent einbricht oder die Lieferketten reißen. Inzwischen hat man gelernt, dass das notwendig ist – und dass Vieles, was früher unmöglich war, plötzlich doch machbar ist. Doch noch immer gibt es Nachholbedarf, denn eine Vielzahl von Unternehmen ist mit operativen Themen beschäftigt und stellt strategische Überlegungen in den Hintergrund. Wer drei Vorstände unabhängig voneinander befragt, was die drei wichtigsten Projekte des Unternehmens sind, wird fast immer unterschiedliche Antworten bekommen.
Wie sollten mittelständische Betriebe eine resiliente Lieferkette aufbauen?
Kainer: Das beginnt beim Einkauf – indem man sich wichtige Fragen stellt: Kenne ich meine Lieferanten wirklich? Bin ich von ihnen zu stark abhängig? Es gilt, die Vertriebs- und die Produktionsplanung anzugleichen und eine möglichst einfache Übersicht mit zentralen Risikofaktoren aufzustellen. Denn wer das macht, wird bemerken: Es gibt gar nicht so viele Risikofaktoren. Aber mit denen muss man sich beschäftigen und auch die Zuständigkeiten für diese klar definieren.
Just in Time war lange das Zauberwort, hat die Effizienzmaximierung bei den Lieferketten nach der Pandemie noch immer Relevanz?
Kainer: Just in Time hat bereits vor der Pandemie nur dort funktioniert, wo die Lieferketten sehr stabil und bei den Kosten am äußersten Anschlag waren. Wenn Rohstoffpreise volatiler werden, gerät dieses System ins Wanken. Dramatische Veränderungen wird es aber trotzdem nicht geben – weil die Kunden einfach nicht bereit sind, mehr zu zahlen und damit das Thema Kosten auch bei der Neuaufstellung der Lieferketten im Fokus stehen wird. Die Kernfrage ist daher: Wer übernimmt die Kosten bis zum Umstieg auf neue Lösungen? Die Antwort darauf liefern Unternehmen mit Flexibilität, Geschwindigkeit – und Regionalität.
Welche Aspekte sollten gerade vor dem Hintergrund der Disruptionen durch die Pandemie berücksichtigt werden? Welche Themen sind kurzfristig, welche von bleibender Natur?
Kainer: Der Schrecken sitzt noch tief bei den Unternehmen, das ist offensichtlich. Zumindest in den Denkprozessen wird dies so bestehen bleiben und die künftigen strategischen Überlegungen bestimmen. Viele Unternehmen haben gelernt, dass die Lieferketten regional bedient werden konnten und haben ihre „geheimen Reserven“ angezapft. Das könnte von der Notlösung zu einem Dauerzustand werden. Auch die Internationalisierung ist ein wichtiger Punkt, gerade für mittelständische Unternehmen - viele beginnen, eine zweite Säule aufzubauen und jetzt etwa in den USA oder Asien Präsenz zu zeigen. Denn der Welthandel erholt sich rascher als viele dachten, auch wenn die Abhängigkeiten voneinander zurückgehen.
Welche internationalen Kriterien sollte der Mittelstand in seine Strategie einfließen lassen, damit er sich im globalen Wettbewerb behaupten kann?
Kainer: Da sind wir wieder beim Faktor Geschwindigkeit – aber auch bei der Größe. Denn wie wir gesehen haben, ist Größe wichtig, um beispielsweise Zugang zum Kapitalmarkt zu bekommen. Die Bildung von Plattformen oder Clustern kann eine große Hilfe sein. Aber auch hier gilt es, strategisch vorzugehen und sich bereits am Anfang zu überlegen, welche Etappenziele innerhalb der nächsten drei Jahre erreicht werden müssen und wer dafür zuständig ist.
Wir haben über strategische Punkte gesprochen. Erkennen Sie im Rahmen von „Best Managed Companies“ Gemeinsamkeiten?
Kainer: Ja, die Praxis zeigt: Hervorragend geführte Unternehmen nehmen eine richtige Priorisierung der Themen vor und lassen sich dabei nicht vom operativen Tagesgeschäft „ablenken“ – so wichtig dieses auch ist. Es gibt Unternehmen, bei denen sich der aus drei oder vier Personen bestehende Vorstand Zeit nimmt, einige Stunden in der Woche und mehrere Tage im Monat ausschließlich für strategische Diskussionen einzuplanen – und die notwendigen Schritte erst dann zu setzen, wenn Konsens darüber herrscht. Dabei wird auch das Budget definiert, die Aufgaben auf die Standorte und die Mitarbeiter aufgeteilt und die Erwartungshaltung klar definiert. Das heißt, es wird nicht nur diskutiert, sondern es entsteht auch ein konkretes Ergebnis. Denn systematischer Erfolg ist mehr als nur Glück: Durch Beobachten und Vergleichen wird ein Muster dafür ersichtlich, wie man erfolgreich wird.
Zur Person
Alexander Kainer ist Partner bei Deloitte Österreich im Bereich Consulting. Er verantwortet dort den Bereich Strategie. Er ist seit mehr als zwei Jahrzehnten auf Industrie- und Infrastrukturthemen fokussiert, um dort Unternehmen bei ihren Transformationsprozessen zu begleiten.
Austria´s Best Managed Companies
Best Managed Companies ist ein international etabliertes Programm, das aktuell in mehr als 30 Ländern hervorragend geführte Unternehmen auszeichnet. Die teilnehmenden Unternehmen werden von einer unabhängigen Expertenjury in den vier Schwerpunktbereichen Strategie, Governance & Finanzen, Produktivität & Innovation sowie Kultur & Commitment bewertet.
Unternehmen, die in all diesen Bereichen überzeugen können, werden ausgezeichnet. Der Bewerbungsprozess wird von jeweils zwei erfahrenen Beratern von Deloitte begleitet. Zentrales Element ist ein Workshop gemeinsam mit dem Topmanagement, um bestmögliche Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Dabei wird die Führungsarbeit der jeweiligen Unternehmen mit international erprobten „Leading Practices“ abgeglichen. Interessierte Unternehmen können sich bereits jetzt für das Programm 2022 vormerken lassen.
Nähere Informationen unter www.deloitte.at/bestmanaged