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Fritz und Friedrich Jergitsch im Gespräch über Justiz und Humor

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15 min
Sohn und Vater. „Tagespresse“-Chefredakteur Fritz und Rechtsanwalt Friedrich Jergitsch im Gespräch mit trend.

Sohn und Vater. „Tagespresse“-Chefredakteur Fritz und Rechtsanwalt Friedrich Jergitsch im Gespräch mit trend.

©LUKAS ILGNER
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Was passiert, wenn ein Wirtschaftsanwalt und ein Satiremacher über Recht, Humor und Grenzgänge sprechen? Das Vater-Sohn-Gespann Friedrich und Fritz Jergitsch im Gespräch über Paragrafen, Pointen, innerfamiliäre Rechtsberatung und das Humorverständnis der heimischen Justiz.

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Friedrich Jergitsch und sein Sohn Fritz setzen sich beruflich mit Recht auseinander. Der Vater berät seit Jahrzehnten Unternehmen als Spezialist für Bank- und Finanzrecht und gilt als einer der Branchenbesten. Der Sohn klopft mit seiner Satireplattform „Die Tagespresse“ mediale und juristische Grenzen ab und macht damit regelmäßig Bekanntschaft mit dem heimischen Justizsystem. Auch er gilt in Sachen Humor als einer der Branchenbesten. Die Berufswahl des Sohnes kam für den Vater übrigens überraschend, schließlich kommt der Junior doch „als ein bisschen grummeliger Mensch rüber“. Im gemeinsamen Gespräch zeigen Vater und Sohn Jergitsch jedenfalls, wie Recht und Satire einander mitunter ergänzen, und verdeutlichen, dass Humor und Juristerei mehr miteinander zu tun haben, als es auf den ersten Blick scheint.

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Anfang Juni war Vatertag. Wird dieser Tag bei Ihnen eigentlich in irgendeiner Form gefeiert?

Friedrich Jergitsch

Die Feier besteht üblicherweise aus einer elektronischen Nachricht, in der ich erfahre, dass Vatertag ist.

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Mehr wollen und brauchen Sie nicht?

Friedrich Jergitsch

Ich hab nie mehr bekommen, deswegen komme ich auch gar nicht dazu mir mehr zu wünschen.

Fritz Jergitsch

Wobei heuer hast du dich sogar erinnert, dass Vatertag ist. Üblicherweise bist du immer überrascht, wenn man dir gratuliert.

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Elektronische Nachricht ist ein gutes Stichwort. Gibt es Momente und Situationen, in denen Sie sich auch über Ihre Arbeit austauschen?

Fritz Jergitsch

Ich bekomme schon hin und wieder von meinem Vater Rückmeldungen auf Artikel. Aber selbst gebe ich kein Feedback auf Verträge, die mein Papa gemacht hat. Das wäre auch etwas schwierig.

Friedrich Jergitsch

Ich halte mich aber immer sehr zurück. Ich weiß, dass du deine Sachen immer selber machst, dir selber überlegst und immer auch selber abklärst. Ich bin dein Vater, nicht dein Rechtsanwalt. Manchmal kommt es schon vor, dass mir etwas aufstößt, aber das sag ich dann meistens nicht. Aber ich lese natürlich schon immer alles sehr genau und mache mir meine Gedanken darüber. Tatsächlich löst ja das Überwiegende von dem, was du schreibst, positive Wirkungen aus. Es ist ja eigentlich auch dein Erfolgsgeheimnis, dass du eine freundliche Form der Satire betreibst.

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Haben Sie eigentlich einen Lieblingsartikel aus dem Satire-Arsenal der „Tagespresse“, einen, der Ihnen besonders gut in Erinnerung geblieben ist?

Friedrich Jergitsch

Unter den jüngeren Artikeln fand ich vor allem die Geschichte zum Freispruch von Sebastian Kurz durch den OGH besonders gelungen …

Fritz Jergitsch

… weil wenn der Freispruch von Altkanzler Sebastian Kurz eines zeigt, dann: Wer Gutes tut und ehrlich handelt, dem widerfährt am Ende Gerechtigkeit.

Friedrich Jergitsch

Dass ihr das Kurz-Urteil dann zum Anlass genommen habt, endlich die Beschwerde gegen das OGH-Urteil zu den „Wirtshausbriefen“ beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einzureichen, ist schon eine gute Pointe.

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Die „Wirtshausbrief“-Geschichte ist ja ziemlich groß geworden. Hätten Sie 2023 jemals gedacht, dass ein Practical Joke, der brieflich im FPÖ-Duktus bei niederösterreichischen Wirten so Absurditäten wie eine „Panierquote“ oder „Gabalier-Fleischlaberl“ einfordert, beim EGMR landet? Was bedeutet der Weg nach Straßburg?

Fritz Jergitsch

Der OGH hat in einem Schlüsselsatz in diesem Urteil gesagt, dass eine Parodie nur dann eine schützenswerte Parodie ist, wenn sie dem Publikum als solche erkennbar ist. Eine Parodie, die das Publikum täuscht, ist im Umkehrschluss aus dem Schutzbereich der Kunstfreiheit ausgenommen. Und genau das wollen wir noch einmal prüfen lassen. Wir fühlen hier einen Einschnitt in die Kunstfreiheit.

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Da steht ja sehr viel auf dem Spiel. Wie schätzen Sie als Jurist die Chancen ein?

Friedrich Jergitsch

Ich würde sagen 50 zu 50. Der Fall hat jedenfalls eine erstaunliche Wendung genommen. Schließlich hat der OGH zwei klare Urteile zugunsten der Tagespresse gekippt. Manchmal heißt es unter Juristen: „Bad cases make bad law“. Darum bin ich froh, dass ihr das noch einmal am EMGH prüfen lässt.

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Wer vertritt die „Tagespresse“ eigentlich in dem Fall?

Fritz Jergitsch

Die Kanzlei Höhne, In der Maur.

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Ein Satireportal zieht vor Gericht – lässt so etwas das väterliche Anwaltsherz höherschlagen?

Friedrich Jergitsch

Ich freue mich über kleine Schnittstellen zwischen unseren Berufen. Vor allem, wenn die „Tagespresse“ mit juristischen Methoden arbeitet. Dass ihr manchmal auch Satire mit der Justiz macht, finde ich in dem Kontext ebenfalls sehr interessant.

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Zum Beispiel?

Friedrich Jergitsch

Da gibt es einige Beispiele.

Fritz Jergitsch

Wir haben etwa vor ein paar Jahren den ÖVP-Politiker Andreas Hanger wegen „unlauteren Wettbewerbs“ verklagt. Er gäbe sich nur als Politiker aus, wäre aber in Wirklichkeit Satiriker, so unser Vorwurf, der eingeklagt werden sollte. Der Beweggrund war aber ein anderer. Über ein Werbenetzwerk haben wir damals ca. 712 Euro Inseratengeld von Regierungsstellen eingenommen. Unserer Ansicht nach Geld, das dem Steuerzahler gehört und via Gericht an den Staat retourniert werden sollte.

Friedrich Jergitsch

Ich hab dem Fritz aber auch gesagt, dass die Justiz so etwas aus ihrem Selbstverständnis heraus nicht unbedingt lustig findet.

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Gibt es in Ihren beiden Berufsfeldern eigentlich Themen, an denen Sie nicht anstreifen wollen?

Friedrich Jergitsch

Auf alle Fälle. Das ganz harte Strafrecht könnte ich nicht machen. Alles, was unlauter oder absichtlich kriminell ist, bei dem man keine legitime Position mehr vertreten kann, würde ich nicht übernehmen wollen.

Fritz Jergitsch

Bei der „Tagespresse“ ist es genau umgekehrt. Wir übernehmen dort, wo es extrem unlauter und kriminell wird. Da beginnt dann unsere Arbeit.

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Und wo hört Ihre Arbeit auf?

Fritz Jergitsch

Wir schließen keine Themen a priori aus, das würde sich mit unserem Berufsverständnis nicht vereinbaren lassen. Es kommt immer auf den Zugang an und welche Botschaft der Witz transportiert. Zu einem tragischen Ereignis wie dem Amoklauf in Graz würden wir niemals einen Witz über die Tat oder die Opfer machen. Aber wir haben uns in diesem Kontext das Waffengesetz genauer angeschaut und festgestellt, dass man in Österreich leichter an Schusswaffen kommt als an die ID Austria.

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Und den Umgang der Boulevardmedien mit dem Amoklauf in Graz hat die „Tagespresse“ ebenfalls aufgegriffen …

Fritz Jergitsch

... und eine Sachverhaltsdarstellung an die Medienaufsichtsbehörde RTR eingebracht. Vor allem, da der rechte Schwurbel- und Verschwörungssender AUF1 massiv das Leid der Opfer dieser Tragödie nutzte, um Klicks zu generieren.

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Sie erweitern damit in gewisser Weise auch den Satirebegriff?

Fritz Jergitsch

Unsere Auffassung von Satire geht schon seit geraumer Zeit über den eines klassischen „Tagespresse“-Artikels hinaus und kann mittlerweile verschiedenste Formen annehmen. Da haben wir bereits viel experimentiert. Zum Beispiel haben wir mit dem „Blümel Coin“ eine eigene Kryptowährung ins Leben gerufen. Satire kann eben auf sehr vielfältige Weise aktiv werden.

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Es fällt auch auf, dass die „Tagespresse“ zuletzt vermehrt recherchierte Storys bringt …

Fritz Jergitsch

Wir versuchen seit einiger Zeit, mehr Informationen und Hintergründe in die Texte einfließen zu lassen. Es sind immer noch Artikel im Stil und mit dem Humor der „Tagespresse“, aber eben mit einer Spur mehr Wahrheit, als man das von einem konventionellen „Tagespresse“-Artikel gewohnt ist.

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Wieso gehen Sie in diese Richtung?

Fritz Jergitsch

Wir hatten das Gefühl, dass wir gewisse Geschichten anders erzählen wollen. Allerdings müssen wir darauf achten, dass wir die Story trotzdem auf unsere Art und Weise erzählen.

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Glauben Sie, dass Satire auch als Watchdog fungieren kann?

Fritz Jergitsch

Nein. Ich würde mich auch nur äußerst ungern über andere Medien erheben. Unsere Aufgabe ist nicht die bierernste Recherche, sondern eher Missstände anzusprechen und dann mit Humor zuzuspitzen.

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Müssen Sie als Anwalt eigentlich auch hin und wieder mit Humor zuspitzen?

Friedrich Jergitsch

Mein Job ist grundsätzlich nicht so lustig. Es geht ja vorwiegend um echte Konflikte, die über Jahre ausgetragen werden. Aktuell betreue ich ja viele Streitfälle ehemaliger Manager gegen ihre frühere Unternehmen. Das ist nicht lustig für die Betroffenen.

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Und für die Anwälte?

Friedrich Jergitsch

Anwälte brauchen den Ausbruch ins Lachen und in den Humor, und natürlich lässt sich im einen oder anderen Fall auch Witziges entdecken. Aber man darf niemals die Bodenhaftung verlieren. Nur so viel: In meiner Zeit als Anwalt habe ich sicher nicht weniger gelacht als irgendwer in einem anderem Berufsstand, einschließlich Satiriker.

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Wenden Sie sich manchmal an Ihren Sohn, wenn Sie lachen wollen?

Friedrich Jergitsch

Ich war ja sehr erstaunt, dass mein Sohn diesen Berufsweg eingeschlagen hat. Seine humoristische Seite hatte ich gar nicht so bemerkt. Du kommst ja als sehr ernsthafter und ein bisschen grummeliger Mensch rüber.

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Im Hause Jergitsch ist also der Vater der Lustige?

Friedrich Jergitsch

Der unfreiwillig Lustige vielleicht. Aber ja, wir reden schon über die „Tagespresse“, aber es ist bei Weitem nicht unser einziges Thema.

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Sie haben ja Volkswirtschaft studiert. War Jus jemals eine Studienoption für Sie?

Fritz Jergitsch

Während des Studiums habe ich mir das nie gedacht. Erst danach, als ich mit der „Tagespresse“ begonnen und dabei bemerkte habe, wie viel Freude und Spaß mir die tiefer gehende Beschäftigung mit Sprache bereitet. Damals habe ich die Verwandtschaft zwischen Satire und Rechtswissenschaften erkannt.

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Inwiefern?

Fritz Jergitsch

Beides sind Berufe, in denen man Dinge möglichst klar mit möglichst wenigen Worten ausdrücken muss. Die Kunst ist es, mit wenigen Worten viel zu transportieren.

Friedrich Jergitsch

Das glatte Gegenteil von der europäischen Gesetzgebung – eine Ansammlung von Hunderten Seiten von Wortwülsten.

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Hätten Sie sich eigentlich gewünscht, dass Ihr Sohn in Ihre Fußstapfen tritt und Jurist oder Anwalt wird?

Friedrich Jergitsch

Ich hab mir immer gewünscht, dass meine Kinder das tun, was sie gerne machen. Außerdem glaube ich, dass sie abgeschreckt waren, weil ich sehr viel gearbeitet habe und beide gefunden haben, so geht’s nicht!

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War das so?

Fritz Jergitsch

Vielleicht waren wir vom Anwaltsberuf abgeschreckt, von den Rechtswissenschaften per se aber sicher nicht.

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Sie waren ja 25 Jahre bei Freshfields und sind jetzt Partner in einer deutlich kleineren Kanzlei. Arbeiten Sie jetzt weniger?

Friedrich Jergitsch

Wir sind in der Kanzlei zwölf Personen, die alle Wirtschaftsrecht machen. Es gibt Klienten, die ich nahtlos weiter betreut habe, aber es ist auch viel Neues dazu gekommen. Unterm Strich ist es aber ein völlig anderes Format. Ich arbeite noch gerne, aber ja – sicher nicht mehr so wahnsinnig viel wie früher, es hat sich schon normalisiert.

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Finden Sie es im Großen und Ganzen gut, dass ihr Vater noch arbeitet? Er könnte ja eigentlich auch schon in Pension sein …

Fritz Jergitsch

Ja, absolut. Sonst müsste ich ihm ja Taschengeld geben.

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Wenden Sie sich eigentlich an Ihren Vater, wenn Sie einmal rechtlichen Beistand brauchen?

Fritz Jergitsch

Meine Lebensgefährtin ist auch Anwältin …

Friedrich Jergitsch

Ich halte es grundsätzlich für sehr gesund, wenn man die Rechtsberatung beim besten Rechtsberater für das Fach sucht und nicht bei Verwandten, die das zufällig studiert haben. Es entsteht einfach eine Befangenheit, wenn etwas das eigene Kind oder den eigenen Familienkreis betrifft. Aber wenn Fritz meine Hilfe braucht – natürlich bin ich dann da.

Fritz Jergitsch

Wie beim „Blümel Coin“. Den hast du recherchiert und rechtlich beraten.

Friedrich Jergitsch

Und dafür muss ich dir auch noch die Rechnung schicken.

Zu den Personen

Das Interview ist im trend.LAW vom Juni 2025 erschienen.

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