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Soll die Sonne helfen, braucht sie uns

Martin Schiefer. In Kooperation mit Schiefer Rechtsanwälte.
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Aktualisiert
Lesezeit
5 min

©Schiefer Rechtsanwälte
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Die Energiewende kann nur gemeinsam gelingen, alleine ist sie nicht zu stemmen. Denn sie braucht einen gewaltigen Schub bei der Infrastruktur – und eine neue Form der Risikoteilung zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern.

Ärzte haben schon immer vor zu viel Sonne gewarnt: Sie kann Hautkrebs verursachen. Neu ist, dass jetzt auch Techniker vor dem Himmelskörper warnen: Zu viel Sonne kann Stromausfälle verursachen. Geschehen bereits in Oberösterreich, weil die vielen neuen Photovoltaikanlagen an einem sonnigen Tag so viel Strom produzierten, dass die Netze überlastet waren.

Aber war da nicht etwas? Sollten nicht Sonne und Wind dafür sorgen, ­fossile Energieträger zu ersetzen? Sollten nicht Sonnen- und Windenergie sicherstellen, dass in Österreich bis 2030 nur noch „sauberer“ Strom durch die Leitungen fließt und wir es schaffen, bis 2040 klimaneutral zu sein?

Die Antwort auf diese Fragen lautet: dreimal Ja. Trotzdem stockt die Energiewende. Knapp zwei Drittel der ausgeschriebenen und geförderten Windkraftleistung konnten im vergangenen Jahr nicht vergeben werden. Bei der jüngsten Ausschreibung gab es kein einziges Angebot mehr, beklagt die IG Windkraft.

Der aktuelle Stand der Energiewende zeigt: Man muss nicht nur wollen, man muss auch können. Immer deutlicher wird, dass die begrenzte Leistungsfähigkeit der Stromnetze ein echter Engpass bei der Energiewende ist. Sonne und Wind wollen uns mit ihrer Power ja ­helfen, aber sie brauchen auch entsprechende Leitungskapazitäten.

Die Energiewende wird kommen, sie muss kommen. Unbestritten ist aber auch, dass die Herausforderungen groß sind. Viele dezentrale PV-Anlagen und Windräder müssen in das Stromnetz integriert werden, die Stabilität des ­Netzes muss trotz starker Schwankungen bei den Erneuerbaren gewährleistet sein. Die Netzkapazität muss massiv ­erweitert werden, um den steigenden Bedarf an Strom zu decken. Rechtliche und regulatorische Auflagen müssen angepasst, Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden.

Klettertour statt Spaziergang.

Das klingt nicht gerade nach einem ­Spaziergang im Park, sondern vielmehr nach einer anspruchsvollen Klettertour. Klettern verlangt nach Kraft und Ausdauer, aber das alleine wird nicht ausreichen. Gefragt sind Innovationen und neue Zugänge. Denn es geht bei der Energiewende nicht nur darum, möglichst viele PV-Module zu montieren. Es geht um einen massiven Ausbau der ­Infrastruktur. Und dafür braucht es neue Kooperationen. Denn der Abschied von fossilen Energieträgern kann nur gemeinsam gelingen, alleine ist er nicht zu stemmen. Das bedeutet auch eine neue Rolle für Bund, Länder und Gemeinden, die als öffentliche Auftraggeber ein wesentlicher Treiber dieser Transformation sein können, ja sein müssen.

Geteiltes Risiko.

Dafür muss auch das Vergaberecht neu gedacht werden. Es braucht eine neue Form der Zusammenarbeit. Sie bedeutet mehr Flexibi­lität bei der Vertragsgestaltung, sie ­beinhaltet sinnvolle Preisanpassungsklauseln – und sie ist getragen von der Überzeugung, dass Umwälzungen in dieser Dimension nur gelingen können, wenn sich Auftraggeber und Auftragnehmer als Partner das Risiko teilen. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn möglichst viele Menschen dabei mitgenommen werden. Denn es braucht Akzeptanz und einen breiten Konsens, nicht nur für PV-Anlagen und Windräder, sondern auch für ­notwendige Infrastrukturmaßnahmen.

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) als ein Beispiel bietet dafür einige Ansätze. Vor allem die Möglichkeit, Energiegemeinschaften zu gründen, ist eine Mehrfach-Chance für alle Beteiligten. Bürgerinnen und Bürger sowie KMU können grünen Strom erzeugen. Und für Gemeinden als möglicher Initiator bietet sich die Chance, nicht nur Treiber der Energiewende zu sein, sondern auch für ihre Bewohner und Unternehmen spür- und erlebbare Vorteile zu schaffen. Und wenn die eigene PV-Anlage dann noch mit einer Ladestation für das E-Auto kombiniert wird, dann ist schon einiges erreicht. Die Herausforderungen sind zwar groß, die Möglich­keiten aber auch.

Martin Schiefer ist Gründer der auf Vergaberecht spezialisierten Kanzlei Schiefer Rechtsanwälte mit rund 50 Mit­arbeitenden. Und er macht sich regelmäßig Gedanken über gesellschaftliche Entwicklungen.

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