
Grischka Voss
©Teresa MarenziIn ihren One-Woman-Performances räumt die Schauspielerin Grischka Voss lustvoll wie offensiv mit weiblichen Klischeebildern auf. Auch das Thema Gender-Pay-Gap und Altersvorsorge beschäftigt sie.
Trend: Sie haben sichtlich vor keinem Thema Scheu, nehmen sich auf der Bühne bei Ihren feministischen Programmen in Sachen weibliche Lust kein Blatt vor den Mund. Warum heißt es hierzulande aber immer noch: Über Geld spricht man nicht?
Grischka Voss: Weil wir nach wie vor in einer Erfolgsgesellschaft leben, zu der das vorzeigbare Glück dazugehört. Und leider steht Geld immer noch für Glück. Daher ist es immer noch ein Tabu, zuzugeben, dass es einmal nicht so gut läuft oder dass man Geldsorgen hat. Obwohl sie jeder irgendwann hat. Mich hat das immer schon genervt, weil ich aus einem künstlerischen Umfeld komme und da Geldsorgen was Normales waren.
Was hat Sie denn familiär in Sachen Geld geprägt?
Mein Vater hat zu Beginn seiner Karriere wenig verdient und meine Mutter gar nicht gearbeitet. Meine Eltern haben daher immer wieder Schulden gemacht. Und meine Mutter hat sich zudem als 1968er-Revoltefrau prinzipiell geweigert, Rechnungen zu bezahlen, und sie lieber haufenweise gestapelt. Wir hatten daher regelmäßig Gerichtsvollzieher vor der Türe stehen. Das hat mich als Kind derartig fertiggemacht, dass ich da schon angefangen habe, unter meinem Spielteppich Geld zu horten. Und bis heute ist für mich der schlimmste Gedanke, Schulden zu machen. Das versuche ich, tunlichst zu vermeiden, auch wenn ich jemand bin, der von der Hand in den Mund lebt. Wenn ich Geld habe, verwöhne ich alle, die mir nahestehen, und gönne mir auch selbst was. Dann lasse ich es krachen.
Was ärgert Sie denn am aktuellen Wirtschaftssystem?
Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und schlechter verdienende Menschen in unserer Gesellschaft immer benachteiligt sind. Ich finde es auch bedrohlich wie erschütternd, dass als Erstes bei den Sozialleistungen gekürzt wird.
Haben Sie als freiberufliche Künstlerin ein finanzielles Vorsorgekonzept bzw. was halten Sie aktuell für ein gutes Investment?
Ich versuche, mir etwas zur Seite zu legen. Ich habe auch etwas in Gold investiert und bin im Moment sehr happy darüber. Und ich habe als Zukunftsabsicherung für meinen Sohn eine kleine Wohnung gekauft. Hätte ich die Mittel, würde ich weiter in Betongold investieren. Gerade als freie Künstlerin mittleren Alters, wo man auch in den Age-Gap fällt und es weniger Rollenangebot gibt, habe ich permanent Existenzängste. Ich schreibe mir meine eigenen Rollen und Programme und kämpfe darum, uns sichtbar zu machen.
Und was halten Sie für Ihren ganz persönlichen Reichtum? Also was macht Ihr Leben besser?
Meine größte Trumpfkarte ins Glück ist meine Fantasie, die nährt mein Lebensglücksgefühl. Wenn ich es brauche, kann ich mich mit meiner Fantasie in einen glücklichen Zustand träumen, egal, wann und wo ich bin. Fantasie ist das größte Gut des Menschen, die kann man niemandem wegnehmen, egal, wo man ihn einsperrt oder wie sehr man jemanden quält.
Wenig Fantasie bleibt beim Thema Gender-Pay-Gap. Müssen Frauen auch in der Kunstbranche härter ums Geld kämpfen?
Nach einer Studie der IG Freie Theater ist der Gender-Pay-Gap gerade in der darstellenden Kunst immer noch extrem. Da verdienen Frauen nach wie vor um 37 Prozent weniger. Da ist akuter Handlungsbedarf.
Wofür geben Sie denn leichten Herzens viel Geld aus?
Das, wofür ich am meisten Geld ausgebe, ist tatsächlich Essen. Ich esse wahnsinnig gerne gut, ich koche auch gerne und ich kaufe gerne gute Qualität und immer Bioprodukte. Ich sammle auch Gewürze, spezielle Chutneys oder scharfe Pasten und habe eine gut ausgestattete Küche. Auch gute Kosmetik- und Pflegeprodukte sind mir wichtig. Und Reisen, vor allem wenn ich meine Liebsten dazu einladen kann.
Was war das Verrückteste, das Sie sich je geleistet haben?
Da sind wir wieder beim Essen: Im Übermut und weil er so schön war, habe ich am Naschmarkt einmal einen ganzen Steinbutt gekauft, zu einem absurden Betrag. Aber er war köstlich.
Was empfinden Sie als Luxus?
Der größte Luxus ist, keine Geldsorgen zu haben. Je älter ich werde, wird das immer mehr zum Thema. Die Kombination freiberuflich, Künstlerin, Alleinerzieherin, 56 Jahre alt ist belastend.
Wofür würden Sie denn Ihren letzten Cent ausgeben?
Für meinen Sohn.
Zur Person:
GRISCHKA VOSS, 56. Die Tochter von Gert und Ursula Voss studierte Schauspiel und Tanz in New York und Wien, gründete 1997 gemeinsam mit Ernst Weigel „das bernhard ensemble“ und arbeitet seit 2017 als eigene One-Woman-Company. Nach der Autobiografie „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ schrieb sie 2019 das Solostück „Bulletproof“ über die Lust der Frau, 2023 folgte mit „F*ING HOT!“ ein Programm über das Klimakterium. Mit beiden Stücken ist sie immer wieder on Tour. Alle Termine: www.grischka-voss.com
Das Interview ist im trend.PREMIUM vom 4. April 2025 erschienen.