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IQ + EQ × VQ = zukunftsfit

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Schüler sind weitaus positiver gestimmt, als es die derzeitige Lage wohl vermuten lässt. Von Pessimismus nicht die Spur.

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Karrierestudien zeigen, dass der Intelligenzquotient (IQ) zumindest für Spitzenpositionen in unserer Leistungsgesellschaft eine Grundvoraussetzung ist, allerdings mit abnehmendem Grenznutzen. Zu viel Analyse im Management kann sogar zu Paralyse führen. Der EQ, die Summe aller emotionalen und sozialen Kompetenzen, wird in der Welt von morgen sicher noch wichtiger werden. Zusätzlich zum IQ und EQ gibt es einen weiteren Faktor, der als Multiplikator für alle anderen Fähigkeiten wirkt: der Vertrauens-Quotient (VQ).

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Die Zukunft ist etwas, das meistens schon da ist, bevor wir es erkennen. Deshalb habe ich mich heuer auf die Reise gemacht und bei jenen nachgefragt, die unsere Welt von morgen gestalten werden: bei begabten jungen Menschen in Österreich und Deutschland. Die Ansichten und Ideen der Jungen wurden noch nicht abgeschliffen durch die Erfahrungen im Laufe des Lebens. Ihr ungetrübter Blick auf die Welt von morgen kann uns als Quelle der Inspiration dienen.

Manche ihrer Ansichten, Visionen und Ideen sind sehr idealistisch und nicht eins zu eins auf die Herausforderungen, vor denen wir Erwachsenen heute stehen, übertragbar. Daher habe ich die aus den Gesprächen mit den Jungen gewonnenen Erkenntnisse mit der Lebenserfahrung der besonderen Menschen, die ich in meinem Leben kennenlernen durfte, verschmolzen. Entstanden ist ein subjektives, auch von meinen persönlichen Einschätzungen geprägtes Bild davon, was wir heute von der kommenden Generation lernen können, um morgen noch mitgestalten zu können.

Nachdem ich 21 Zukunftsfähigkeiten herausgearbeitet hatte, raubte mir eine Frage den Schlaf: Gibt es ein gemeinsames Muster, das alle jungen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, verbindet?

Beim Nachdenken habe ich mich erinnert, welche Freude es war, mit diesen jungen Menschen zu reden und ihre positive Energie zu spüren. Trotz aller Krisen war kein Pessimismus bemerken. Viele waren besorgt, was die Zukunft der Welt betrifft, aber sie sahen ihre eigene durchwegs zuversichtlich. Ich erkannte, dass das genau die Einstellung ist, die nicht nur die besonders begabten Jungen auszeichnet, sondern fast alle Menschen, die ihr Leben gut bewältigen. Diese Grundhaltung gleicht einem offenen Geheimnis, sie ist uns nur oft nicht bewusst:

Das geht weit über positives Denken und Optimismus hinaus. Hätte ich die Möglichkeit, allen trend-Leserinnen und -Lesern zu Silvester einen Zaubertrank in ihr Sektglas zu mischen, der eine Kraft in ihnen für das Jahr 2024 verdoppelt, so wäre das Vertrauen ins eigene Leben.

Waren alle meine Gesprächspartner mit einem hohen Grundvertrauen ausgestattet? Offensichtlich nicht. Die wichtigste Erkenntnis meiner Recherchen lautet: Es existiert eine Brücke zwischen dem Wissen über unsere eigenen Fähigkeiten und dem Vertrauen ins Leben. Selbst wer in der Kindheit nur mit einem geringen Grundvertrauen startet, kann sich dieses im Laufe seines Lebens erarbeiten. Jede Form von positiven Erfahrungen und unterstützenden Beziehungen trägt dazu bei. Man kann die Brücke daher auch von der Seite der Erfolgserlebnisse betreten, welche einem durch das Erkennen der eigenen Fähigkeiten gelingen. Je besser jemand diese Möglichkeiten nutzt, desto stärker findet er durch Anwendung seiner Talente Vertrauen ins Leben. Das ermöglicht dann auch in einer ungewissen Zukunft sein Bestes leisten zu können.

Die Generation Z, das sind die zwischen 1996 und 2010 Geborenen, erwartet, dass sich der Job an ihr Leben anpasst und nicht umgekehrt. Die Idee, Mitarbeiter mit Zuckerbrot und Peitsche motivieren zu können, stammt aus dem industriellen Zeitalter. Primär finanzielle Anreizsysteme oder die Drohung mit der Kündigung werden in der Welt von morgen zumindest für qualifizierte Arbeit immer mehr an Bedeutung verlieren. Die folgenden drei Kriterien sind in Zukunft spielentscheidend dafür, ob Menschen bereit sein werden, ihr Leistungspotenzial in Organisationen einzubringen.

1. Sinn: Hat das, was ich tue, Sinn für mich selbst, für meine Organisation und für die Welt?

Anstatt sich ausschließlich auf äußere Maßstäbe wie finanziellen Erfolg oder beruflichen Aufstieg zu konzentrieren, kann die Veränderung des Leistungsbegriffs den Fokus auf persönliches Wachstum und die Verwirklichung von individuellen Zielen lenken.

Der einzelne Mensch kann sich darauf konzentrieren, seine Fähigkeiten und Talente weiterzuentwickeln, neue Dinge zu lernen und sich selbst zu verbessern. Menschen werden lernen, ihre eigenen Grenzen zu erkennen, sich Rückzugsräume und Erholungszeiten zu gönnen.

Das Bewusstsein der eigenen Kraftquellen ermöglicht höheres Wohlbefinden und eine bessere mentale Gesundheit. Für Otto Scharmer, Organisationsforscher am MIT, ist mentale Gesundheit das wichtigste Zukunftsthema.

2. Selbstbestimmung und Flexibilität: Fixe Regelungen der Arbeitszeit haben keine Zukunft.

Das Schlagwort von der Work-Life-Balance ist ein Mythos, der entzaubert wird. Es geht nicht darum, wie viel, sondern was wir arbeiten. Ein Mensch, der arbeiten darf, was ihm wirklich Freude macht, erbringt in der Hälfte der Arbeitsstunden den doppelten Beitrag zur Wertschöpfung einer Organisation. Eine Illusion? Wenn wir das Potenzial von KI richtig nutzen, kann das die Menschheit so weiterbringen, dass jeder Einzelne etwas Sinnstiftendes tun kann.

Der Wunsch nach mehr Freizeit ist verständlich, weil heutzutage sogar Kinder ständig beschäftigt und im Halbstundentakt für Wahlfächer, Nachhilfe und Freizeitaktivitäten verplant sind. Kommen sie abends nach Hause, sind sie genauso müde wie Erwachsene - eine Tatsache, die uns traurig stimmen sollte. Wir brauchen daher nicht mehr Freizeit, sondern mehr Muße, also selbstbestimmte Zeit. Daraus folgt:

3. Leistung und Erfolg werden individueller definiert, um die Vielfalt von Talenten und Tätigkeiten zu berücksichtigen.

Erfolg, Leistung und Gewinnen werden für bestimmte Menschentypen auch morgen noch sehr bedeutsam für ihr Lebensglück sein. Für sie entsteht Sinn durch das Setzen und Erreichen von immer neuen Zielen. Doch Ziele allein reichen bei Weitem nicht aus.

Wir brauchen eigene Wertvorstellungen, die uns helfen, unserem Leben Halt zu geben. Diese Wertvorstellungen haben ihrerseits nur Sinn, wenn sie von der Erfahrung getragen werden, dass man seine Geschicke auch selbst beeinflussen kann und nicht völlig willkürlich den Kräften anderer ausgeliefert ist. Deshalb wirkt sich Fremdbestimmung so negativ auf Menschen aus, und vielen geht in unser Hochleistungsgesellschaft schlicht die Luft aus.

Menschen können lernen, sich weniger von äußeren Erwartungen unter Druck setzen zu lassen. Dies führt zu einem gesünderen Umgang mit Leistung und einem geringeren Risiko von Erschöpfung und Burn-out.

Leistung wird auch in Zukunft wichtig sein. Je fähiger man ist, desto mehr Chancen bieten sich, eine Tätigkeit zu finden, die Selbstbestimmung und Autonomie ermöglicht. Gut bezahlte, aber sinnbefreite und fremdbestimmte Jobs wird es zwar weiterhin geben, sie werden aber von gut Qualifizierten gemieden werden.

Erlauben Sie mir einen optimistischen Ausblick auf die Zukunft: Stellen wir uns eine Welt vor, die von kreativen jungen Menschen geprägt wird, die gemeinsam mit neugierigen, lebenserfahrenen Älteren das Potenzial der Technologie zum Vorteil aller nutzen.

Voraussetzung dafür ist eine echte Dialogfähigkeit auf Augenhöhe. Mark Twain hat einmal gesagt: "Als ich 14 war, war mein Vater so dumm, dass ich ihn kaum ertragen konnte. Aber als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, wie viel der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte." Der Ton macht die Musik.

Die Älteren hören den Jungen vorurteilsfrei zu, und die Jungen unterstützen sie dabei, die Welt von morgen besser zu verstehen. Wer ein glaubhaftes Beispiel für Engagement und Qualitätsanspruch vorlebt, der wird auch von den Jüngeren der Generation Z anerkannt werden. Ein Zitat vom Gründer der SOS-Kinderdörfer Hermann Gmeiner gilt zeitlos für alle Generationen: "Alles Große in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er muss.

Buchtipp

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Buchtipp

Unsere neue beste Freundin, die Zukunft
Was die Jungen wissen und wir noch nicht
von Andreas Salcher, edition a
ISBN: 978-3-99001675-6
304 Seiten, 27 €
Das Buch hier beziehen

Das Essay ist ursprünglich in der trend. edition+ vom Dezember 2023 erschienen.
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