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Sorgfaltspflichtengesetz auf dem Prüfstand: Sinnvoller Schutz oder Last?

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Sorgfaltspflichtengesetz auf dem Prüfstand: Sinnvoller Schutz oder Last?
Das Sorgfaltspflichtengesetz soll Unternehmen unter anderem dazu bringen, Kinderarbeit entlang der Lieferketten auszuschließen.©Stephen Barnes/Getty Images/iStockphoto
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Das neue Deutsche Sorgfaltspflichtengesetz, das Menschenrechte über Lieferketten schützen und auch als Vorbild für eine europäische Regelung dienen soll, sorgt für Unmut. Dieter Hauck, Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte, nimmt es unter die Lupe.

Mitte Februar erfolgte die politische Einigung für das Deutsche Sorgfaltspflichtengesetz, das in der Folge als Vorbild für eine europäische Regelung dienen wird und bei dem auch Österreich zumindest in Teilbereichen nachziehen will.

Bei dem Sorgfaltspflichtengesetz geht es um die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch Unternehmen entlang der Lieferketten, etwa die Vermeidung von Kinderarbeit oder faire Entlohnung. In Deutschland ansässige Großunternehmen sollen dadurch verpflichtet werden, Verantwortung für die Umsetzung der Menschenrechte in ihren Lieferketten zu übernehmen (ab 2023: ab 3.000 Mitarbeitern, ab 2024: ab 1.000 Mitarbeitern).

Diese Verpflichtung soll allerdings nur für jene Unternehmen gelten, die ihren Sitz oder Hauptniederlassung in Deutschland haben. Für den Wettbewerb bedenklich erscheint dabei vor allem die Ausklammerung all jener Unternehmen, die zwar Waren und Dienstleistungen in Deutschland anbieten, selbst aber keinen Unternehmenssitz in Deutschland haben. Auswirkungen auf Lauterkeits- und Vergaberecht sind denkbar und ungewiss.

Jubel und Schwachstellen

Während die einen den politischen Kompromiss bejubeln und die anderen die deutsche Wirtschaft in Gefahr sehen, warnen Juristen vor voreiligen Schlüssen, da der Gesetzesentwurf an einigen Stellen noch nicht ausgegoren erscheint.

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Rechtsanwalt Dieter Hauck: "Unausgegorener Entwurf." © beigestellt

Das Gesetz folgt Versuchen der Freiwilligkeit: infolge der vom UN-Menschenrechtsbeirat im Jahr 2011 erlassenen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNLP) wurden auf nationaler Ebene lediglich freiwillige Mechanismen vorgesehen. Die Ergebnisse hinsichtlich der Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen wurden als ungenügend angesehen, dass nun verbindliche Regelungen Abhilfe schaffen sollen.

Geht es nach der deutschen Bundesregierung, soll sich die Verantwortung der erfassten Unternehmen auf die gesamte Lieferkette durch die Einführung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten erstrecken.

Doch genau hier sehen viele die eigentliche Schwachstelle des Gesetzes: Die Definition der Lieferkette ist nämlich so umfassend zu verstehen, dass sie auch alle mittelbaren Zulieferer umfasst. Damit soll beispielsweise ein deutscher Elektronikhersteller auch Sorgfaltspflichten gegenüber dem Minenbetreiber haben, in dessen Minen Metalle für einen Computer abgebaut werden. Wie dies dem deutschen Unternehmen bei einer Reihe zwischengeschalteter Unternehmen tatsächlich gelingen soll, erwähnt der Gesetzesentwurf allerdings nicht.

Unklare Bestimmungen

Die Anforderungen an die Unternehmen sind gestaffelt. Unter anderem werden sie nach den unterschiedlichen Stufen der Lieferkette (eigener Geschäftsbereich, unmittelbarer Zulieferer und mittelbarer Zulieferer)abgestuft. Ein deutsches Unternehmen muss sohin bei einem ausländischen mittelbaren Zulieferer bloß anlassbezogen handeln. Hier wurde kritisiert, dass der Gesetzgeber einen Anreiz zum Wegschauen schaffe. Dagegen steht die Sorge einer Überspannung der Sorgfaltspflichten.

Konkret trägt der Gesetzgeber den Unternehmen Folgendes auf: Alle Interessen seiner direkten Beschäftigten, der Beschäftigten innerhalb seiner Lieferkette und derjenigen, die in sonstiger Weise von der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens oder von Unternehmen in seinen Lieferketten in einer geschützten Rechtsposition unmittelbar betroffen sein können, müssen angemessen berücksichtigt werden. Augenscheinlich stellt der Gesetzgeber damit die Unternehmen vor eine Herkulesaufgabe. Unklar bleibt nämlich, wie Unternehmen jegliche Beeinträchtigungen von Personen, die auf irgendeine Art und Weise von der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens betroffen sein könnten, kontrollieren soll bzw. kann.

Offene Fragen

Sollte ein Unternehmer es schaffen, die hochgegriffenen Vorgaben zu erfüllen, sieht das Gesetz außerdem vor, dass Unternehmen über ihre Tätigkeiten zum Schutz der Menschenrechte ausführliche Wirksamkeitsberichte erstellen. Fraglich erscheint dabei, wie Unternehmen vorzugehen haben, wenn sich keine Beschwerden zu Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten aufgetan haben.

In diesem Fall taucht schnell die Frage auf, ob das Unternehmen eventuell gar nicht die richtigen Maßnahmen zur Aufdeckung solcher Verletzungen gesetzt hat, oder sich in der Lieferkette des Unternehmens schlichtweg keine Menschenrechtsverletzungen ergeben haben. Wo auch immer die Wahrheit liegt, der Gesetzgeber lässt den Unternehmer mit dieser Frage allein.

Hoher Bußgeldrahmen

Tatsächlich ist die Diskussion zu den genannten Punkten nicht nur von akademischem Interesse und praktisch hoch relevant. Der Bußgeldrahmen im Sorgfaltspflichtengesetz beträgt bei schweren Verstößen bis zu 2 % des weltweiten Konzernumsatzes, was verständlicherweise bei den betroffenen Unternehmen Kopfzerbrechen hervorruft. Daneben plant die Europäische Kommission gerade einen ähnlichen Rechtsakt auf EU-Ebene und wird sich wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit auch an dem deutschen Vorbild orientieren. Dabei gilt allerdings zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber noch die eine oder andere (große) Änderung vornimmt, um das Gesetz auch für eine Ausweitung im ganzen EU-Raum akzeptabel zu machen.

In Österreich wurde zur Verhinderung von Zwangs- und Kinderarbeit bei der Herstellung von Bekleidung – wohl ein Teilaspekt dieser Thematik – im Mai 2020 von der SPÖ ein Vorschlag für ein Sozialverantwortungsgesetz eingebracht. Der Entwurf sieht Unterlassungsklagen durch Schutzverbände (§ 29 Abs 1 KSchG) und Gewinnabschöpfungsansprüche vor. Der Entwurf wurde an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zugewiesen, Beratungen fanden allerdings noch keine statt. Öffentliche Unterstützung findet die Initiative durch Organisationen wie beispielsweise Treaty Alliance Österreich und die Arbeiterkammer.

Die Integration dieser Gesetzesvorhaben in das komplexe System von im weitesten Sinne wettbewerbsrelevanten Gesetzen, wie Lauterkeits-, Kartell- und Vergaberecht wird höchst interessant – das will kein Klient von seinem Anwalt hören!

Zur Person

Mag. Dieter Hauck ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte. Er ist unter anderem auf österreichisches und europäisches Wettbewerbs- und Kartellrecht spezialisiert.

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