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„Aktien werden von einer Normalisierung des Zinsniveaus profitieren“

In Kooperation mit Volksbank
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UTA POCK, Senior Research Analyst der Volksbank Wien, über die Entwicklung der Aktienmärkte in den kommenden Monaten.

Trend: Wie schätzen Sie die Ent­wicklung des Zinsniveaus in den USA und in Europa in den kommenden Jahren ein?

Uta Pock: Die kurzfristigen Zinsen dürften ihren Höhepunkt in diesem Jahr noch erreichen und bis weit ins nächste Jahr hinein mehr oder minder unver­ändert bleiben. Erst wenn die von den Notenbanken erwartete Rückkehr der Inflationsraten in Richtung zwei Prozent klar absehbar ist, kann – voraussichtlich in den USA beginnend – mit ersten Zinssenkungen gerechnet werden.

Und in Europa?

Die meisten Hoch­inflationsphasen in Industrieländern folgten auf verfrühte Lockerungen – entsprechend vorsichtig wird vor allem die EZB agieren, deren Zinsen bei höherer Inflationsrate niedriger sind als jene der US-Notenbank Fed. Gründe, die Zinsen dennoch nicht weiter zu steigern, liefern vor allem die Monetärdaten, die eine starke Transmission der Geldpolitik auf die Kreditmärkte – und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – zeigen. In der Eurozone war die Wachstumsrate der Unternehmens­kredite und jene der Wohnbaukredite an private Haushalte im September mit 0,2 Prozent im Jahr nur mehr knapp positiv, etwas stärker, aber unterhalb der Inflationsrate, wuchsen lediglich die Konsumkredite mit 3,1 Prozent. 

Werden die höheren Zinsen dämpfend auf den Aktienmarkt wirken?

Die höheren Zinsen wirken sich am Aktienmarkt bereits aus, wobei das Hauptmotiv gegenwärtiger Investitionszurückhaltung – und damit geminderter Wachstums­fantasie – bei den Unternehmen eher die allgemeine Verunsicherung über Geopolitik, Energiepreise und Handelshemmnisse ist als das bloße Zinsniveau.

Wann wird die Investitionsstimmung wieder steigen?

Die derzeit aufgeschobenen Investitionen könnten nächstes Jahr nachgeholt werden, wenn sich bei den Zinsen die skizzierte Plateaubildung mit anschließend leicht abwärts gerichtetem Trend einstellt. Dann ­treten die üblichen Gewöhnungseffekte gegenüber den herrschenden Krisen, auch wenn das vielleicht etwas zynisch klingt, wieder ein, und der private ­Konsum springt an. Dann sollten auch die Aktienmärkte wieder in einen Aufwärtstrend einschwenken. Voraussetzung dafür ist ein Soft Landing in den USA und generell eine Stabilisierung der Weltwirtschaft inklusive China, wo derzeit deflationäre Tendenzen bestehen, aber geld- und fiskalpolitisch ­gegengesteuert wird.

Wie werden sich die einzelnen Branchen Ihrer Ansicht nach in den kommenden Jahren an den Börsen entwickeln?

Konsumnahe Branchen dürften nächstes Jahr von Aufholeffekten bei den verfügbaren Einkommen profitieren, insbesondere in Europa, wo üblicherweise die Inflation mit einem Jahr Verzögerung abgegolten wird und die Löhne auch bei moderaten Abschlüssen nächstes Jahr wohl stärker steigen als die Lebenshaltungskosten.

Wie werden Aktien aus dem Industriesektor reagieren?

Der derzeit unter Druck stehende Industriesektor zeigt üblicherweise rasche Reaktionen auf die ersten Ansätze konjunktureller ­Erholung. Zwar sind die Herausforderungen an den Sektor derzeit hoch, eine zyklische Erholung Hand in Hand mit der Normalisierung der derzeit hohen Lagerbestände sollte aber die Neuaufträge steigen lassen und in weiterer Folge auch die Aktienkurse und die Gewinne der Unternehmen. Von einer Normalisierung des Zinsniveaus würden in den nächsten Jahren die Aktien zahlreicher Branchen profitieren, als zinssensibel gelten klassischerweise die Wachstumstitel im Technologiesektor, aber auch der Immobi­-lien- und damit einhergehend der Baubranche würden niedrigere ­Renditen entgegenkommen. 

Welche Auswirkungen wird das hohe Zinsniveau auf den Immobilienbereich haben?

Die Leistbarkeit von Wohn­immobilien verbessert sich durch die gegenwärtig stagnierenden bis leicht fallenden Preise, während die nominal verfügbaren Einkommen deutlich ansteigen. Dieses Jahr sind die Haushalte noch in der Schere zwischen steigenden Lebenshaltungskosten und erst verzögert steigenden Einkommen gefangen, nächstes Jahr dreht sich die Situation jedoch um.

Konsumnahe Branchen dürften nächstes Jahr, insbesondere in Europa, von Aufholeffekten bei den verfügbaren Ein­kommen profitieren.

Uta Pock, Volksbank Wien

Wird dann auch die Nachfrage nach Immobilienkrediten wieder anspringen?

Wenn dann auch die Zinsen ihren Höhepunkt überschreiten, wird sich die Nachfrage – wie in den beiden letzten Bank Lending Surveys der OeNB für die Wohnbaukredite auch schon ganz leicht angedeutet – wieder erhöhen. Ein den Jahren bis 2021 vergleichbarer ­genereller Boom ist nicht zu erwarten, aber gut ausgestattete, klimafitte Wohnungen, die keine hohen Umrüstungsinvestitionen für Dämmung, Heizung etc. erfordern, halten dem gegenwär­tigen Zinsniveau auch als Geldanlage durchaus stand. In den anderen Segmenten ist es bereits zu Abschlägen gekommen, sie sind vorerst vielleicht eher Betonsilber als Betongold, werden aber ebenso vom langfristig fundamental steigenden Wohnbedarf, zumal im ­leistbaren Segment, profitieren.

Wie werden sich die Preise bei Immobilien weiter entwickeln?

Während die Nachfrage allein schon durch das ­Bevölkerungswachstum steigt, kam es aufgrund der gestiegenen Baukosten zu einem Rückgang der Bautätigkeit und einer starken Verringerung der Baugenehmigungen, woraus eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage entstehen kann. Der Preistrend dürfte dann dementsprechend wieder nach oben zeigen. 

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